Den Bischof bewillkommneten im Grenzstädtchen Ratschoesek bei der bekannten Saline Tschechotschinek, einem polnischen Weltbade, der Abgesandte Thorns und erfuhr, daß man einen „ reelleren Willkomm" von der Stadt erwarte als höfliche Reden! Den Fürsten begrüßte der Bürgermeister Rösner selbst auf lateinisch, der große Herr antwortete auf polnisch, er verstehe fein Latein mehr, sei längst aus der Schule, Soldat, und zu Ehren Gottes gekommen.... Er scheine ein großer Eiferer, sagte Rösner nachher in der Ratssizung sehr naiv, ahnte nicht, daß er von selbigem Eiferer zum Blutopfer bestimmt
war....
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Plözlich schickte dieser Fürst Lubomirski den polnischen Major Dargelles( französischen Namens) auf das Rathaus und ließ die Stadtschlüssel fordern. Der Rat protestirte, das habe nicht einmal der König von der Freistadt verlangt. Vergebens
Dragonerregimenter und Krongarden rückten in die Stadt von allen Seiten, und zahlreiches Militär belegte die Käm mereigüter. Feldmarschall Flemming, aus Voltaire bekannt, war jeder Beschwerde unzugänglich. Die deutschen Landsknechte farakterisirt Schlosser in seiner Schilderung des nordischen Krieges, wie sie ehrlos troz ihres Adels und Offizier- Point- d'honneurs Menschenraub trieben, sobald der König befahl. Aber König August der Starke war Rösners Gastfreund und Schuldner? Umso besser; mit Rösners Tod war er seiner Schulden los. Der Mann, der beim Regierungsantritt und Religionsübertritt seine Eltern und Ahnen zur Hölle verflucht, fühlte keine Gewissensbisse um einen deutschen Bürgermeister!
Günstigste Gelegenheit, die herrlichen deutschen Kirchen zu rauben. Ganz Polen befizt nicht einen Dom, wie die Thorner Marienkirche; es war die dritte, die man stahl und dem polnischen Gottesdienst dienstbar machte; wie Spazen den fleißigen Schwalben die Nester rauben und höhnisch Triumph zwitschern
so befizen bis heute die Polen unter dem Schirm deutscher Langmut die drei schönsten alten gotischen Dome der einst großmächtigen Weichselkönigin, wie anfangs die freie Stadt von den schmeichelnden Jagellonen urkundlich genannt wurde.
Der Eröffnung im Rathause wohnten Bürgermeister Rösner und Burggraf Thomas bei, entfernten sich aber bald. Die beiden lleingeistigen Todfeinde versöhnten sich in der Angst. Außer den Jesuiten tam der Franziskaner - Provinzial und for derte für seinen Orden die Hallenkirche zu St. Marien, die Dominikaner wenigstens Geldentschädigung, da ein Frater miß handelt sei. Die Jesuitenpatres instruirten vor dem Sizungslokal die Zeugen, fortwährend auf und ab patrouillirend, um feinen zu versäumen. Die Entlastungszeugen wurden alle verworfen. Der Jesuiten Vorschlag, die beiden Ratsspizen Rösner und Thomas, den Stadtsekretär Wedemeyer und mehrere andere Bürger zur Tortur. nach Warschau zu schicken, war selbst der Kommission zu stark und fiel. Aber zwei Prediger, Geret und Oloff, nahm man ins Verhör, die Bürgerschaft erschrak und merkte jezt erst, wohin man zielte." Lieber die deutsche Freistadt ruinirt, als impolonisirt", hieß es bei den Schlachtschizen.
Nach vollendeter Arbeit verlangte jeder Kommissar 100 Gulden, der Rat lehnte die Zahlung ab, da sie schon einen Monat geschwelgt. Zur Strafe befahl die Kommission, das Militär auf unbestimmte Zeit im Quartier zu lassen. Ganz wie die Strafbaiern in Hessen und die Dragonaden in Frank reich. Der Prozeß tostete bis zum 16. Oftober schon 28,514 Gulden 26 Pf. Im Gefängnis saßen einige hundert Evan gelische. Der Hauptpater Marczewski besuchte sie und drohte fürchterlich, falls sie nicht katolisch würden. Die Aften nahm die Kommission nach Warschau , der Reichstag war aufgelöst, das Assessorialgericht übernahm die Sache. Am 24. Oftober reiste Ratsherr Giering freiwillig auf Andringen der dritten Ordnung( des Handwerkertums) mit zwei Gliedern der anderen zwei Ordnungen zum König; alle anderen hatten Furcht gehabt, nach Warschau in die Löwenhöhle zu gehen. Und Warschau ist selbst urdeutsche Gründung, war früher nebst Krakau im engsten Verkehr mit Thorn, das durch Ordensschuz viel reicher als beide aufblühte; aber die jezt ganz arm ge
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wordene Stadt besaß nicht mehr den polnischen Hebel: Geld, um in Warschau , das die Wasa zur Residenz gemacht, für sich wirken zu fönnen. Die angebotenen 200 Gulden hatte Feldmarschall Flemming zurückgewiesen; 2000 hätte er genommen.
