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Jahren dichterisch hervorgebracht worden, in Uebersezungen lesen, die uns außer dem Geist und Gehalt auch die sprachliche und metrische Form bis in die feinsten Wendungen hinein empfind­bar machen. Aus dieser Eigenschaft unserer Sprache in den Leistungen der deutschen Uebersezungskunst erwächst den Bildungs­lustigen unseres Volkes eine Gelegenheit, ihren Gesichtskreis und ihre Empfindungsweise über die nationalen Schranken hinaus zu erweitern, die nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Die französische Sprache ist Weltsprache geworden, indem sie sich als Verkehrsmittel allen Völfern aufzudrängen oder bei ihnen einzuschmeicheln wußte: die deutsche   ist es, sofern sie die edelsten Erzeugnisse aller andern Sprachen sich und ihrem Volke zu assimiliren weiß.

Einen neuen kostbaren Zuwachs an poetischen Schäzen frem der Völker hat die deutsche   Literatur vor wenigen Jahren er halten durch die vom Meister Friedrich Bodenstedt   in unsere Muttersprache übertragenen Lieder und Sprüche des Omar Chajjam  ."

Unter jedem Himmelsstriche werden Dichter geboren, sagt Lessing  . Zu den Ländern aber, in welcher die Poesie ihre herrlichsten Blüten trieb, zählt unstreitig Persien.

Das altiranische Reich erlag der makedonischen Invasion unter Alexander dem Großen( 331 vor Christi) und das neupersische Reich der Sassaniden, unter welchem der von Zoroaster oder Zarathustra( das heißt: Goldstern*) begründete Drmuzdglaube zu neuem Glanze gediehen war, wurde( 634 nach Christi) durch den Ansturm der Moslemin weggefegt. Mit dem Mächtigwerden des Mohamedanismus in Persien begann jedoch ein neues geistiges Aufstreben. Es ist, als hätte der persische Genius cines gewaltsamen Anstoßes von außen bedurft, um seine Kräfte zu entfalten, als hätte erst die jungfräuliche Frische, Beweglichkeit und stählerne Schnellfraft des Arabertums mit ihm in Berührung kommen müssen, bevor er tönend und gestaltend ins Leben treten konnte. Indessen hatte er schon einige Zeit vor der Herrschaft des Islam seine Schwingen erprobt, nämlich unter der Dynastie der Sassaniden. Auf einen derselben, den berühmten, nachmals im ganzen Orient als Ideal eines Ritters, Jägers und Liebhabers gefeierten Behramgur, weisen die Perser zurück, wenn sie von den An­fängen ihrer poetischen Literatur sprechen, und sie bezeichnen ihn ausdrücklich als Erfinder der Verskunst und besonders des Reims  , der aus Persien   stammen soll.( Die Poesie der Griechen, Römer und Hebräer kannte bekanntlich den Reim nicht, und in den ältesten Produkten der deutschen Poesie finden wir nur die Alliteration den sogn. Stabreim- nicht den cigentlichen Reim.) Anlaß hiezu soll seine geliebte Sklavin Dilaram gewesen sein, welche die schwungvolle Anrede ihres Herrn und Geliebten, von inniger Sympatie geleitet, mit gleich­gemessenen und am Ausgang gleichtönenden Worten erwidert habe; was unser Rückert in folgenden hübschen Versen besingt: Auf dem Sassanidentron

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Saß der große Schah Behram. Seines Trones Edelstein

War die Sklavin Dilaram. Wann mit Lust er sprach zu ihr, Hörte sie ihn ohne Gram. Nachzutönen drängt' es sie

Jedes Wort, das sie vernahm.

Wie sein Wort gemessen war, Maß sie ihres ebenjam; Und wie er die Rede schloß, Schloß sie ihre wundersam.

Dilaram! so schloß er stets,

Und stets schloß sie: Schah Behram. Und so war der Reim entblüht,

Wie der Held zur Huldin kam.

*) Die Wurzel str bedeutet in den indogermanischen Sprachen strahlen, daher Stern, griechisch aster( franz. l'aster). Auch der Name Esther, wie Hadassah, die Gemahlin des Ahasverus, in Persien   genannt wurde, bedeutet Stern. Die gleiche Wurzel findet sich in Saturn und in Ostra, der altgermanischen Frühlingsgöttin, wovon Ostern.

Darum, Perser, achten wir

Nicht den Reim für leeren Kram. Lied, das ohne Reime fliegt,

Ist an beiden Schwingen lahm.*)

Die Glanzperiode der persischen Poesie fällt in den Zeit­raum von 900 bis 1500 und zwar wurden bis vor kurzer 3eit von den zahlreichen Dichtern dieser Epoche sieben, als die hervorragendsten, als glänzendes Siebengestirn gefeiert. Es sind: Firdusi  , Enweri, Nisami  , Dschelal- eddin Rumi  , Saadi, Hafis  , Dschami  .

