Raritäten, als da sind: Pfarrer ohne Köchinnen, Pocten ohne Eitelkeit, Reiche, die das Geben freut u. s. w.
Aeußerst spaßhaft sind auch die Vorbereitungen zum Kriege im siebenten Buch geschildert. So wechselt schalkhafter Humor mit äzender Satire in buntem Durcheinander. Zu den Glanzstellen gehört der Kampf der vier Fakultäten in Gestalt von vier Luft ballonen im fünften Buch. Eine hübsche Idee ist auch das Wettrennen mit den poctischen Pferden: Alexanders Buzephal, die Rosse des Achilles, der Rappe der Haimonskinder, Don Quixotes Rozinante 2c. Vortrefflich ist die Schilderung der Fama( der Personifikation des Gerüchts):
Miß Fama, da dies vorging, saß
Dabei nicht auf den Ohren; Sie ward von Frau Kuriositas Dereinst zur Welt geboren. Ohätte Madam Fürwiz nur Die unverschämte Kreatur
Im ersten Bad ersäufet! Jezt aber führt sie in der Welt Ein skandalöses Leben Und pflegt für ein geringes Geld Sich jedem preiszugeben. Obs Tugend oder Laster sei, Das ist ihr alles einerlei,
Sie profitirt von beiden.
Sie schämt sich nicht und schwadronirt Herum in allen Schenken, Hält jedem und prostituirt
Sich da auf allen Bänken. Ein jeder Zeitungsschreiber ist Ihr Kunde, jeder Journalist,
Und jeder Kannegießer.
Die Wahrheit und die Lüge friẞt Sie auf mit gleichen Freuden, Und was sie wieder ausspeit, ist
Ein Frikassé von beiden. Wenn man zuweilen Kriege führt, Und eine Schlacht geliefert wird, Dient sie auf beiden Seiten. Sie haranguirt den Bösewicht
Und macht sich kein Gewissen, Speit oft der Tugend ins Gesicht Und tritt sie mit den Füßen; Verrät, was Nachts ein. Mädchen tat, Frühmorgens schon der ganzen Stadt Und schweigt von feilen Mezen. Sie ist in täglich neuem Kleid In allen Assembleen;
Weiß oft die schalste Kleinigkeit Zum Wunder aufzublähen; Ist wankelmütig wie ein Weib Und frönet oft zum Zeitvertreib
Den Schmierer zum Poeten.
Als komische Mittel weiß der Poet Hyperbeln und haar sträubende Anachronismen, wie auch derbe Cynismen, geschickt anzubringen. Als kostbares Geschenk überreicht Aeneas der Königin von Karthago , Dido, den Unterrock der Helena , den Schmuck der alten Hekuba und deren Augengläser. Die von Aeneas verlassene Dido sucht ihren Kummer durch die Lektüre von Werthers Leiden zu lindern und entschließt sich hernach zum Selbstmord. Der Gott Vulkan besprengt sich mit Weih wasser, bevor er in seine Werkstatt geht. Der Bauch des hölzernen Pferdes, in welchem sich Griechenlands Helden versteckt hielten, war von solcher Größe, daß das Heidelberger Faß ein Fingerhut dagegen war. Die Sprache des Gedichtes ist leb= haft, energisch, fräftig, der Ausdruck lebendig und malerisch, der Reim wohlklingend, musikalisch. Wenn je eine Travestie klassisch genannt zu werden verdient, so ist es Blumauers
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Aeneis nach Gehalt und Form. Wieland war einer der ersten, welche dies einsahen; er weissagte dem Autor in einer Zuschrift:" Sie werden sich einen Ruhm erwerben, der allein hinlänglich wäre, die Eitelkeit zwanzig anderer Aspiranten zu be= friedigen". Diese Prophezeihung bewährte sich vollständig; Blumauers Travestie fand rasch die weiteste Verbreitung und wurde von den Zeitgenossen entusiastisch aufgenommen, und noch jezt ist sie eine Lieblingslektüre vieler, die den Virgil in der Ursprache lesen, und wie mancher Gymnasiast amüsirt sich heimlich damit und rächt sich an dem Original