höchsten Geistigkeit, von der wir wissen, und wir fühlen uns kräftig genug, vom Kreuze der Leiden herabzusteigen, so stark auch die Banden sind, welche uns daran fesseln.

Verglichen mit der einen Fessel, welche die Menschheit um­fangen hält, der Unwissenheit, sind alle übrigen- Zwirns­fäden, die zu zerstören, sobald jene überwunden ist, nicht mehr erfordert, als einen leichten Ruck, zu dem es keiner An­strengung mehr bedarf.

-

-

Die Unwissenheit zu überwinden, Wissenschaft zu lehren allem Volke, dazu sind ja die Schulen da, wird man sagen, und unser Schulwesen, was hat es schon für riesige Fort schritte gemacht und wie herrlich wird es sich noch entwickeln in unserer großen Gegenwart und noch größeren Zukunst!

-

-

-

Gewiß- wir, d. h. das ganze deutsche Volk mit ein paar tausend unbedeutenden Ausnahmen können schon unsern Namen schreiben und den Steuerzettel lesen, wir sind Meister des Einmaleins und vertraute Freunde der vier Spezies; und haben wir höhere" Schulen besucht und auf ihnen rund ein Jahrzehnt" geochst", ich bitte um Entschuldigung, ich habe bekanntlich diese unter den Jüngern unserer offiziellen Bildung allgemein übliche Bezeichnung nicht erfunden, halte sie aber für ganz außerordentlich zutreffend, haben wir also ein De­zennium auf Gymnasium oder Realschule geochst, so sind wir im klassischen Altertum zuhause, wie der Landjunker im Pferde stall; wir schreiben lateinisch so gut, oder unzweideutiger und präziser ausgedrückt, fast so schlecht, als wir deutsch schreiben; wir erinnern uns ferner zeitlebens mit inniger Selbstzufrieden heit daran, dereinst auch altgriechisch verstanden zu haben; ja wir sind so mordsmäßig gebildet, daß wir Wurzeln ausziehen können so geschickt wie der Barbier Zähne, daß wir mit Pyra­miden wie mit Kegeln, mit Prismen wie mit Kugeln matematisch zu spielen vermögen, wie wir es einstens praktisch vermochten, da wir noch in den Gaben des Weihnachtsmannes unsere höchste Freude fanden. Auch in der Weltgeschichte sind wir vorzüglich beschlagen, wir können alle Schlachten Hannibals und der Scipionen an den Fingern herzählen, wissen, wieviel Geld Julius Cäsar verlüdert hat, um der Cäsar zu werden, als den ihn die Welt bewundert, auch die Regierungszeit der deutschen Kaiser kennen wir und die Schlachten von einem Schock mittel­alterlicher und neuzeitlicher Kriege, so gleichen wir denn, nehmt alles nur in allem, großen Kästen, die bis an den Rand mit allerlei Wissen vollgepfropft sind, und, frei nach Goethe : und, frei nach Goethe : Wir preisen es selber aller Orten, Sind aber doch nicht gescheiter geworden. Schreiben und Lesen kann der Mann wie das Weib aus dem Volke, aber ein wissenschaftliches Buch zu lesen, würde ihm in den weitaus meisten Fällen nicht das mindeste nüzen, denn sie können es nicht verstehen!

-

-

-

-

-

Die lateinischen Klassiker kennt der Gebildete" in- und auswendig, aber wenn er Rechenschaft über den Geist und In halt nuserer modernen Literatur und die Erweiterung und Be­reicherung der Gedankenwelt der Alten durch die Neuen geben soll dann verstummt er sicherlich oder schwazt, wenn er redet, sicherlich dummes, unverstandenes, widersinniges Zeug.

Unwissenheit, Urteilslosigkeit, erschreckende, haarsträubende Unwissenheit hier wie da, bei den Gebildeten wie bei den Ungebildeten, nur etwas verschieden im Aeußern, im Innern gleich groß und gleichwertig.

Völlig übereinstimmend ist die Unwissenheit der Gebil­deten" und Ungebildeten inbezug auf natürliche Dinge, Natur­erscheinungen und Naturvorgänge, selbst inbezug auf unsern eignen Körper, seine Beschaffenheit und seine Bedürfnisse.

Es ist noch nicht allzulange her, daß ich aus dem Diftat des Hauptlehrers einer preußischen Volksschule ersah, wie sich und seinen Schülern der brave Mann die Entstehung des Donners erklärte: als das hörbare Aufeinanderklappen der Gewitterwolfen. Daß es viele Menschen gibt, welche ihren Magen für eine Art Mühlstein halten, der die Nahrung zer­reibt, ist wohl männiglich bekannt, die meisten Menschen wissen aber, daß das der baare Unsinn ist.

18

Verständnislos angestaunt oder für einen Spaßmacher ge­halten wird man aber sicher von der großen Mehrzahl der Gebildeten, wenn man ihnen z. B. erzählt, daß es keineswegs nötig ist, heiß zu kochen,- daß man vielmehr unter Um­ständen, die man herbeizuführen vermag, kalt kochen kann.

