Unsere Illustrationen.
Der Schlaf des Gerechten.( Illustr. S. 5.) Die Idee ist nicht ganz neu, aber der Künstler hat sie vortrefflich ausgeführt. Es ist die Geschichte von den Mäusen, die tanzen, wenn die Kaze fort ist. Die dicke Trine nämlich, die bei dem Herrn Rentier Müller als Köchin beschäftigt ist, hat ihre kleinen Leidenschaften, und wenn sie auch schon in etwas reiferen Jahren" sich befindet, so ist sie doch der Männerwelt von Herzen zugetan, namentlich der, welche zweierlei Tuch trägt. Herr Müller ist zwar täglich entzückt von der Kochkunst seiner Trine, allein da das Couponabschneiden seine einzige Beschäftigung bildet, so bekommt er früh Anfälle von Gicht und muß ins Bad reisen. Er nimmt Frau und Schwägerin mit; Trine muß ganz allein das Haus hüten. Ganz allein? Nun, doch nicht so ganz. Trine ist eine feurige Natur und
,, Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß,
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Als heimliche Liebe, von der niemand was weiß." Alsbald schafft sie sich ein en Liebhaber mit zweierlei Tuch an zu welchem Regiment er gehört, wissen wir nicht genau- und sie hat Glück, denn in der Kaserne gibt es oft schmale Bissen und wenig Abwechslung; ein tapferer Grenadier hat aber soviel strategische Einsicht, um zu wissen, daß man bei älteren Köchinnen immer besser bewirtet wird, als bei jüngeren, denn die jüngeren Köchinnen wissen ganz gut, daß sie leicht einen anderen bekommen können, wenn ihnen der eine nicht gefällt, was bei den älteren nicht der Fall. August so heißt der stramme Grenadier mit einem etwas bärbeißigen Gesicht findet sich denn auch zeitig ein und wird von der dicken Trine schmunzelnd empfangen. Das Diner beginnt sogleich und ist kein schlechtes; Trine hat dazu aus dem wohlgefüllten Keller des Herrn Müller die besten Tropfen herbeigeschafft. Man schmaust und zecht mit vielem Behagen und dem braven August steigt der Wein zu Kopfe. Um ihn wieder munter zu machen, will Trine einen guten Kaffee fochen. Inzwischen soll August aber von seinem Feldzuge ausruhen. Sie rückt ihm bequem den Lehnsessel des Herrn Müller zurecht und bringt ihm den Rauchtisch herbei. Dann muß er sich seiner schweren Kommisstiefel entledigen und in die weichen Babuschen des Herrn Müller schlüpfen. Er steckt sich eine von den Havannas des Herrn Müller an und Trine geht in die Küche, um den Kaffee fertig zu machen. Bald zeigt aber ein mächtiges Schnarchen an, daß August in den Schlaf des Gerechten versunken ist. Die Zigarre ist seiner Hand entfallen. So ist die Idylle fertig, und Trine freut sich königlich, mit dem wackern Grenadier einige Stunden in traulichem tête- à- tête, zur Belohnung für ihre treffliche Bewirtung zuzubringen. Sie will eben den duftenden Mokka auftragen da kommt das Schicksal; roh und kalt faßt es des Freundes zärtliche Gestalt" die Tür geht auf und Herr Müller tritt mit seinen beiden Damen unerwartet ein, Eine plözliche Baisse an der Börse hat seine schleunige Rückkehr notwendig gemacht. Herr Müller kommt langsam hinter den Damen her; diese, welche das mächtige Schnarchen vernehmen und die fremdartige Erscheinung auf dem Sessel liegen sehen, sind ganz starr vor Schrecken, und der kleine Windhund beschnuppert vorsichtig den einen Schuh des Eindringlings. Vorläufig weiß sich die Herrschaft noch nicht zu fassen und die fröhliche Trine hat noch feine Ahnung von der drohenden Katastrophe, die ihr den ganzen Spaß so grausam und so unerwartet verderben und ihr die Pforten des Müllerschen Hauses wahrscheinlich auf immer verschließen, sie damit aber auch des famosen Liebhabers berauben wird. Noch eine halbe Minute dauerts, bis die Damen sich von ihrem ersten Schreck erholt haben und der Zusammenstoß erfolgt. Aber dann
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Wer weiß übrigens! August hat schon manche heiße Schlacht mutig bestanden; möglich, daß er auch hier den Mut nicht verliert und sich fechtend zurückzieht. Hoffentlich deckt er auch den Rückzug der so schmäh= lich hineingefallenen Trine es wäre wenigstens seine Ritterpflicht! W. B.