für die grammatischen Qualen, die ihm dieses bereitet. Minder günstig, vielmehr scharf verurteilend, äußerte sich dagegen Schiller über die Travestie. Er hatte von der Poesie im allgemeinen und spe ziell von der Virgil'schen Aeneide, die er zumteil bekanntlich in freie Stanzen übertrug, eine zu hohe Meinung, um Gefallen an jener zu finden. In seinem Aufsaz„ Ueber naive und sentimentale Dichtung" heißt es: Man sollte zwar gewissen Lesern ihr dürftiges Vergnügen nicht verfümmern, und was geht es zulezt die Kritik an, wenn es Leute gibt, die sich an dem schmuzigen Wiz( sic!) des Herrn Blumauer erbauen und er= lustigen können. Aber die Kunstrichter wenigstens sollten sich enthalten, mit einer gewissen Achtung von Produkten zu sprechen, deren Existenz dem guten Geschmack billig ein Geheimnis bleiben sollte. Zwar ist weder Talent noch Laune darin zu verkennen, aber desto mehr ist zu beklagen, daß beides nicht mehr gereinigt ist". Milder und anerkennender urteilt Goethe, obgleich auch er kein Freund von Parodien und Travestien war.„ Wie ich ein Todfeind sey von allem Parodiren und Travestiren", schreibt er einmal,„ hab' ich nie verhehlt; aber nur deswegen bin ich's, weil dieses garstige Gezücht das Schöne, Edle und Große herunterzieht, um es zu vernichten".
Man kann die Travestie mit der Circe vergleichen, welche die Menschen in Bestien verwandelte, ihre edle Gestalt verunstaltete und zur Mißbildung verzerrte. Aber vollkommenen. poetischen Schöpfungen kann sie nicht schaden, mit ihnen verhält es sich wie mit den Gefährten des Odysseus , von denen es nach der Entzauberung heißt:
Alsbald wurden sie Männer und jünger, denn sie gewesen, Wurden zugleich weit schöner an Wuchs und höher an Ansehn.
Die Travestie kann nicht blos die Schönheit des Originals nicht trüben, diese wird vielmehr nach dem Lesen der Travestic nur um so glänzender strahlen. Litte die Virgil'sche Aeneis nicht an bedeutenden Schwächen, die Blumauer'sche würde gewiß die Schäzung derselben nicht vermindert haben.
Eine glänzende Verteidigung hat Blumauers Dichtung in einem Libell gefunden, betitelt: Virgilius contra Blumauer puncto labefactae Aeneidis( Virgils Klage gegen Blumauer wegen der gestürzten Aeneide). In der Götterversammlung will Zeus auf Blumauer zwei flammende Donnerkeile schleudern. Vulkan macht den Advokaten Virgils echt juristisch, Manus dagegen verteidigt Blumauer. Er liest das Buch vor, die Götter, Juno ausgenommen, hätten sich tot gelacht, wenn sich Götter totlachen könnten; der dicke Bacchus lacht, daß sein Sessel zusammenfracht, selbst Zeus kann die angenommenen Obertribunalsfalten nicht länger machen, plazt los und erschüttert den Olymp statt mit Donnern durch Lachen, und endlich erfolgt sein Götterspruch: Blumauer! rief nun Zeus , fomm' her! Küß mich! dein Freund ist Jupiter, Hast's gut gemacht, du Schlingel! Laß dich's nicht reu'n, befleiße dich Und liefere bald was neues- ich Bränumerir' auf alles.
Die moderne Wissenschaft und die neueste Reform unserer höheren Jugendbildung.
Von Bruno Geiser.
Wir befinden uns in einer Zeit allgemeinen Strebens und Drängens nach Reformen und Neugestaltungen der verschieden sten und wichtigsten politischen und sozialen Einrichtungen.
Auch die Regierungen streben mit, und die Reichsregierung macht sogar allerlei Experimente, um sich an die Spize der Reformbewegung zu schwingen. Was ist nicht alles schon