Bienen, Wespen und Hummeln schwirren hurtig von Blume zu Blume. Die Blumen öffnen wie schmachtend ihre Kelche und entsenden ihre süßesten Düfte, lassen ihre schönsten Farben schim mern. Ein warmer, wohliger Hauch geht durch diese ganze bunte Erscheinungswelt, und selbst wenn wir heute noch am Anfange der langen Reihe von Forschungen und Erscheinungen ständen, die wir bereits hinter uns haben, so müßten wir ahnen, daß sich hier ein reiches und weitverzweigtes organisches Leben abspielt. Die Naturforschung ist heute in der glücklichen Lage, dieses reiche und interessante Leben zu kennen; sie hat Klarheit geschaffen im allgemeinen, wenn auch noch manches einzelne unerklärt sein mag. Die Natur hat selbst ihr Inneres er­schlossen, und wer lesen kann, der lese, was dort in großen und flaren Zügen geschrieben steht. Die tiefeingedrungene Natur­forschung von heute kann sich jene schönen Worte zu eigen machen, in denen Eichendorff seine Erkenntnis vom Wesen und Wirken der Natur im grünen Wald und blumigen Feld ausdrückt: " Ich fand darin geschrieben So manch ein schönes Wort Von rechtem Tun und Lieben Und was des Menschen Hort; Ich habe treu gelesen

Die Worte schlicht und wahr Und durch mein ganzes Wesen Wards unaussprechlich klar!"

Was der Dichter nicht aussprechen kann, die Wissenschaft spricht es aus.

Wenn heute gefragt wird, wie denn der prächtige Blumen­flor in Wald und Feld entstanden und wie er zu solcher Mannichfaltigkeit und zu solchem Farbenreichtum gekommen sei, so brauchen wir heute nicht fleinlaut zu sagen, daß wir etwa vor einem unerforschlichen Rätsel stünden, oder die Ausflucht in Anspruch zu nehmen, daß jene Naturherrlichkeiten durch Schöpfung seitens einer übernatürlichen Gewalt hergestellt worden seien. Wir haben in neuester Zeit einen Ueberblick gewonnen, wie sich der ganze Blumenflor entwickelt hat und was dabei behilflich gewesen ist.

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In der Vorzeit war die Flora, die Pflanzenwelt, zuerst durch jene auf der niedrigsten Stufe stehenden Organismen, die Algen vertreten, aus denen sich dann höhere Pflanzen­gattungen entwickelten; zunächst die Moose, aus diesen wieder Farrenkräuter u. s. f., bis die Entwicklung endlich bei den höchsten Pflanzengattungen anlangte, wie wir sie heute sehen und wie sie sich immer noch weiter vervollkommnen. Es ist der Naturwissenschaft gelungen, diese lange Reihe der Entwicklung aufzufinden. Diese Erforschung wurde zunächst dadurch unge­mein gefördert, daß Linné, der berühmte Botaniker, die unge­heure Menge der Pflanzen übersichtlich ordnete und einteilte. In unserem Jahrhundert kam Darwin , der in seinen lang jährigen Beobachtungen die Geseze von der Veränderung der Arten, von der natürlichen Zuchtwahl, von der Vererbung und Anpassung fand und dadurch auf die bisher immer noch dunkel gebliebene Entwicklung der Pflanzenwelt ein hellstrahlendes Licht fallen ließ.

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Nachdem sich die Pflanzen zu höheren Formen herauf ent­wickelt hatten diesen Vorgang darzustellen ist hier nicht unsere Aufgabe entstanden auch die Pflanzen mit Blüten; anfangs sehr einfach, später ausgebildeter und mannichfaltiger. Es ent­standen also jene pflanzlichen Organismen, die man heute unter Blumen versteht.

Die Blume kann sich fortpflanzen durch Selbstbefruch tung oder durch Kreuzung mit anderen Blumen. Die Fort­pflanzungsorgane haben sich im Lauf der Entwicklung sehr ver­schieden gestaltet; es gibt Blumen, bei denen Selbstbefruchtung und Kreuzung zugleich stattfinden kann; bei anderen findet nur eine Art der Fortpflanzung statt.