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- Das Bürgertal bei Göttingen. ( Illustr. S. 9.) Die Musenstadt Göttingen , berühmt durch ihre Würste und Universität", wie Heine scherzend sagt, hat eine reizende Umgebung, die wie geschaffen ist für den Poeten, um dort durch die belebende Einwirkung der Natur seine Gedanken zu erfrischen und seine Phantasie anzuregen. Wie viele find schon hinausgepilgert und haben unsterbliche Lieder gefungen, wie denn auch der junge Heine, als er 1824 seine Harzreise antrat, Göt tingen berließ mit den Worten:
,, Lebet wohl, ihr glatten Säle, Glatte Herren! Glatte Frauen! Auf die Berge will ich steigen, Lachend auf euch niederschauen!"
In Göttingen fanden sich um 1770 eine Anzahl poetisch begabter junger Männer zusammen, die mit einander in den Eichenhainen in Göttingens Umgebung umherschwärmten. In einer schönen Sommernacht, als die Mondstrahlen geheimnisvoll glänzend durch die Lücken fielen, welche die dichte Belaubung der Eichen übrig ließ, traten diese Jünglinge zusammen und gründeten unter allerlei Schwüren und mystischen Zeremonien den Hainbund. Es waren Namen darunter, die in der Geschichte der deutschen Literatur glänzen sollten, so J. H. Boß, später der berühmte Dichter der Luise und Ueberfezer Homers; Hölty , der Verfasser klassischer Elegien; die beiden Stolberge, damals Poeten
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voll Sturm und Drang ; der Dichter Boje, voll feinsinnigen Kunstverständnisses und mit ihnen G. A. Bürger, der geniale Verfasser herrlicher Balladen, Romanzen und Liebeslieder, der weithin bekannte Dichter der Lenore . Das Treiben des Hainbundes schloß viel kindliche Spielerei, aber auch manch guten und tiefen Gedanken in sich. Diese Jünglinge verehrten schwärmerisch Klopstock als den Regenerator deutschen Geistes in der Literatur, während sie Wieland- mit vielem Unrecht fanatisch verdammten. Sie zogen das Kraftgeniale Klopstocks der Wielandschen Grazie vor. Bei ihren Festmahlen mußte jeder von ihnen Wielands Werke mit Füßen treten und schließlich verwendete man die Blätter der Bücher zu Fidibussen. Diese schwärmerische Vereinigung zerfiel, als die Mitglieder Göttingen verlassen mußten; man trennte sich sehr schwer. Einer fam wieder zurück im Jahre 1785, nachdem er sehr bittere Erfahrungen in allerlei Lebenslagen gemacht, nämlich Bürger; er hatte sich als Beamter nicht in die kleinlichen Verhältnisse seiner Zeit schicken können. Aber er fam mit seiner Molly, die er nach dem Tode seiner ersten Frau geheiratet hatte, und an ihrer Seite schien er die ärmlichen Verhältnisse, die ihn empfingen, nicht zu verspüren. Von der Glut der Leidenschaft dieses Paares legen die vielen herrlichen Liebeslieder Bürgers, die sich auf Molly beziehen, Zeugnis ab. So jenes Lied, das mit der Strophe beginnt:
" Ich lauschte mit Molly tief zwischen dem Korn, Umduftet von blühendem Hagebuttdorn; Wir hattens so heimlich, so still und bequem,
Und koseten traulich von diesem und dem."
