Der Bart.

Humoreske von J. H.

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Ich kannte einen reichen Privatier, der sich jahrelang mit der Lö­sung der Frage abquälte: Warum haben die Weiber keine Bärte? Wenn ihn der Raptus recht beim Schopf hatte, wurden Leute, die er für Studirte" hielt, mit dieser Frage förmlich von ihm angefallen und wohl oder übel mußte man ihm Rede stehen. Die ihn nicht kannten, famen leicht auf die Vermutung, dem Fragesteller sei eine Schraube im oberen Stockwerk losgegangen, und sie hielten ihn zum besten und foppten ihn. Oberflächlich, wie die Menschen einmal sind, pflegt nur der Schmerz ihr Mitleid zu erwecken, wogegen die Schwäche, physische, intellektuelle oder moralische, entweder ihre Lachmuskeln fizelt oder ihren Zorn reizt. Sie lachen, wenn ein Kurzsichtiger über einen Sche­mel stolpert, und sind gewaltig entrüstet, wenn jemand eine Schurkerei begeht, während doch imgrunde beide zu bedauern sind, der lezte eben­sogut wie der erste. Treffend schreibt einmal Ludwig Börne  : Du sagst: Ich verabscheue jenen Menschen, er ist schlecht. Nein, er ist krank. Gewährst du nicht dem Kranken deine größte Sorgfalt und sind nicht die Krankheiten des Herzens die gefährlichsten?" Dieser schöne Ge­danke will aber dem Philister ebensowenig einleuchten, wie das ächt humane und freisinnige Diktum des Weisen von Nazaret: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie." Ja, wir sind alle Sünder und ermangeln des Ruhms; moralische und intel­lektuelle Sünder. Wer hätte nicht schon über ähnliche Probleme ge= grübelt wie unser Bartphilosoph? Haben nicht die Teologen ganze Folianten angefüllt mit der Untersuchung von Fragen, die kein bischen mehr oder weniger Berechtigung haben, als die Frage: Warum haben die Weiber keine Bärte?

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Und das soll eine Humoreske sein? Geduld, lieber Leser, und noch liebere Leserin, mein Artikel soll dem Schlaraffenland gleichen, zu dessen Herrlichkeiten man erst gelangt, wenn man sich durch eine Mauer von Reisbrei hindurchgegessen hat, oder auch einem Strauß'schen Walzer, der gewöhnlich mit einer feierlichen, choralartigen Einleitung beginnt, und dann auf einmal zum lustigen Tanz sich verwandelt, sodaß ein solcher mich immer an die gespenstischen Nonnen im Robert der Teufel  " erinnert, welche plözlich ihre Kutten abwerfen und als leichtfertige Bal­letmädchen sich entpuppen. Aber, o weh, da habe ich mich schön ver­galoppirt; ich verspreche goldene Berge, Herrlichkeiten à la Schlaraffen= land, und weiß noch gar nicht, ob die wie heißt nur gleich die Muse, in deren Ressort der Humor gehört? Nun, sagen wir schlecht= weg Muse; seit den Tagen Homers   will ja nicht nur jeder gute und schlechte Poet, sondern jeder, auch der geistesärmlichste Federfuchser, mit dieser edlen Dame in vertraulichem Umgang stehen und ihr die Mutter­schaft seiner Kinder, selbst der gräulichsten Wechselbälge, aufbürden. Ich wollte also sagen, ich weiß noch gar nicht, ob mich die Muse mit soviel Humor inspiriren wird, daß ich den hochgespannten Erwartungen der Leser nur halbwegs gerecht werde. Lauriger Horatius, quam dixisti verum! Kluger Horaz, wie recht hattest du, deine Kollegen zu warnen, sie sollen im Eingang den Mund nicht zu voll nehmen: Auch nicht fange du an, wie einstens der tyklische Dichter:

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Priamos' Loos und den Krieg, den gefeierten, will ich besingen": Was kann bringen der Mann entsprechend so stolzer Verheißung? Berge freisen: Zur Welt kommt nur ein possierliches Mäuslein*), Wieviel richtiger der, der niemals wider den Takt fehlt**):

Nenne mir, Muse, den Mann, der nach Troja's endlichem Falle Städte und Sitten und Art von vielerlei Menschen gesehn hat." Nicht aus Feuer den Rauch, nein, Licht aus Rauch zu entwickeln Sinnt er und führt alsdann uns glänzende Wunder vor Augen.

