tung des Harnstoffes im Blute kundgibt. Nach alledem scheint somit der wesentlichste Teil der Krankheit die übermäßige Aus­schwizung von Wasser aus den Blutgefäßen in die Höhle des Darmkanals zu sein, durch welche das Epithel der Darmschleim haut ganz ebenso abgehoben und schließlich abgestoßen wird, wie bei einer Verbrennung der äußeren Haut die Oberhaut ebenfalls durch die aus dem Blute ausgeschwizte Flüssigkeit abgelöst und zu einer Blase emporgehoben wird. Durch den raschen und übermäßigen Wasserverlust wird das Blut dick­flüssig, bewegt sich langsamer und vermag nicht mehr die feinen Haargefäße zu durchdringen. Daher stockt der Atmungsprozeß in der Lunge, es tritt Atemnot   und Beängstigung wie beim Ersticken ein. Das Gehirn wird infolge der mangelhaften Blut­zirkulation nicht gehörig ernährt, daher die Hirnsymptome. Da das eingedickte Blut an Masse sehr beträchtlich abgenommen hat, so schlt allen Teilen der Haut ihre sonstige Fülle. Dazu kommt, daß alle noch sonst in den Geweben vorhandene Flüs sigkeit von dem Blute begierig eingesogen wird, sodaß die Haut förmlich einschrumpft und eintrocknet. Die blaue Farbe des Blutes erklärt sich aus der mangelhaften Atmung, denn nur der beim Atmen aufgenommene Sauerstoff färbt das Blut hellrot. Kurz, fast alle Symptome der Krankheit erklären sich ziemlich zwanglos durch die übermäßige Ausschwizung von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen der Tarmschleimhaut.

Was die Entstehung und Verbreitungsweise der asiatischen Cholera anbetrifft, so ist dieselbe seit Jahrtausenden in gewissen Teilen Ostindiens( Niederbengalen, Malwa, Ma­labartiste) heimisch. Schon die Portugiesen haben nach Ent­deckung des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung   Ende des 15. Jahrhunderts bei ihrer ersten Niederlassung in Goa  die Krankheit doit angetroffen, ja sie wird in den Sanskrit schriften( Susruta) mit allen Symptomen deutlich schon einige tausend Jahre vor Christus beschrieben und als großes Sterben, maha mâri( lat. magna mors), bezeichnet. Die wesentlichsten Benennungen in den Sanskritschriften dafür sind vishujika ( Brechen und Abweichen, Brechruhr wie im Deutschen  ), alasikâ ( Krämpfe, welche Ermattung und Starre herbeiführen), vilam­bika( Zusammenbruch, collapsus). Im Maharattischen heißt die Cholera mordeshin, auch modshi, eigentlich môdashi, was auch Zusammenbruch ausdrückt. Französische   Schriftsteller haben dieses maharattische Wort in mort de chien, Hundetod, ver­fehrt. Gleichwie die gesammte Symptomengruppe der Cholera durch gewisse mineralische und organische Stoffe( z. B. weißen Arsenik und giftige Schwämme) hervorgerufen wird, so nimmt man an, daß auch die asiatische Cholera durch einen spezifischen Infektionsstoff( wahrscheinlich einen niedrigen Organismus, Spaltpilz u. dgl.) hervorgerufen werde, den man aber bis jezt noch nicht fennt, auf dessen Existenz man aber aus den Wir­kungen, die er hervorbringt, schließt. Dieser Infektionsstoff ist ursprünglich ein Produkt des Bodens und des Klimas von In­ dien  ; aber obschon vom Boden Indiens   stammend, ist er doch auch in andere Länder und Weltteile durch den menschlichen Verkehr verbreitbar( verschleppbar), wo er sich so lange erhalten und vermehren kann, als er gewisse örtliche Bedingungen vor­findet, deren er auch in seiner ursprünglichen Heimat bedarf. Die Eigenschaft der Cholera, in ihrer Verbreitung zugleich vom Verkehr und von örtlichen Ursachen( vom Boden und Drainage verhältnissen) abhängig zu sein, hat lange zu keinen richtigen Anschauungen über die Verbreitungsart derselben gelangen lassen. Anfangs faßte man die doppelte Abhängigkeit vom Verkehr und von der Dertlichkeit den herrschenden Schulansichten entsprechend als etwas Gegensäzliches auf und dachte, daß die Cholera ent­weder vom Menschen, namentlich von Cholerakranken verbreitet werde, und dann sei sie eine ansteckende, kontagiöse Krankheit, oder daß sie vom Boden stamme, und dann sei sie eine mias­matische Krankheit. Erst die Untersuchungen Bettenkofers haben 1854 darauf hingewiesen, daß beides notwendig zusammen gehören könnte und sich nicht zu widersprechen brauchte. Auf diesem Grundgedanken, Cholerateim und Choleralokalität beide zusammen als wesentlich zu betrachten und gesondert zu be­

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handeln, ist die neuere Lehre von der Verbreitungsart der Cholera entstanden.