Die Geschlechts- resp. Fortpflanzungsorgane der Blumen erscheinen unter mannichfachen Formen; im Ganzen aber geht die Befruchtung nach den gleichen Grundsäzen vor sich. Inner halb der Blumenkrone befinden sich nämlich die Staubfäden, welche innerhalb der Staubbeutel den Blumenstaub tragen, die

sogenannten Pollen oder Pollenkörner. Auf dem Grunde der Blumenkelche befindet sich der sogenannte Stempel, welcher den Fruchtknoten, den Behälter der Samenknospe, in sich schließt. Am oberen Teil des Stempels befinden sich kleine Wärzchen, Narben oder Narbenpapillen genannt, die mit einer klebrigen Feuchtigkeit bedeckt sind. Wenn sich zwischen Fruchtknoten und Narbe noch ein Verbindungsstück befindet, nennt man dieses den Griffel. Außerdem finden sich im Kelch noch häufig Honig­drüsen( Nektarien), die verschieden angebracht sind. Bei der Befruchtung fallen die Pollen oder Blumenstaubkörner aus dem Staubbeutel auf die Narbe und werden dort von der klebrigen Feuchtigkeit festgehalten. Das Pollenkorn bildet dann einen Fortsaz in Form eines Schlauches, den sogenannten Pollen­schlauch; dieser Schlauch drängt sich zwischen den Wärzchen oder Narbenpapillen hindurch in den Behälter der Samenknospe hinein und kommt mit dem eigentlichen Ei, welches dort ver­hüllt liegt, in Berührung. Durch den Schlauch dringt nun der befruchtende Juhalt des Pollenkorns ein und erreicht das Ei, resp. die Eizelle, welche so befruchtet wird, wächst und zum Samenkorn sich ausbildet.

Bei dieser so feinorganisirten und wunderbaren Befruch tungsform sind aber auch noch andere Einflüsse tätig. Das Bollenkorn fällt nicht von selbst auf die Narbe, um weiter vor­dringend das Ei zu befruchten, sondern es muß eine treibende Ursache dazu vorhanden sein. Zunächst besorgte der Wind das Abfallen der Pollenkörner. Er schüttelte die Staubfäden tüchtig, so daß die Pollenförner aus den Staubbeuteln fielen. Er trieb aber mit den Pollenkörnern eine große Verschwendung und streute die weitaus größere Masse umher, daß sie nuzlos ver­darb. Inzwischen hatte sich auch die Insektenwelt entwickelt und von den Insekten fanden sehr viele Geschmack an den Pollenförnern. Sie flogen von einer Blüte zur andern und suchten die beliebte Nahrung auf; dabei verschleppten sie den Bollenstaub ohne ihren Willen, streiften ihn auf anderen Pflanzen ab, wo er mit den weiblichen Organen befruchtend in Berührung fam, und stellten so als unfreiwillige Vermittler die Kreuzung her. Damit hatten diese Insekten für die Fortpflanzung und Entwicklung der Blumenwelt eine ungemein wichtige Rolle über­nommen, die durch Anpassung und Vererbung nunmehr für verschiedene Pflanzenarten unentbehrlich geworden war.

Der Vollständigkeit wegen sei auch bemerkt, daß bei ein­zelnen Pflanzen, die im Wasser gedeihen, auch das Wasser die Ueberführung der Pollenkörner übernimmt; bei anderen Blumen verschleppen die Schnecken, die über sie hinwegkriechen, den befruchtenden Staub; auch einzelne Vögel, die sich vom Blumen­honig nähren, besorgen die Beförderung der Pollenkörner, na­Das meiste aber leisten in mentlich der zierliche Kolibri. diesem Punkte die Insekten, und unter diesen wieder leistet die fleißige und intelligente Biene mehr als alle anderen Insekten­familien zusammengenommen. Die Insektenblütler, wie die Wissenschaft die Blumen nennt, deren Fortpflanzung durch In­selten vermittelt wird, sind die entwickeltsten Blumen; sie haben fast alle Honig und zeichnen sich aus durch ihre Farben oder ihren Duft. Alle unsere einheimischen Blumen sind Insekten­blätter.

Die Kreuzung, welche die Insekten unter den Blumen ver mittelten, war für die Fortentwickelung der Blumenwelt von unermeßlicher Bedeutung. Darwin ist zuerst auf diese hohe Bedeutung der Kreuzbefruchtung aufmerksam geworden; er hat zahlreiche Versuche angestellt und ist zu dem Resultat gekommen, daß durch lange und andauernde Inzucht, also die engste Form der Fortpflanzung, die bei der Pflanze die Selbstbefruchtung ist, die Art verschlechtert wird, während die Kreuzbefruchtung eine weit kräftigere und entwickelungsfähigere Nachkommenschaft liefert. Ein Gesez, das in der ganzen lebenden Natur in Krast besteht. Bei den hochentwickelten Blumen bildet darum die Kreuzbefruchtung oder Fremdbestäubung die Regel, die Selbst­befruchtung die Ausnahme.

Untersuchen wir nun, welche Insekten es sind, die die Vermittelung der Kreuzbefruchtung übernommen haben, so finden