Und als Narr oder Aufwiegler wird man von fast allen Gebildeten belächelt oder verhöhnt, wenn man z. B. die Kriege für eine Schmach und das schlimmste Zeugnis des Kultur­fortschritts, und wenn man die Ueberführung wenigstens eines großen Teiles der heute dem Privatkapital unterworfenen Pro­duktionszweige in Gemeinbetrieb nicht nur für möglich, sondern für sehr nüzlich und auf die Dauer unvermeidlich erkärt.

Ueber die Frage, wie der Donner entsteht und welche Vor­bedingungen das Kochen hat, geben auch die kleinsten Lehrbücher der Physik Auskunft; über den Kulturwert der Kriege findet man Urteile wie das angeführte in allen vorurteilsfrei geschrie­benen Werken der Kulturgeschichte; über die Sozialisirung der Produktion kann man die gelehrtesten Professoren der Staats­wissenschaften so reden hören, wie wir hier getan*) weder aus den kleinen Lehrbüchern noch von den großen Pro­fessoren lernen unsere Gebildeten" genug, um die einfachsten und alltäglichsten natürlichen Vorgänge oder die großen Er­scheinungen und Verhältnisse im politischen und sozialen Leben begreifen und auch nur annähernd richtig beurteilen zu können.

"

-

aber

Unsere Ungebildeten lernen eben manches und un­sere Gebildeten viel, sehr viel von dem, was sie im Leben nicht brauchen, und von dem, was ihnen im Leben täglich und stündlich vor Augen tritt, lernen Ungebil­dete und Gebildete wenig, sehr wenig, fast gar nichts. Da müssen also unsere Schulen besser werden- wird man mir nun antworten.

-

Gewiß da stimme ich mit Freuden ein, aber ich schlage vor, wir warten nicht darauf!

Den Jugendunterricht regelt der Staat, und daß dieser, d. h. die im Staat herrschenden Gewalten, Lust bezeigen sollte, bald eine durchgreifende, radikale Reform des Unterrichts zu vollziehen, ist keineswegs sonderlich wahrscheinlich.

*) Hier ein paar Beweise, die mir grade zur Hand find. Schäffle, der frühere österreichische Minister, schreibt in seinem Bau und Leben des sozialen Körpers" Band III., S. 546: Ebendeshalb sollte man auch gegenüber dem modernen ökonomischen Trieb eines althistorischen Dranges nach Sozialisirung mehr Unbefangenheit und Ruhe sich an­eignen und nicht schon die Stellung des Problems zur Diskussion ver unglimpfen! Man sollte angesichts der bisherigen Geschichte einige Ruhe darüber gewinnen, daß die mögliche teilweise Sozialisirung der Produktion und des Güterumlaufes nicht über Nacht hereinbrechen fann, wenn man sie auf den Weg der Reform zu bringen versteht. Ist es da ein ,, verbrecherisches", ein phantastisches" Unterfangen, wenn die langsam fortschreitende Sozialisirung anderer Zweige des Sozial­Wohl und Wehe der arbeitenden Klassen, zur Bekämpfung arger Miß­stoffwechsels auch aus sozialökonomischem Interesse, mit Rücksicht auf bräuche und weit verbreiteter Demoralisirung, zur Verhütung ewiger Krisen und zur Eindämmung weitgreifender Massenarmut, in Frage gebracht wird!" Und über den Krieg Bb. IV., S. 351: Die Sophisten des Militarismus und des Nationaldünkels haben zu jeder Zeit den Krieg als einen sittlichen Zuchtmeister gepriesen. Für inner­lich schon verlotterte Bölker, denen ihr Tyrann äußere Motion machen muß, mag diese Behauptung, wie schon Aristoteles andeutet, eine trau rige Wahrheit sein. Da heißt es Gift gegen Gift! Revolution im Völkerleben' gegen innere Revolution! Dennoch kann niemand ver kennen, daß der Krieg der höheren Kultur tausendfach schadet. Er ist dem humanen idealen Streben feindlich und bringt einen bengelhaft brutalen Nationalegoismus, der sich als Mordpatriotismus" breit zieht sie für innere Knechtschaft. Er hätschelt einen blutdürftigen Na­macht, zur Herrschaft. Er schwächt den Freiheitssinn der Böller, er­tionalstolz voll von furchtbaren Gefahren, erschüttert die Achtung des Rechtes und des Eigentums, erwedt die Raubtiertriebe im zivilisirten Menschen wieder, zerrüttet den Nationalwohlstand; durch das Schulden­wesen in seinem Gefolge leistet er der Geldoligarchie Borschub und wird Unsittlichkeit. Er beugt nicht einmal den Chauvinismus des besiegten Buchtschule von zahllosen anderen Aeußerungen privater und öffentlicher Volkes, sondern macht den Rachedurst zum einzigen Hebel, um der Zer­rüttung, der es nur dem Sieger zum Nuzen verfällt, Einhalt zu tun. in jedem wird die Gesammtegistenz mehr oder weniger dem Spiel des Bis zur Erschöpfung aller Völker erzeugt ein Krieg den anderen, und Zufalls preisgegeben."