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Mehrere Gäste waren, durch den Lärm aufmerksam gemacht, aus dem Tanzsaal hereingeeilt und blickten in ängstlicher Aufregung in das Gemach, wo dieser unerwartete Schreckensauftritt seltsam mit der bisherigen Festfreude kontrastirte.
Der Baron, die Justizrätin und Leopoldine waren zu Mistreß Jonston getreten und voller Teilnahme um dieselbe beschäftigt. Die Engländerin hatte sich wieder etwas aufgerichtet und legte die Hand an die Stirn, als ob sie zwischen Traum und Wachen kämpfte.
Senger zuckte die Achseln, als ob er nichts von der allgemeinen Erregung begriffe, wandte sich dann an den Justizrat und fragte zwar befremdet, aber doch mit voller Ruhe:
" Ist die Dame leidend?"
Harder war so konsternirt, daß er keine Antwort hatte.
Da nahm Mistreß Jonston ihre ganze Kraft zusammen, ergriff die Hand der Justizrätin und fragte mit bebender Stimme: " Kennen Sie den Mann, der so eben eintrat?"
" Sehr gut," erwiderte die Nätin, über das auffallende Benehmen der Engländerin augenscheinlich pifirt, er ist der Herr vom Hause, wir sind seine Gäste!"
Mistreß Jonston stieß einen zweiten Schrei aus.
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" Ha! Was sagen Sie? Wo bin ich den hingeraten? Nannten Sie dies nicht das Theelensche Haus? Nennt sich dieser Mann jezt Theelen?"
" Nein," entgegnete Frau Harder, ich bin gewohnt dies Haus 1.ch stets das Theelensche zu nennen, weil es schon seit Generationen im Besiz der Familie Theelen war. Der jezige Besizer hat Fräulein Theelen geheiratet, er selbst heißt Senger!" Amalie sprang auf, als ob sie durch diesen Namen hoch geschnellt würde.
Senger!" rief sie.„ Ich habe ihn gleich erkannt." Sie versuchte die Justizrätin mit sich fortzuzichen.„ Kommen Sie, um diesen Ort schnell zu verlassen. Ich kann keinen Augenblick länger unter seinem Dache verweilen!"
Die peinliche Bestürzung sämmtlicher Anwesenden wuchs. Keiner von ihnen konnte sich das aufgeregte Benehmen der Eng
länderin erklären.
" Was verlangen Sie?" eiferte die Rätin und entzog Mistreß Jonston ihre Hand," fassen Sie sich und meiden Sie weiteres Aussehen, alles blickt schon auf Sie!"
Damit wandte sie sich von ihr ab.
" mein Gott," murmelte Amalie,„ gib mir Kraft, die gesellschaftliche Form zu wahren, damit meine Erbitterung mich nicht zum Aeußersten treibe!"
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Senger, der bis jezt kalt und fast unbeweglich geblieben war, näherte sich jezt langsam der jungen Engländerin, das Auge fest und durchdringend auf sie gerichtet. überhaucht,
als er mit ruhigster Stimme begann:
" Ich hoffe, die Erregung dieser Dame ist eine freudige,- doch horch!" unterbrach er sich, als aus dem anstoßenden Saal die Introduktion zu einem Walzer erklang,„ man präludirt einen neuen Tanz; da ist es meine Pflicht, der geehrten Fremden die Honneurs zu machen!"
Er trat dicht vor Mistreß Jonston, verbeugte sich artig und bot ihr seinen Arm.
Tanz zu führen." Meine Gnädige, gestatten Sie mir den Vorzug, Sie zum
Die Dame schien alles andere eher erwartet zu haben als diese galante Aufforderung. Sie wich fassungslos zurück, aber
nur
„ Ich verstehe nur," erwiderte Senger mit vollkommener Artigkeit und Feinheit, daß Sie mir die Ehre eines Tanzes verweigern! Das befremdet mich, gnädige Frau, denn ich glaubte Sie durch meine Wahl zu ehren!"
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" Zu ehren? Sie mich?" rief Amalie mit einem Ausdruck unbeschreiblicher Verachtung!
" Sie sind in meinem Hause, meine Gnädige!" sagte er mit falter Höflichkeit.