Selbst in Indien   sind es nur wenige Bezirke, in welchen die Cholera ständig, endemisch vorkommt, und auch in diesen gibt es Zeiten, wo sie schlummert, wo nur sehr vereinzelte und wenige Cholerafälle vorkommen, denen dann wieder Zeiten folgen, wo sie häufig, epidemisch, vorkommen. Außerhalb der ende­mischen Bezirke scheint der Keim nach einiger Zeit, in ein bis zwei Jahren immer wieder abzusterben, und die epidemische Cholera bedarf zu ihrem Wiedererscheinen neuer Einschleppung. Daß das wenigstens in Europa   der Fall ist, spricht sich jedes­mal sehr deutlich im Fortschreiten der Epidemien von Osten nach Westen oder von Meerestüsten ins Innere aus. Ein schlagender Beweis für das Absterben des Keims nach einer abgelaufenen Epidemie und für die Notwendigkeit einer neuen Einschleppung ist das zeitliche Auftreten der Epidemien auf den Inseln Malta   und Gozo im mittelländischen Meere, welche seit 1835 bereits siebenmal von Cholera heimgesucht waren. Die beiden Inseln liegen sich sehr nahe, haben ganz gleichen Boden und gleiches Klima, und haben sich auch jedesmal gleich empfänglich für die Krankheit erwiesen, Gozo verhältnismäßig sogar noch etwas mehr als Malta  ; sie unterscheiden sich nur dadurch, daß Malta   infolge seiner ausgezeichneten Häfen einen großen direkten Verkehr mit allen Ländern hat, wahrend Gozo in Ermangelung jedes Hafens, ja selbst einer größeren Bucht, mit der ganzen übrigen Welt nur über Malta   verkehrt. So oft nun Malta   eine Cholera- Epidemie hatte, kam sie auch nach Gozo, aber jedesmal drei bis vier Wochen später als nach Malta  , was sich nur mit der Annahme verträgt, daß der Cholerafeim in Gozo nicht schon etwa von vorausgegangenen Epidemien her schlummernd vorhanden war, sondern jederzeit erst aus Malta   wiedergebracht werden mußte, denn sonst hätte die Cholera auf Gozo hier und da gleichzeitig, manchmal sogar früher als in Malta   auftreten müssen. Es ist beachtenswert, daß die asiatische Cholera schon seit Jahrtausenden in Indien  vorkommt, jedenfalls so alt ist wie die indische Kultur, daß sie aber doch erst im 19. Jahrhundert so um sich zu greifen und zu wandern anfing. Diese Tatsache hängt ohne Zweifel mit der Steigerung und namentlich mit der Beschleunigung des Verkehrs in und außer Indien   zusammen. Das Erscheinen des ersten Dampfschiffes in den indischen Gewässern fällt in das Jahr 1826, das Erscheinen der Cholera in Europa   ins Jahr 1831.

Neben dem Verkehr macht sich sowohl in Indien   als außer­halb Indiens   auch der Einfluß des Bodens und der Jahres­zeiten sehr deutlich bemerkbar. Es gibt Orte, welche sich bei jeder Gelegenheit als sehr empfänglich für Cholera erweisen, und andere, welche ihr auffallend und andauernd Widerstand leisten, wenn die Krankheit aus benachbarten, epidemisch er­griffenen Orten auch mehrfach und wiederholt eingeschleppt wird. Unter den nichtempfänglichen( immunen) Orten in Europa   ist eines der merkwürdigsten Beispiele die große Fabrik- und Handelsstadt Lyon   in Südfrankreich  , durch welche sich ununter­brochen der lebhafteste Verkehr zwischen zwei Hauptsizen der Cholera, zwischen Marseille   und Paris  , zicht. Selbst 1849, wo ein Aufstand war und Lyon   von Regimentern, welche aus Marseille   und Paris   die Cholera mitgebracht hatten, belagert, erobert und besezt wurde, ging die Krankheit nicht auf die Be­völkerung der Stadt über.

Orte in Gebirgen und Gebirgstälern werden viel weniger und seltener ergriffen, als in der Ebene, aber auch da kommen ausgedehnte, oft von sehr armer Bevölkerung bewohnte Distrikte vor, welche verschont bleiben, so oft die Cholera in ihrer Um­gebung herrscht, z. B. die Moor- und Malariadistrikte an der Donau   in Bayern   und zwischen Spree und Röder in Sachsen  . Schr häufig wird beobachtet, daß ein und derselbe Drt Teile hat, welche ebenso regelmäßig von Cholera stark zu leiden haben, als andere Teile des nämlichen Ortes ebenso regelmäßig ver­schont bleiben. Die örtliche Immunität fann zweierlei Ursachen haben: Bodenbeschaffenheit und Grundwasserverhältnisse. Orte