Der Lenz hat mir durch seine Rosen geboten, Etwas zu verüben, was im Koran   verboten: Ich soll Menschenrosen mit duftigen Locken Durch Wein zu den Rosen im Garten locken. Wenn das Veilchen frisch aus dem Boden sprießt Und der Westwind die ersten Rosen erschließt, Trinkt, wer flug ist, unter grünem Gezweige Mit einer Schönen das Glas bis zur Neige. Dreierlei macht meines Lebens Wonne: Wein, schöne Mädchen und Morgensonne. Wein und Lautenklang hier in Garten und Wiese, Gilt mir mehr als Huris im Paradiese. Trink rosigen Wein, wenn die Knospen springen Und laß Flöten und Harfen beim Becher erklingen. Trink Wein mit schlanken, herzraubenden Wesen,

Um vom Biß der Schlange des Grams zu genesen. Unerschöpflich ist des Dichters Harfe besonders im Lob des Weins, der ihm über alles geht:

Ein Glas Wein wiegt hundert Herzen auf, Mit hundert Religionen im Kauf,

Nicht um das Kaiserreich China gebe

Jch preis die herbe Tochter der Rebe. Was kann von den Schäzen auf Erden Mit ihr verglichen werden?

Was uns das trübe Leben gewährt,

Hat Wert nur, wenn durch sie verklärt.

Selbst im Tod noch will er den Wein nicht missen: Wenn ich tot bin, so wascht mit Wein meine Glieder, Und am Grab, statt Gebete, singt lustige Lieder; Und forscht ihr nach mir am jüngsten Tage,

Ihr findet im Staub vor der Schenke mich wieder.

Aehnlich Hafis  :

Kehr ich einmal aus der Erde

Modrigem Schlunde wieder, Eilig, eilig in die Schenke

Wander' ich zur Stunde wieder.

Ueber das Weinverbot des Korans macht er sich mehr als einmal lustig.

Gott   hat uns Wein verheißen im Paradiese; Taugt Wein für jene Welt, warum nicht für diese?

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Ein trunkner Araber schlug Hamsa's*) Kameel ein Bein ab, Zur Sühne dafür hält der Prophet uns vom Wein ab. In der Tat ist lezteres ebenso absurd, als daß die Juden noch heutzutage den Genuß des Hinterviertels von Viersüßlern sich versagen, weil der Erzvater Jakob beim Ringkampf mit Gott, bez. einem himmlischen Wesen, sich die Hüfte verstaucht hat. Sehr hübsch ist folgendes Frage- und Antwortspiel: Berehrungsvoll grüßt von mir den Propheten:

Bu offenbaren mir sei er gebeten,

Warum uns saure Milch mit Salz und Eis erlaubt Und reiner Wein verboten überhaupt?

Bringt meinen Gruß Chajjam   und redet so: Unwissender, wann sagt ich dir und wo,

Der Wein sei nicht erlaubt? Nur dummen Tröpfen Gilt mein Verbot, nicht aber klugen Köpfen.

Ein anderer hat einmal behauptet, Muhamed   habe seinen Gläubigen den Wein verboten. Damit er ihnen desto besser schmecken möge, gemäß dem Wort: Nitimur in vetitum( das

Verbotene reizt).

Wer aber den Dichter niedriger Genußsucht zeihen möchte,

würde irren.

Ich trinke nicht Wein, um zu trinken blos, Nicht zu schwelgen sitten- und glaubenlos; Ich trinke um höher mich zu beleben, Mich aus mir und über mich zu erheben.

Aehnlich äußert er sich über die Liebe:

Die gemeine Liebe ist verwerflich ganz,

Ein Glimmern in der Asche ohne Wärme und Glanz, Doch wo die wahre Liebe glüht,

Ergreift sie das ganze Herz und Gemüt,

Läßt keine Ruh bei Tag und Nacht,

Weiß nicht ob Monde, ob Jahre verbracht,

Denkt an Essen und Trinken nicht,

Ihr ganzes Wesen ist Glut und Licht.

*) Ein Verwanter Muhameds.

Vom Glück der Großen und Vornehmen hält der Dichter nicht viel.

