oder Ortsteile, welche auf Alluvialboden, in Mulden oder an steilen Abhängen liegen, zeigen sich für Cholera- Epidemien viel empfänglicher, als Orte, welche auf einem für Wasser und Luft undurchdringlichen Boden, z. B. auf kompakten Felsen oder auf der Höhe zwischen zwei Mulden, auf einem Kanime liegen, wenn dieser auch nicht aus Felsen, sondern aus porösem Boden besteht. Im ersteren Falle ist die Bodenbeschaffenheit, im zweiten die Drainage entscheidend.

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Wenn man das gruppenweise Auftreten von Ortsepidemien in einem größeren Umkreise, in einem ganzen Lande verfolgt, so findet man, daß sich dieselben nicht nach Landstraßen, Eisen-| Lahn- und Schiffahrtslinien aneinanderreihen, sondern daß sie sich nach den natürlichen Drainage- Gebieten, nach Fluß- Gebieten hauptsächlich gruppiren. Da man gegen den Einfluß des po­rösen Bodens und seiner wechselnden Durchfeuchtung( des Grund­wassers) immer das Vorkommen von Cholera- Epidemien auf Malta   und auf dem Felsen von Gibraltar   geltend machen wollte, reiste Pettenkofer  ( 1868) eigens dahin und fand, daß die Stadt Gibraltar   nicht auf einem kompakten Felsen, sondern auf einer Böschung von roter Erde liegt, welche sich an den sehr zer­flüfteten steilen Felsen lehnt und sehr viel Wasser schluckt und zurückhält, sodaß in der Stadt mehr als hundert gegrabene Brunnen sind, deren Spiegel viel höher als der Meeresspiegel ist. Der Felsen von Malta   saugt wie ein Schwamm Flüssig feit an, ist so weich, daß er mit der Säge und dem Messer geschnitten wird, und so porös, wie der Sand von Berlin  , dem nur der Zusammenhang fehlt, um. malteser Felsen zu sein.

Die Cholera- Epidemien kommen und gehen in ihrer Heimat sowohl als auch außerhalb derselben sehr regelmäßig mit den Jahreszeiten. Unter den verschiedenen Einflüssen der Jahres­zeit macht sich aber nicht Wärme und Kälte als das Entschei­dende geltend, denn sonst könnte die Cholera nicht vom Indischen bis zum Eismeer, von Kalkutta   bis Archangel vorkommen, son­dern es sind die Regen- und die davon abhängenden Grund­wasserverhältnisse. In Niederbengalen( Kalkutta  ), wo während der Regenzeit vom Mai bis Oftober etwa 150 Centimeter Regen fallen, trifft das Maximum der Cholera regelmäßig auf den April, das Minimum auf den August. Beide Monate haben gleiche mittlere Temperatur, aber der April ist der Gipfel der heißen trockenen und der August der der heißen nassen Jahres­zeit. Im Nordwesten Indiens  , im Pendschab( Lahore  ), herrscht fast dieselbe Hize wie in Bengalen  , da fallen aber in der gleichen Regenzeit nur etwa 50 Centimeter Regen. Während in Niederbengalen die Cholera immer zugegen ist, bleibt das Bendschab oft viele Jahre hintereinander, von Cholera- Epidemien frei, und wenn sie auftreten, zeigen sie sich da hauptsächlich während der Regenzeit. Es scheint daher gerade ein gewisser Wassergehalt des Bodens und eine gewisse Schwankung erfor derlich zu sein. Auch bei den Epidemien in Europa   tritt der Eintritt gewisser Monate und Zeiten sehr deutlich hervor: da sind Sommer und Herbst- Epidemien die Regel, Winter- Epide­mien die Ausnahme, und der Frühling( März, April und Mai) bleiben immer fast ganz frei.

Das Vorkommen der Cholera auf Schiffen und die aller­dings nur äußerst selten vorkommenden Schiffsepidemien schienen lange ein Beweis gegen die Abhängigkeit von Boden und Grund­wasser für die Cholera zu sein, bis es zum Gegenstand ein­gehender Untersuchungen gemacht wurde. Es ergab sich, daß auch auf Schiffen die Cholera stets von einem Infektionsstoffe abgeleitet werden muß, der nicht von den Personen ausgeht, welche auf dem Schiffe erkranken, sondern vom Lande stammt. In Indien   wurden nähere Untersuchungen über das Vorkommen der Cholera auf Schiffen angestellt. Man benuzte dazu wesentlich Man benuzte dazu wesentlich die starke Auswanderung von Kulis, welche seit einer Reihe von Jahren auf zwei Linien erfolgte: auf der Linie Kalkutta­Mauritius mit 105 382 Personen und auf der Linie Kalkutta­Amerifa mit 72 681 Personen. Bryden faßt seine Erfahrungen in den Worten zusammen: Man beobachtet, daß die Mann­Man beobachtet, daß die Mann­schaft auf Schiffen, wenn sie von verschiedenen Orten auf dem Lande herstammt, feine Gemeinschaft des Erkrankens zeigt, indem

sich die Cholera auf diejenigen beschränkt, welche aus einem be= stimmten Quartiere eingeschifft sind." Es kommt auf den Trup­pentransportschiffen oft vor, daß einmal nur Matrosen erkranken und die Soldaten freibleiben, das anderemal umgekehrt, ja daß von verschiedenen Truppenteilen aus verschiedenen Quartieren auf dem Schiffe nur ein Teil von Cholera befallen wird, die andern troz innigster Berührung mit den Kranken ganz frei davon bleiben.