" Welch' unseliges Geschick hat mich hineingeführt?" tönte es halblaut von ihren Lippen. Als ob die Vorstellung, sie in diesem glänzenden Hause als Gast zu sehen, sie wieder schwach mache, sah sie sich wie nach einer Stüze suchend um.
Baron Warrens Blick begegnete dem ihren; mit dem Instinkt erwachender Neigung ahnte er ihren Wunsch und reichte ihr den Arm. Sie stüzte sich darauf und ließ sich von ihm zum nächsten Sessel führen.
Senger nickte seiner Frau freundlich zu und fuhr mit stets sich gleichbleibender Ruhe heiter und beinahe scherzend fort:
" Ich habe ja den besten Ersaz, mich für den gehabten Refüs zu entschädigen, an meiner Seite. Komm', liebe Frau, tanzen wir zusammen den Walzer," Leopoldinens Gesicht strahlte,„ und erkundigen wir uns später nach dem Befinden der geehrten Fremden!"
Er hatte seiner Frau den Arm gereicht und wollte sie nach dem Tanzsaal führen, blieb aber, da er den Baron neben Mistreß Jonston bemerkte, noch einmal stehen und wandte sich halb um.
" Herr Baron," sagte er artig, aber doch mit gewissem Nachdruck,„ Sie werden hoffentlich nicht so grausam sein, sich unserer jungen Damenwelt als Tänzer zu entziehen! Wenn junge Kavaliere wie Sie feiern wollen, wer soll dann tanzen?"
Baron Warren konnte nach dieser Aufforderung des Hausherrn nicht zurückbleiben. So schmerzlich es ihm auch war, er mußte Mistreß Jonston verlassen und Herrn und Frau Senger in den Ballsaal folgen.
Harders blieben mit der Engländerin allein zurück. Der Justizrat stand neben Mistreß Jonston und winkte seine Frau herbei:
„ Komm' doch näher, du siehst ja wie die Aermste leidet." Die Justizrätin, welche sich von Anfang an über die Aufmerksamkeit geärgert hatte, die Harder der Engländerin bezeigt hatte, folgte dieser Aufforderung ihres Gatten nicht, erwiderte im Gegenteil sehr schlecht gelaunt, wie es in ihrem mißtrauischen und neidischen Karakter lag:
" Ich leide auch, daß ich solchen Auftritt miterleben mußte, denn ich ärgere mich, daß ich die Hand dazu geboten habe,
diese Dame, welche ein solches Aussehen erregen konnte, hier einzuführen!' Bei deiner nächsten Prozeßführung werde ich dir
vielleicht etwas ins Handwerk pfuschen!"
Nach diesen gehässigen Worten rauschte sie hinaus und folgte den Vorangegangenen in den Tanzsaal.
Mistreß Jouston war zu erregt, um die Beleidigung zu
bemerken, die für sie in den Worten der Justizrätin gelegen
hatte.
Als sie sich mit Harder allein sah, erhob sie sich und bat ihn, daß er sie so schnell wie möglich in ihr Hotel zurückbringen möchte.
Der Justizrat beschwor sie, ihm doch endlich mitzuteilen, was sie in solche Aufregung versezt hätte.
" So erfahren Sie denn," rief sie zornbebend, daß der
"
jenige, den ich verfolge, der meinem Vater einst sein ganzes ermannte sich, eine vollständige Veränderung ging mit ihr vor; Vermögen und die Ehre seines Namens raubte, der Mann ist,
die Röte edlen Zorns gab ihren Wangen die Farbe wieder und mit stolz erhobenem Haupt trat sie wie eine drohende Rachegöttin, flammenden Blickes, Senger entgegen.
" Burück!" rief sie fraftvoll; jede Spur von Schwäche war bei ihr verschwunden,„ Sie haben mich so gut erkannt wie ich
Stunde der Nache und Vergeltung hat geschlagen; Sie werden
mich verstehen!"
in dessen Hause wir uns befinden!"
„ Wie?" fragte der Justizrat ungläubig,„ Herr Senger-" „ Ist der Betrüger, den ich mit Ihrer Hülfe vor dem Gesez entlarven wollte!"
Harder trat unwillkürlich einen Schritt von Mistreß Jonston
zurück. Er war zu ſehr Juriſt, um, wenn auch nicht gerade mißtrauisch gegen die Engländerin, doch wenigstens vorsichtig
zu werden.