Allein die geliebte Molly starb und Bürger kam durch widrige Verhältnisse immer mehr zurück. Seine dritte Ehe mit dem„ Schwabenmädchen" Elise Hahn war unglücklich. Bürger starb 1794 an der Schwindsucht; in Leipzig leben noch Enkel von ihm. Sein Wohnhaus in Göttingen steht noch; heute ist die Herberge zur Heimat darin. Das Bürgertal, ein schönes Buchenwäldchen zu Reinhausen bei Göt tingen , wo ein mächtiger Felsblock sich erhebt, an dessen Fuß einige Stufen eingehauen sind, war ein Lieblingsplaz Bürgers. Hierher ging er wohl mit seiner Molly während der kurzen Zeit, da er sich ihrer Liebe erfreute; hierher zog er sich nach ihrem Tode oft zurück und strömte sein Leid in jenen ergreifenden Versen aus, welche er dem Schatten der Geliebten nachgesandt hat. Es rauscht leise in den Wipfeln dieser alten Bäume, und es kommt eine feierliche Stimmung über uns, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie hier eines der edelsten deutschen Herzen langsam verblutete im Kampf mit kleinlichen Verhältnissen, in Unglück und Elend. W. B.
Die Schlacht von Sendling. ( Illustration S. 12/13.) Die Geschichte des Baierlandes zeigt viele dunkle Blätter; eines der dunkelsten bildet die Regierungszeit des Kurfürsten Max Emanuel , von 1679-1726. Der maßlose Ehrgeiz dieses Fürsten stürzte sein Land, das mit unerschütterlicher Treue an ihm hing, in Elend und Unglück. Mag Emanuel, vom König Karl II. zum Statthalter der Niederlande ernannt, verließ Baiern und begab sich nach den Niederlanden , voll hochfliegender Pläne, denn seine erste Gemahlin, eine Tochter des Kaisers Leopold I. , und ihr Sohn, der Kurprinz Joseph Ferdinand , wurde von Karl II. zum Erben der gesammten spanischen Monarchie eingesezt. Das verdrehte dem ehrgeizigen Max Emanuel den Kopf. Allein der Kurpring starb bald, und es wurde Philipp von Anjou zum Tronerben eingesezt; auch war in dem Testament des Königs von Spanien von den Ansprüchen Max Emanuels nicht weiter die Rede. Der Mann, der sich mit dem Kurhut von Baiern nicht begnügen konnte, verband sich nun in dem bald darauf ausbrechenden spanischen Erbfolgekrieg mit den Franzosen , die ihm die Niederlande versprachen. Da er nicht die nötigen Geldmittel hatte, um so, wie er wollte, in den Krieg einzugreifen, so borgte er große Summen bei den Kaufleuten in Amsterdam , denen er dafür seine Kronjuwelen zum Pfand gab. So diente dieser ehrgeizige Fürst der ebenso ehrgeizigen Politik Ludwigs XIV. Allein er sollte fein Glüd haben. Das Heer Ludwig XIV. unter dem Marschall Tallard, das Deutschland überziehen sollte, ward von den Prinzen Eugen und Marlborough bei Höchstädt bis zur Vernichtung geschlagen, und die siegreichen Desterreicher besezten nun ganz Baiern . Das geschah 1704.
Die Baiern blieben ihrem Fürsten troz alledem treu, eine Erscheinung, über die man sich bei den damaligen Zeitumständen nicht wundern darf. Am meisten trug dazu der Umstand bei, daß die Desterreicher in dem eroberten Lande mit Raub, Erpressungen, Plünderungen, Einterferungen und allen möglichen Gewalttaten derart hausten, daß bald eine unbezähmbare Erbitterung gegen die Peiniger des Volkes aufflammte, welches doch für den Ehrgeiz seines Kurfürsten nicht haftbar war. Eine Verschwörung in München ward entdeckt und grausam bestraft; 1705 aber erhob sich das Landvolk, und es begann ein allgemeiner Aufstand, an dem sich auch Bürger, Studenten u. f. w. betei ligten. Namentlich ein Student Namens Plinganser tat sich als Organisator bei dieser seltsamen Revolution der Loyalität hervor. Die Desterreicher sandten den General Kriechbaum, der mit seinen Kroaten und Panduren das unglückliche Baierland nach Herzenslust verheerte und ausplünderte. Die verzweifelten Baiern rückten nun vom Wald, vom Inn , von der Jfar und aus der Oberpfalz in der Stärke von 30000 Mann gegen München an; Braunau und Schärding wurden genommen. Die furfürstlichen Prinzen in München zu befreien, war das höchste Ziel dieser Kurfürstlichen Revolutionäre; allein sie famen nicht so weit. Bei