vor einer etwaigen Flucht Napoleons wurde dadurch verstärkt, daß sie seine Korrespondenz mit Europa nie ganz kontroliren konnten. Er fand immer Mittel, sie fortzusezen. Sie ging meistens über Bahia. Mehrfach wurden Pläne zu Befreiungsversuchen seitens der Anhänger Na poleons entworfen. Ein amerikanischer Abenteurer Namens Johnstone hatte zu diesem Zweck das Modell zu einem Schiffe konstruirt, das wasserdicht geschlossen, versenkt und wieder emporgehoben werden konnte. So wollte er sich unbemerkt der Insel nähern. Ob der Apparat wirklich diese Ansprüche erfüllt hätte, steht dahin. Man begann das Schiff auf einer englischen Werst wirklich bauen zu lassen, allein die Regierung kam dahinter und ließ das Schiff wegnehmen.
Begründet dagegen sind die Klagen über das Verhalten von Hud son Lowe , dem Gouverneur von St. Helena . Daß Hudson Lowe Na poleon als„ General Bonaparte" behandelte, lag allerdings in seiner Instruktion. Allein er hätte die Empfindlichkeit des Gefangenen schonen sollen, dessen Sturz von schwindelnder Höhe Strafe genug für ihn war. Hudson Lowe behandelte die gefallene Größe nicht nur mit solchen fleinlichen und erbärmlichen Chikanen, daß er durch den Aerger, den er durch dieselben erregte, Napoleons Leben abkürzen half, sondern er trat auch noch am Sterbebette des Gefangenen roh auf, indem er nach der Uhr sah, als Napoleon den lezten Seufzer getan, und seiner Freude ganz unverhohlen Ausdruck gab. Einen kleinlicheren Kerkermeister konnten die Engländer für Napoleon kaum finden.
Der Sturz des korsischen Tyrannen war die Tat der Völker Europas . Sie hätten ihn im Kampfe getötet, aber ihn nicht tot geärgert. Ohnzweifelhaft hätte er besser getan, bei Waterloo den Tod im Sturme des Gefechts zu suchen, statt sich von den Bütteln der europäischen Diplomatic sechs Jahre lang chikaniren und quälen zu lassen. Aber Napoleon war fein römischer Karakter. Kein verfehlteres Leben als das dieses Emporkömmlings, der sein gewaltiges Genie, statt zur Befreiung, zur Unterdrüdung der Völker verwendete!
W. B.
Josef II. und die Preßfreiheit. Es wird sehr häufig gerühmt, daß Kaiser Josef II. von Desterreich inbezug auf Preßfreiheit sehr tolerant gewesen sei. Im allgemeinen mag es richtig sein, allein es gab auch Ausnahmen. Einst fand man während seiner Regierung ein sogenanntes Basquill( Schmähschrift) angeschlagen, dahin lautend:
,, Ein Freund der Waffen,
Ein Feind der Pfaffen, Ein Erzkalmäuſer*)
Ist unser Kaiser."
Josef ließ das Pasquill nicht etwa„ tiefer hängen", wie sein Freund und Vorbild, Friedrich II. von Preußen, sondern darauf mit folgender Kundmachung antworten:
„ Das erste ist wahr,
Das zweite ist klar,
Das dritte ist nötig;
Dem Entdecker sind 100 Dukaten erbötig."
Wahrscheinlich wären dem Verfasser, hätte man ihn entdeckt, fünfundzwanzig mit dem„ Gesiegelten" aufgezählt worden, wenn man ihn erwischt hätte, wie es der bekannte Marschall Wurmser mit dem Schriftsteller Leuchsenring machen ließ. Aber der Pasquillant war nicht zu fassen. Er antwortete auf die kaiserliche Bekanntmachung mit einem Plakat folgenden Inhalts:
,, Wir sind unsrer vier,
Jch, Dinte, Feder und Papier;
Keines wird die andern verraten, Dem Kaiser bleiben seine Dukaten."
Und so bliebs auch. Daß man einen Preis auf die Verhaftung des Verfassers eines solchen Pasquills sezte, beweist, daß es mit der josefinischen Preßfreiheit auch sein Aber hatte.
Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.
W. B.
Die Benzung von Abfallstoffen. Die strenge Dekonomie der Natur, die auch nicht den kleinsten Stoffteil verloren gehen läßt, ist so in die Augen fallend, daß sie kaum der Aufmerksamkeit des Menschen entgehen konnte, und es ist deshalb nicht zu verwundern, daß er sich, wo ihn die Umstände dazu nötigen, die Lehre, die sie ihm gibt, zu Nuzen macht und selbst die scheinbar wertlosesten Dinge nach Möglichfeit zu benuzen sucht. In China war wegen der überfüllten Bevölke rung dieses ökonomische System längst überall gebräuchlich, und es wird dort in solcher Ausdehnung durchgeführt, daß das, was man in Europa und Amerika strenge Sparsamkeit nennen würde, bei den Chinesen als Verschwendung gilt. Doch hat man in neuerer Zeit auch in Europa angefangen, mit größerer Sparsamkeit zu Werke zu gehen. So werden jezt zahlreiche Gegenstände, die noch vor wenigen Jahren als volltommen wertlos weggeworfen wurden, entweder für Zwecke des Luxus oder des Bedürfnisses mit Nuzen verwendet. So hat unter anderem
*) Großer Geizhals.
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die Chemie die angenehmsten Gerüche( Parfümerien) aus den widerlichsten Stoffen erzeugt und aus einem so wenig versprechenden Material, wie der schwarze Steinkohlenteer, die glänzendsten Farben dargestellt. Sowohl durch zufällige Entdeckungen als durch eifrige Nachforschungen werden beständig verhältnismäßig wertlose Stoffe in Gegenstände umgewandelt, die gangbare Handelsartikel bilden, und zahlreich sind die Fabriken, die in neuester Zeit blos zu dem Zwecke entstanden sind, die Abfallstoffe von anderen Fabriken zu verwerten. So häufig sind die Entdeckungen, daß irgend etwas Nuzloses in etwas Nüzliches verwandelt werden kann und so rasch folgt eine auf die andere, daß es schwer ist, mit ihnen gleichen Schritt zu halten. Fast jede Post bringt neue Meldungen von derartigen Entdeckungen. So berichteten die fran zösischen Journale über ein Verfahren, das Stroh aus den Düngerhaufen wieder zu benuzen. Dasselbe wird nämlich durch eine einfache Maschine von dem Dünger gesondert, gereinigt und getrocknet, um wieder zu Streu in den Ställen, zum Verpacken von Glas, Porzellan 2c., vor allem aber zur Papierfabrikation verwendet zu werden, wozu es besonders geeignet sein soll, weil durch die Sättigung mit Urin und durch die Gährung, die es durchgemacht hat, die harte Faser so gelockert ist, daß andere Lösungsmittel erspart werden.
Viel von dem falschen Haare, das von dem schönen Geschlecht in Europa und Amerika getragen wird, stammt aus dem Abfall der chinesischen Barbierläden, von dem im Jahre 1875 allein in runder Summe 130 000 Pfd. im Werte von über 100 000 Mark nach Europa ausgeführt wurden, gewiß eine merkwürdige Industrie, die in einem so entfernten Lande ins Leben gerufen wurde, um den Begehr einer launischen Mode in anderen Weltteilen zu befriedigen.( Appetitliche Chignons!)
