Wenn es nicht möglich ist, durch die Anlagen von modernen Verkehrsmitteln Zentralafrika   dem Welthandel zu erschließen, so wird eben nach und nach langsam von den Küsten aus die Forschung weiter vordringen und es wird noch eine sehr lange Zeit dauern, bis die meisten Gebiete dem Verkehr zugänglich sind. Der wachsende Handel wird dabei zu statten kommen und ist auch gegenwärtig so ziemlich das einzige Mittel, die dem Verkehr mit Europa   widerstrebenden Stämme heranzuziehen.

Wenn die europäischen   Regierungen die Versuche, den Ver­fehr mit Innerafrika anzubahnen, nach Kräften unterſtüzen, so kann das seine guten Früchte tragen. Die Franzosen sind hierin mit gutem Beispiel vorangegangen. Während die un­heilvolle Politik der Bourbons und der Bonapartes von dem falschen Grundsaz ausging, daß ein starkes Frankreich   bedingt sei durch ein schwaches Deutschland  , sucht heute Frankreich   seine Stärke in dem Erwerb von Kolonien und in der Anknüpfung von Beziehungen zu fremden Völfern. Die übrigen Staaten

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könnten ihm darin nacheifern, statt unter sich Kriege zu führen und stets gegeneinander gerüstet dazustehen. Wir sind keine Freunde gewaltsamer Eroberung, ob es nun europäische oder afrikanische Landstriche sind, die davon betroffen werden. Allein wenn sich die europäischen   Regierungen vereinigten, um mit ihren gesammten Kräften auf die Eröffnung des Verkehrs mit Innerafrika hinzuwirken, so könnte schon Vorteil genug dadurch erzielt werden, zumal die Schwierigkeiten feineswegs unüber­windlich sind. Dem alten, in vielen Beziehungen entkräfteten Europa   durch Erschließung eines so reichen Landes, wie Zen­ tralafrika   zu sein scheint, und durch Hebung und Nuznießung von dessen Naturschäzen neue Lebenskräfte zuzuführen, scheint uns eine unseres Jahrhunderts würdigere Aufgabe, als etwa die Austragung des Streits zwischen Panzer und Kanone. Ob die nächste Zeit derartige staatliche Bestrebungen bringen wird? Wer kann es wissen!

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Blumauers Aeneis  .

Säkular studie von J. Stern.

Die Parodie und die Travestie, zwei sehr verwandte und darum häufig mit einander verwechselte Formen meist der komischen Poesie haben das gemeinsam, daß sie Nachahmungen irgend eines bekannten Gedichts sind, unterscheiden sich aber dadurch, daß die Parodie( wörtlich Nebengedicht) das nachge= ahmte Gedicht auf einen andern Gegenstand überträgt, wogegen die Travestie( s. v. a. Umkleidung) denselben Gegenstand aber in anderer Weise behandelt und zwar in der Regel, indem sie ihn ins Lächerliche zieht. Ein Lied vom Bier" z. B., welches sich in die Form von Schillers Glocke kleidet( die leider schon so oft zu derlei Geschmacklosigkeiten profanirt worden ist) ist eine Parodie. Eine Travestie aber ist Blumauers Aeneis.

Der Regenbogen in seiner ganzen Pracht, urteilt ein Literar­historifer treffend, wirft einen Schatten, in welchem das ganze Farbenspiel des herrlichen Naturwunders zu erkennen ist, aber verblaßt und matt: so steht die römische Literatur der helleni­schen zur Seite, alle Tinten derselben widerspiegelnd, aber ab­geblaßt und matt. Hellas' und Roms Literatur verhalten sich wie Original und Nachahmung. Am deutlichsten tritt dies Ver­hältnis zutage in dem teilweise mit Recht vielgepriesenen Helden­gedicht Aeneis  "( die Aeneide) Virgils, das im Mittelalter und noch anfangs der Neuzeit als das vollendetste Werk der antifen Dichtkunst geschäzt wurde, bis die allgemeiner gewordene Bekanntschaft mit Homer   solcher übertriebenen Geltung ein Ziel fezte.