Wie viele unserer großen Herrn

Sind gleißende Schalen mit faulem Kern! Sie haben vom Glücke nur den Schein,

Ihr Herz verzehrt sich in Dual und Bein. Doch sind sie so verdreht im Geist,

Daß Mensch bei ihnen der nur heißt, Wer ihre niedern Lüste teilt

Und am wahren Glück vorübereilt.

Die Schiller  'sche Sentenz über das Glück: Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor, es ist in dir, du bringst es ewig hervor" findet sich auch bei unserem Dichter:

Dein Glück kannst du nur von innen ,.

Von außen nicht gewinnen.

Wie Horaz   mit seinem carpe diem!( Pflücke die Frucht des Augenblicks!) empfiehlt auch unser Dichter, das Gute, was die Stunde beut, frischweg zu genießen:

Eine Nachtigall, die trunken zum Garten flog, Wo ein Rosenkelch über den andern sich bog, Raunte ins Ohr mir: Erfasse das Glück

Des Lebens im Fluge, es kommt nicht zurück.

Töricht aber ist es, durch Bekümmernis um die Vergangen­

heit oder durch Sorge um die Zukunft sich die Gegenwart zu trüben:

Vergiß die Tage, die verloren sind,

Fürchte die nicht, die noch nicht geboren sind.

Schnell, wie der Wüstenwind entflieht mein Leben,

Allein so lang mir Odem noch gegeben,

Mach ich mir um zwei Tage keinen Gram:

Den Tag, der schon verging und den, der noch nicht kam. Aber bei all seinem Frohmut und seiner leichtblütigen Auf­fassung des Lebens wird der Dichter zuweilen von trüben Re­flexionen beschlichen, z. B.:

Gesezt, du hättest glücklich gelebt hienieden: was dann? Und es wäre dir ein seliges Ende beschieden: was dann? Gesezt, du hättest hundert Jahre glücklich gelebt

Und könntest noch hundert Jahr leben zufrieden: was dann?

Ja es entfährt ihm sogar einmal jenes pessimistische Urteil ( dem wir auch in der Literatur der alten Hebräer und selbst bei Sophokles   begegnen), daß das Nichtsein der glücklichste Zustand, sei, das aber in der Regel einer momentanen trübseligen Stim­mung entspringt:

Der Himmel scheint nichts zu tun als uns zu quälen und grämen, Er beut seine schönsten Gaben blos, um sie wieder zu nehmen. Die noch nicht Geborenen kennen des Lebens Dual und Gefahr nicht, Wenn sie das Dasein fennten, sie fämen ins Dasein gar nicht.

Mit diesen Proben glauben wir eine deutliche Vorstellung von der Muse Omar Chajjams gegeben zu haben. Denselben soll sich nun ein kurzer Lebensabriß desselben nach Bodenstedt anschließen.

Omar Chajjam   wurde als Sohn eines Zeltmachers in einem Dorfe bei Nischapur   in der Provinz Chorassan, wahr­scheinlich um die Mitte des elften Jahrhunderts, geboren. Seine Lieblingsstudien, Astronomie und Philosophie, führten ihn schon früh auf die Hochschule nach Nischapur  , welche damals in hoher berühmten und hochangesehenen Lehrers Mowafik, deſſen Unter­Blüte stand. Omar gehörte zu den drei Lieblingsschülern des richt genossen zu haben als die beste Empfehlung zu ehrenvollen Stellungen und Aemtern galt. Der andere dieser drei Bevor­zugten war Hassan Ssabah, der sich nachmals an die Spize der dem persischen Trone feindlich gesinnten Ismailiten   stellte, einer fanatischen Glaubenssekte, die unter seiner Führung bald zu furchtbarer Bedeutung heranwuchs, durch ihre Bluttaten ganz Persien   in Schrecken sezte, auch später in der Geschichte der Kreuzzüge eine verhängnisvolle Rolle spielte und in Europa  unter dem Namen der Assassinen   bekannt wurde. Der dritte war Abdul Kassim, der später die Gunst des mächtigen Alp­Arslan in so hohem Grade zu gewinnen wußte, daß er ihn zum ersten Wesier seines Reichs machte, unter dem Titel Nisam- el- mulk, gleichbedeutend mit Reichskanzler. Die drei Jugendfreunde hatten sich gegenseitig feierlich gelobt, daß der­