Großes hat namentlich die moderne Chemie in der Darstellung fünstlicher Parfümerien geleistet. Wenn man sich im gewöhnlichen Verkehr fast allgemein der Meinung hingibt, daß die so beliebten Blumendüfte sämmtlich durch Destillation aus den Blüten bereitet würden, so ist dies ein großer Irrtum. Bei weitem die meisten Parfümerien der Toilette sind das Erzeugnis von Abfallstoffen, welche zumteil ekelhaftesten Ursprungs sind. Manche schöne Dame nezt sich das Gesicht mit Extrait de Mille Fleurs( Tausendblütendust), ohne zu wissen, daß es aus den Abgängen des Kuhstalls dargestellt ist. Das bittere Mandelöl, womit die wohlriechenden Toilettenseifen und viele Conditorwaaren parfümirt sind, ist ein Produkt, das durch Einwirkung von Salpetersäure auf den stinkenden Gasteer erzeugt wird. Die sogenannten Fruchtsäfte, deren sich die Sodawasserverkäufer und Konditoreien bedienen, um ihren Waaren Wohlgeschmack und Parfüm zu geben, sind häufig aus Kartosselsyrup und fünstlichen Delen hergestellt, welche die Chemiker zu verfertigen wissen. Eigentümlich genug werden die lezteren aus stinkenden Stoffen erzeugt. So wird das Ananasöl durch Einwirkung von faulem Käse auf Zucker hergestellt, und das stinkende Fuselöl dient als Base für verschiedene künstliche Gerüche. So gibt es mit Schwefelsäure und essigsaurem Kali destillirt das sogen. Birnöl" und mit Schwefelsäure und doppeltchromsaurem Kali Apfelöl". In ähnlicher Weise werden aus Abfall- oder geringwertigen Stoffen verschiedene andere wohlriechende Dele gewonnen, die in der Parfümerie vielfache Verwendung finden, leider aber auch zur Verfälschung der Fruchtsäfte dienen.
Aus der rohen Schafwolle gewinnt man jezt in Frankreich durch Auslaugen derselben mit Wasser und Verdunsten der Flüssigkeit als Nebenprodukt nicht unbedeutende Quantitäten Pottasche und Salmiak. Bemerkenswert ist auch die Art und Weise, wie man in Frankreich tote Tiere zu verwerten weiß. So wird beispielsweise jeder Teil eines toten Hundes auf eine vorteilhafte Weise benuzt. Der Körper desselben wird zur Gewinnung des Fettes ausgekocht, das Fell erhält der Handschuhmacher und aus den Knochen wird Superphosphat bereitet. In Paris . ist ein totes Pferd mehr wert, als anderwärts, zumal da die besten Fleischteile der arbeitenden Klasse als Nahrung dienen( natürlich von geschlachteten Tieren). Das Haar ist, wie bekannt, wertvoll für den Tapezirer; die Haut wird gegerbt, um aus dem dicken Leder Einbände für Kontobücher zu verfertigen; aus den Eingeweiden macht man grobe Saiten für Maschinenräder; das Fett, das bei einem gutgehaltenen Pferde 60 Pfund beträgt, findet stets leichten Absaz, es wird hauptsächlich zu Pomaden verwendet; die Hufe werden entweder von Drechs lern oder durch die Fabrikanten von Berlinerblau gekauft; die Knochen erhalten die Verfertiger von Elfenbeinschwarz und die Drechsler. Selbst das in Fäulnis übergegangene Fleisch findet noch Verwendung, indem man damit Würmer zieht, die zum Fettmachen von Hühnern dienen. Die Reste werden zum Fangen der Ratten gebraucht, deren zarte Felle von den Pelzwaarenhändlern immer gerne gekauft werden.
Es ist natürlich nicht möglich, in dem Rahmen eines kurzen Artikels mehr als nur einige hervorragende Beispiele über die Verwendung der Abfallstoffe anzuführen; das mitgeteilte wird aber hinreichen, um zu zeigen, wie durch die Fortschritte in der Chemie und Industrie in neuerer Zeit Stoffe eine nüzliche Verwendung finden, welche früher als wertlos unbeachtet blieben und weggeworfen wurden.
( Fundgrube.)
Erziehungswesen in Indien . Vor kurzem wurden in einer durch Rev. J. Johnston in der Statistischen Gesellschaft gehaltenen Vorlesung folgende Mitteilungen gemacht: In Indien bestehen jezt 16 649 Anstalten mit 769 074 Schülern unter direkter Verwaltung der Regierung, 50 207 Anstalten mit 1 111 843 Schülern, welche zumteil unterſtüzt werden, und 15 705 Anstalten mit 314 697 Schülern unter Aufsicht, jedoch ohne