Publius Virgilius Maro  , geboren 70 v. Chr. im Flecken Andes( dem jezigen Dörfchen Pictolo bei Mantua  ), intimer Freund des Horaz, gehört wie dieser und die Dichter Catull  , Tibull, Properz und Ovid  , dem augusteischen Zeitalter an. Sein ge­lungenstes Werk ist das Gedicht Vont Landbau"( Georgica), worin er mit vollständiger Sachkenntnis und reizender poctischer Anmut die verschiedenen Elemente der Arbeiten der italischen Landwirtschaft besungen hat. Weniger gut steht ihm die idyllische Dichtung zu Gesicht. In seinem Hirtengedicht( Bucolica) legt er à la Bertold Auerbach den Hirten Gedanken in den Mund, die man von diesen unmöglich erwarten kann. Virgils größter Ruhm gründet sich aber auf die Aeneis  , mit welcher er, mit Homer   wetteifernd und ihn nachahmend, em römisches National­epos schuf oder, besser, zu schaffen beabsichtigte. Denn wie hätte in Rom  , zur Zeit des Auguſtus, wo aller organische Zusammen hang der Bildung mit der ursprünglichen Sage und Mytologie des Landes auf immer zerrissen war, ein echtes Epos entstehen können? In zwölf Gesängen erzählt die Dichtung die Irrfahrten und Schick sale des trojanischen Helden Aeneas   nach der Zerstörung Trojas und dessen Ankunft und Niederlassung an der Küste von Latium  , und feiert denselben als Stammvater des römischen Volks und

des jüdischen Geschlechts, welchem der Kaiser Augustus   ange­hörte. Schöne Einzelheiten, erhabene, malerische und rührende Stellen finden sich in der Dichtung, die beinahe aller epischen Kunstpoesie als Muster vorschwebte, in Menge; namentlich auch hat sie einen überaus harmonischen Versbau und eine Sprache von ungemeinem Wohllaut. Aber an die göttliche Einfalt, Ur­sprünglichkeit und ruhige Größe der Ilias und Odyssee, an welche die Aeneis   durch die Absichtlichkeit ihrer Nachahmung zu ihrem großen Nachteil allerorts erinnert, reicht das Ganze nicht im entferntesten hinan. Statt einer naturwüchsigen. Helden­dichtung lieferte Virgil   bei allem Aufwand guten Willens nur eine gemachte, ein Werk der Reflexion, kalt und ohne Lebens­fülle, das noch dazu durch die erzwungene Beziehung auf Augustus als den angeblichen Sprößling des Aeneas  , stark ge­trübt wird.

Daß Virgil   selbst über den eigentlichen Wert seiner Aeneis in feiner Selbsttäuschung befangen war, verrät seine testamen­tarische Verordnung, das noch unveröffentlichte Wert den Flam­men zu übergeben. Er bewies hierdurch eine größere Einsicht in das Wesen der wahren Poesie, als die lange Reihe von Männern, welchen die Aeneis ein Kanon der Dichtkunst gewesen. Noch Voltaire   meint: Honter hat den Virgil   geschaffen, sagt man: Wenn das wahr ist, so ist dies ohne Zweifel das beste Werk Homers  ." Zu den Spezialmängeln des Gedichts ge­hört ganz besonders die Karakteritik des Helden, der, weit ent­fernt, einen Nationalheros zu repräsentiren, viel besser zum Gründer eines Mönchflosters als zu dem eines Reiches paßt, wie Saint- Evremond wizig aber treffend bemerkt. Er ist weich, sentimental und zu Tränen geneigt, zu fromm und zu tugend­haft, schwazt zu viel, lauter Eigenschaften, die sich mit dem antiken Heldentum schlecht vertragen. Auch geht er gefährlichen Abenteuern lieber aus dem Wege, als daß er sie aufsucht, und ist überhaupt ohne eigene Initiative, muß vielmehr immer ge­leitet und von außen geschoben werden. mochte es vorzugsweise sein, der schon früh die Travestie gegen die Aeneis   herausforderte. Eine solche, nicht in Worten, son­dern in Farben eine Karritatur ist uns in Herkulanum auf eine besonders populäre Stelle des Aeneis   aufbehalten. Auf einer ernstgehaltenen Illustration jener Stelle war Aeneas   als fräftig schöner Mann seinen alten Vater Anchises tragend dar­gestellt, während sein Söhnchen Askan an seiner anderen Hand ihm folgt. Wehmütig blickt er nach den Flammen Trojas zurück. Die Karrikatur reproduzirt die nämliche Gruppe, aber die Menschen sind in Affen verwandelt. Großpapa Anchiſes ſizt als uralter, nackter, ernstblickender Affe, vor sich einen Kasten, worin die Penaten, auf der Schulter des großen, kräftigen Affen

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Dieser Umstand