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In den Noten zu seinem westöstlichen Divan bemerkt Goethe:" Man hat aus der sehr schicklich geregelten Folge der sieben ersten römischen Könige schließen wollen, daß diese Ge­schichte flüglich und absichtlich erfunden sei, welches wir dahin­gestellt sein lassen, dagegen aber bemerken wir, daß die sieben Dichter, welche für die ersten gehalten werden, und nach und nach erschienen, wirklich ein etisch- poetisches Verhältnis gegen einander haben, welches uns erdichtet scheinen könnte, wenn nicht ihre hinterlassenen Werke von ihrem wirklichen Dasein das Zeugnis gäben." Seiner pragmatischen Deutung dieser Sieben­zahl fügt nun Goethe bedächtig hinzu, daß er derselben keinen absoluten Wert beilege, es sei nur, meint er, um mit Duin­tilian unserem alten Meister zu reden, von Freunden aufge= nommen, in der Art, wie man runde Zahlen erlaubt, nicht um genauer Bestimmung willen, sondern um etwas allgemeines bequemlichkeitshalber annähernd auszusprechen." Diese Ein­schränkung bewahrt die Goethe'sche Deutung der runden Zahl der sieben großen Dichter Persiens vor der Lächerlichkeit, welchem seiner Zeit die Ausführungen des Philosophen Hegel   über die Planetoiden verfiel. Zu einer Zeit, da man erst vier( zwischen Mars und Jupiter kreisende) Planetoiden: Ceres, Pallas, Juno, Besta, kannte, hatte die Hegel'sche Philosophie, die in ihrem spe­fulativen Dünkel auch in der Naturwissenschaft das große Wort zu führen sich vermaß, auf spekulativem Wege nachgewiesen, daß und weshalb es vier Planetoiden, nicht mehr und nicht weniger, geben fönne und war natürlich gründlich blamirt, als die Astronomen immer mehr Planetoiden entdeckten, so daß gegen­wärtig gegen 150 gezählt werden.

Omar Chajjam   steht den genannten sieben Großdichtern Persiens ebenbürtig zur Seite, sein nächster Geistesverwandter aber ist Hafis  , der von Weltfreude und Genußseligkeit trunkene, freiheitbegeisterte Pantheist und geschworene Feind aller Pfaffen, Mönche, Mystiker und Schulpedanten, mit dem wir den Leser in Heft 3 des 8. Jahrgangs der Neuen Welt" bekannt ge= macht haben. Denn wie dieser sprudelt er seine Genußfreudig­keit in dithyrambischen Sprüchen auf Wein, Liebe, Gesang und Natur aus, verdammt, geißelt und verspottet er mit Geist, Anmut und Grazie die fromme Nüchternheit, wie die ortodore Dogmatit und predigt das Evangelium der Freude und der Vernunft, durchdringt er mit hellem Blick die Nebel des Glau­bens und lebt, ein liebenswürdiger Freigeist, als Bürger kommender Jahrhunderte.

Von Hafis  , dem Omar um einige Jahrhunderte voranging, so daß jener ohne Zweifel von diesem inspirirt war, unter­

*) Diese Dilaram ist wohl auch dieselbe, an deren Namen sich das älteste Schachproblem knüpft, das Dilaram Matt genannt wird. Der Schah von Persien und ein auswärtiger Fürst sollen nämlich ein­mal auf dem Schachbrett sich heftig bekämpft haben und der erstere verlor nach einander seine sämmtlichen Besiztümer. Zulezt jezte er auch noch seine geliebte Dilaram. Schon fündigte der Gegner ein unabwendbares Matt an, als Dilaram selbst, welche hinter einem Vor­hang versteckt alle Züge verfolgt hatte, triumphirend hervorstürzte und den Gegner( Schwarz) in fünf Zügen matt sezte. Wir wollen das hübsche Problem den Freunden des Schachspiels mitteilen.

Stellung: A 2. sch. T; 3. w. B; 4. w.. 6. sch. B. B 8. sch. T. C 2. sch. S; 4. sch. 2; 7. sch. B. D 3. sch. B; 6. sch. B. F 5. w. B; 6. w. B. G 6. w. B: 8. sch.. H 1. i. T; 2. w. S; 4. w. T. Lösung:

1. Z. h 4 2. S. h 2 3. T. h 1 4. B. g 6 5. S. g 4

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h8+ g 4+

h8+ g 7+ h 6

1. K. n. T. 2. K. g 8. 3. K. n. T. 4. R.

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g 8.