Am 16. November ward das Urteil publizirt: auf den Eid der Jesuiten hin sei Rösner des Todes schuldig und mit neun anderen zur Enthauptung verdammt; seine Güter verfallen; vier weiteren Bürgern sollte die rechte Hand abgehackt werden, worauf sie auch zu köpfen seien. Andere Ratsherren und Bürger wurden mit Geld und Gefängnis bestraft; auch dreißig Handlungsdiener und Gymnasiasten erhielten je ein Jahr Haft. Die Stadt sollte den Schaden ersezen und vorläufig ihre Güter den. Jesuiten in Pfand geben. Zur Buße mußten sie noch die sogenannte Schandsäule sezen eine Marmorsäule zu Ehren der Jungfrau, die der große Minister v. Schön 1816 wegbringen und als Pfeiler im Hochmeisterschloß von Marienburg verbauen ließ.
Die Hauptbestimmungen des Urteils vernichteten Thorns politische und kirchliche Freiheit; zum erstenmal seit Gründung der Stadt sollten Polen in die Bürgerschaft und sogar in den Schoß der Behörden Zugang finden. Das war eine flagrante Verlezung der städtischen Verfassung, die August II. feierlich garantirt hatte. Diesem Sardanapal aber lag viel an Ehre, Eidschwur, Nationalität und derlei Schrullen. Er bestätigte alles. Rasch ging die Entwickelung vor sich; am 17. Juli war der Tumult; am 16. September der Einzug der Kommission; am 16. Oftober ihr Schluß; am 16. November das Urteil; am 16. Dezember sollte die Exekution sein. Das war dem Fürsten Lubomirsti noch nicht rasch genug. Am 5. Dezember erschien er bereits auf dem Rathaus und lud alle zu Exekuti renden vor. Das Defret verlas man lateinisch- jezt konnte er Latein! Es galt jezt noch der Meineid der Jesuiten , aber die zagten davor nicht; sie stellten sechs Schlachtschizen, die beim Tumult gar nicht in Thorn gewesen waren was fams darauf Die adeligen Polen schwuren wie ihre Beichtväter wollten, und nun erst war Thorn verurteilt. Abends um 9 Uhr erschien Rösner im einfachen Rock und hörte sein Todesurtei Sein Genosse entfam durch Verkettung mand standhaft an. Umstände nach Danzig . Rösner sollte sich durch Uebertr retten. Er lehnte falt und still eine solche Zumutung ab.
an.
Wenn irgend ein Vorwurf den Ehrenmann als Präsidenten trifft, seine Haltung nach dem Prozeß hebt ihn hoch über allen Tadel und versöhnt jeden mit dem vorher etwas fleinbürger lichen Benehmen und Gebahren des Vorstehers einer exponitten deutschen Kleinrepublik. Sonach feiert die Stadt sein Andenken als Märtyrer der Gedanken- und Bürgerfreiheit, als Blutzeugen des Glaubens, wie man das nennt, als Vertreter- muß jeder es nennen der Standhaftigkeit und Ueberzeugungstreue, mit vollstem Recht. Ein Komité ist eingesezt, um ihm am Luther tage ein Denkmal zu stiften. Denn er gleicht Luthern im kleinen, wie ein Kind dem tatenumgebenen greisen Ahn. Die Bürgerschaft chrt sich selbst durch diese ehrende Anerkennung eines Bürgers, der lieber sich föpfen als zur Unwahrheit bewegen ließ...
Am 23. Januar 1722 hatte der Rat mehrere adlige Polen , die Straßenraubes, Einbruchs und Mordes überführt waren, öffentlich köpfen lassen. Jezt vergalt der polnische Adel dies Attentat auf seine Immunität( gefezliche Straflosigkeit) durch Enthauptung der Ratsherren zwei Jahre später!
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Am 7. Dezember 1724, cinem Donnerstage, bestieg der greise Rösner das Schaffot, welches auf dem altstädtischen Markte neben dem zerschossenen und ausgebrannten Rathaus stand, umgeben von dichtem Militärfordon. Von elf Genossen entkam der eine, wie oben gesagt, durch immense Geldopfer, der andere durch Abschwörung seines Glaubens, die übrigen neun verweigerten Uebertritt und Gnadengesuch; ihre Häupter fielen der Reihe nach. Ein Augenzeuge schildert mehrere Roheiten des polnischen Henkers, die wiederzugeben efelt.
Am folgenden Freitag nahm man die evangelische Marienfirche mit Gewalt, wie sechzig Jahre vorher die durch ihre