Ein fernere Eigentümlichkeit der Cholera, welche sie jedoch mit allen epidemischen Krankheiten teilt, ist die ungleiche Em­pfänglichkeit der Individuen( individuelle Disposition) dafür, so daß bei gleicher Infektionsgelegenheit die einen schwer, die andern leicht, die Mehrzahl gar nicht erkranken. Schwächliche und schlecht genährte Personen, deren Organe sehr wasserhaltig sind, haben die größte Disposition, an Cholera zu erkranken. Ebenso wird die Disposition durch alle Umstände gesteigert, welche auch sonst einem Individuum Diarrhöe verursachen. Sehr konstant verschieden ist die Disposition in verschiedenen Alters­klassen. Das Alter von sechs bis zwanzig Jahren wird am wenigsten ergriffen; bei jeder Epidemie überrascht die verhält­nismäßig geringe Zahl von Todesfällen unter der schulpflichtigen Jugend. Vom 40. Jahre an steigt die Disposition. Genauere Untersuchungen haben ergeben, daß diese Unterschiede weniger in einer absoluten Unempfänglichkeit, als in den höhern und niedrigern Graden der Erkrankung bestehen. Dem epidemischen Einflusse ausgesezt erkranken ziemlich gleich viel, etwa die Hälfte, aber die einen nur an leichten Diarrhöen, welche in der Regel keine weitere Beachtung finden und nicht gezählt werden, die andern an den schweren Formen, welche so häufig zum Tode führen.

Als Hauptfaktoren der Choleraverbreitung kann man dem­nach drei betrachten: 1) den Verkehr mit Choleraorten, welcher den spezifischen Infektionsstoff( Cholerakeim) verbreitet, 2) die individuelle Disposition, 3) die lokale( örtliche und zeitliche) Disposition, und man kann in diesen drei Richtungen auf Mittel denken, der Ausbreitung der Krankheit entgegenzuarbeiten. Um der Verbreitung des spezifischen Keims entgegenzuwirken, müßte man den Keim selbst kennen oder doch genau wissen, wo er bei der Verbreitung den Siz hat. Die Partei der Kontagionisten, welche die Cholera als eine von der Lokalität unabhängige Krankheit erklären und den menschlichen Organismus und nament­lich den der Cholerakranken als Entwicklungsheerd betrachten, nehmen den Siz in den Ausleerungen der Kranken oder selbst auch der Gesunden, welche aus Choleraorten kommen, an und glauben durch Isolirung der Kranken von den Gesunden und durch Desinfektion aller Erkremente und sonstigen Abgängen von Cholerakranken prophylaktisch wirken zu können. Die Einrich­tungen der Kordons, der Quarantänen und die verschiedenen Desinfektionsmaßregeln beruhen darauf. Der Erfolg hat aber bisher die Richtigkeit ihrer Voraussezungen nicht bestätigt. Die Kordons wurden beim ersten Auftreten der Cholera in Europa  in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts vielfach ange­wandt, aber als ganz nuzlos für immer aufgegeben. Auch die Quarantänen für den Schiffsverkehr haben nichts bezweckt. Man könnte denken, die Erfolglosigkeit rühre von mangelhaften Ein­richtungen her, aber niemand kann angeben, wie man einen Kordon besser machen könne, als den zwischen Preußen und Rußland 1832, oder eine Quarantäne besser, als die in Malta  1865 war. Namentlich leztere war so gut eingerichtet und so rechtzeitig in Tätigkeit gesezt, als man nur wünschen konnte; zudem war der durch sie zu beherrschende und zu schüzende Punkt so isolirt und klein, wie es bei einer Landquarantäne oder einem Kordon gar nicht denkbar ist: und doch entwickelte sich die Cholera 1865 auf der ganzen Insel genau so, wie sonst ohne Duarantäne auch. Während der Cholera- Epidemie in München  bon 1873/74 wurde auf Isolirung der Kranken und auf die Desinfektion aller Aborte, namentlich beim Militär in den Ka­sernen, die größte Sorgfalt verwendet. Als man aber zulezt Die Resultate beim Militär, wo Isolirung und Desinfektion in der denkbar besten Weise durchgeführt waren, mit dem Resultate