Die Aene Well

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2.

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Bolk.

Erscheint alle 14 Tage in Heften à 25 Pfennig und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter zu beziehen.

Die Alten und die Neuen.

Roman von. Kautsky  .

Mutter Hofer hatte Arnold in ihre Stube geführt. Diese sah dürftig aus, war aber sauber gehalten. Den großen grünen Kachelofen umgab eine Holzbank, beim Fenster war eine zweite aufgestellt, davor ein Tisch.

Ein großes Bett zeigte reichliche Federkissen, von denen die obersten, mit den frisch roten Ueberzügen, des Nachts stets bei Seite gelegt wurden, um nicht durch den Gebrauch beschmuzt zu werden. Nahe der Tür befand sich ein Weihwasserkessel, in den die Hofer beim Eintritt ihre Finger tauchte und, sich und die beiden jungen Männer mit dem Wasser besprizend, das Zeichen des Kreuzes machte. Eine mit steifen Rosen bemalte Truhe und eine eben solche Kommode standen an den Wänden; auf die leztere war ein drei Fuß hoher zweitüriger Schrank gestellt; er war neu und von sauberer geschmackvoller Arbeit. Eine Schwarzwalduhr und zwei Bilder, Jesus   und Maria dar­ſtellend, vervollständigten das einfache Gerät des Zimmers.

Zwei Fensterchen der Stube gingen nach dem See hinaus, ein drittes, noch fleineres, war in einer Art Vorbau nach der Straße und dem nahen Salzberg. Frau Hofer lud Herrn Arnold zum Sizen ein. Sie sprach von ihrem Georg und meinte, der Herr werde da einen tüchtigen ordentlichen Burschen kennen lernen und einen guten Sohn, der auch noch fromm und christ­lich sei und nicht ihr Ton wurde schärfer so ein lockeres Zeiferl, wie der Herr Valentin da, der sich über alles lustig macht und der schier meint, er könnt dem Teufel selber noch eine Nase drehen; nein, der Georg, das sei ein ganz anderer Mensch, und er müſſe auch gleich herunter kommen, und nun, der Herr soll nur nicht bös sein, müßte sie in die Küche und Feuer anmachen. Am Freitag, fügte sie noch erläuternd hinzu, würde oben am Berg nicht mehr gefocht, und da warteten die Arbeiter mit dem Bei den meiſten würde freilich erst eingekauft, wenn der Vater den Wochenlohn bringe, sie aber habe Georgs Leibgericht schon bereitet. Einen Griesknödel mit Salat," sagte sie mit einer

schritt. Als sie wieder hereinkam, sah sie, daß Valentin den zweitürigen Schrank geöffnet hatte und dem fremden Herrn die

Arbeit daran zeigte.

"

1884.

[ 1883]

( 1. Fortsezung.)

Sie stellte sich, die braunen entblößten Arme unter ihrer Schürze bergend, neben sie hin.' S ist ein sauberes Kasterl, nicht wahr?" fragte sie voll mütterlichen Stolzes; er hat's selbst gemacht, und er hat seine Schulbücher' nein gestellt und sein Arbeitszeug. Sehen's, das sind die Messer und Stemm­eisen, und das ist der Zirkel und das Dreieck und sein übriges Beichengerät."

" Georg ist also auch Tischler und Holzschnizer, wie der Valentin?" fragte Arnold.

" Freilich, unsere Buben haben das halt schon von ihrem Vater gelernt, und der wieder von dem seinigen. Die Schnizerei ist so ein Nebenverdienst, denn vor dem zwanzigsten Jahre nehmens keinen ins Bergwerk, und wie mein Mann im Berg verunglückt ist- Gott hab' ihn selig

-

da war der Georg erst sechzehn Jahr alt. Ich hab' freilich eine Pension' kriegt, aber mit vier Gulden vierteljährig fann man mit dem besten Willen nicht auskommen. Der Valentin hätt' mich gern unter­stüzt, ich weiß wohl, aber sein Verdienst war damals noch gar

g'ring, und der Bub hat überhaupt alleweil ein' schlottrigen Geldbeutel g'habt. Und da hat halt der Georg mit der Holz­arbeit ang'fangen. Er hat kleine Viecherle g'schnizt und Löffeln

und Meſſer, und ich hab mich damit am Weg hing'sezt, und die Fremden, die dann und wann in den einsamen Gebirgswinkel kommen sind, haben mir gern was abkauft. Aber der Winter ist ein harter strenger Gesell' für uns alle, und er rührt sich nicht vom Fleck sieben Monat lang, und für die, die nichts Sicheres haben, bringt er ein schreckliches Elend. Ich und er, wir haben oft beide geweint, weil wir uns nicht zu helfen g'wußt haben. Aber der Georg hat treu bei mir ausg'halten, und unser Herrgott hat uns so gnädig die schlimmste Zeit über­dauern lassen. Und mit zwanzig Jahren hat der Georg das große Glück g'habt, ins Salzwert zu kommen. Im ersten Jahr haben's ihm wohl nur achtzehn Kreuzer täglich geben, aber jezt kommt er sich wie die meisten auf sechzig Kreuzer, nur daß er halt noch im Geding arbeit und noch nicht sicher angestellt is,

aber er ist ja erst zweiundzwanzig Jahr alt, und das wird schon kommen, mein Gott, und dann wär er haft versorgt, bis in seine alten Tage hinein."

Nr. 2. 1884.