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Als unser Bartphilosoph auch mir einmal die Pistole seiner Frage auf die Brust sezte, fiel mir folgende talmudische Sage ein: Der be­rühmte Pharisäer Hillel   hatte sich eine so große Sanftmut anſtoiſirt, daß Hillels Geduld noch heute bei den Juden sprichwörtlich ist. Je­mand, der davon hörte, wettete 400 Goldstücke, er werde Hillel   dahin bringen, daß ihm endlich mit Heine zu reden die Knöpfe reißen an der Hose der Geduld. Am Freitag Abend, als der Geduldkünstler eben im Bade war, um sich für den mit Einbruch der Nacht begin­nenden Sabbat würdig zu rüsten, klopfts am Badekabinet. Hillel  ! Wo ist Hillel  ? ruft eine rauhe Stimme barsch. Hillel   steigt rasch aus dem Bade, hüllt sich in seinen Mantel, öffnet die Türe und spricht mit einer Gelassenheit, die einen Wüterich entwaffnet hätte: Hier bin ich. Was willst du, mein Sohn?"" Ich habe eine wichtige Frage zu stellen." " Frage nur, mein Sohn."" Warum haben die Babylonier platte Köpfe?"" Allerdings eine sehr wichtige Frage," versezt Hillel   ernst. Ich denke, weil sie ungeschickte Hebammen haben." Jener entfernt sich, ohne zu danken, und Hillel   steigt wieder ins Bad. Kaum ist er drin, da klopfts und rufts wieder, und derselbe Dialog entspinnt sich wiederum wie vorher, nur daß diesmal die Frage lautet:" 2 Warum haben die Palmyraner trübe Augen?" Hillel  , der auch diese Frage für eine wichtige erklärt, antwortet: Weil sie in der Sandwüste wohnen." Der Fragesteller entfernt sich abermals und kommt nach kurzer Zeit wieder." Warum," fragt er den zum drittenmal im Bade gestörten

*) Oder wie ein neuester Uebersezer das parturiunt montes, nascitur ridiculus mus hübsch widergibt: Berge kreisen, und schau, es kommt die spaßhafte Maus' raus. **) Homer  .

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Hillel  , haben die Afrikaner breite Füße?" Wieder eine sehr wichtige Frage," lautet die mit unerschüttertem Gleichmut gegebene Antwort: Weil sie in sumpfigen Gegenden wohnen." Ich hätte noch eine Menge Fragen, aber ich fürchte, du könntest böse werden," fährt jener fort. Hillel   sezt sich nieder und sagt: Mein Sohn, frage nur, so viel dir beliebt." Also du bist der Mann, den man das Oberhaupt der Schule nennt?" Der bin ich." Dann wünsche ich, daß es nicht viel deines­gleichen geben möchte." Warum, mein Sohn?" Weil ich wegen deiner verdammten Geduld 400 Goldgulden verliere." ,, Das tut mir leid, mein Sohn; aber alles Geld in der Welt wird das Gleichgewicht meiner Seele nicht stören können."

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Eingedenk dieser Sage antwortete auch ich, obgleich sonst kein Hillel  : Eine sehr wichtige Frage, mein Herr, die wir am besten beim Glase lösen, denn in vino veritas( Im Wein ist die Wahrheit). Ihre Frage, hub ich an, nachdem wir angestoßen, ist eigentlich nicht ganz neu. Schon der Volkswiz beantwortet sie dahin, weil die Weiber zum Rasiren den Mund nicht halten können. Ich kann mich jedoch mit dieser Erklärung nicht befreunden, denn sie ist mir zu ungalant. Zwar etwas Wahres muß daran sein, wenn man den Weibern eine so un bezwingliche Redseligkeit zuschreibt, da ähnliches sogar einmal von einem Pfarrer behauptet wurde. Derselbe hatte eine Kapuzinade gegen das weibliche Geschlecht losgelassen und sich schließlich in seinem homiletischen Eifer zu der Aeußerung hinreißen lassen: Die Weiber können nicht in den Himmel kommen. Das wollten sich seine Zuhörerinnen nicht ge fallen lassen, und sie verklagten ihn beim Konsistorium. Ich will es aus der Bibel beweisen, verantwortete sich der angeschwärzte Schwarz rod. Es steht geschrieben in der Apokalypse: Und ich, Johannes, sah, und es war eine Stille im Himmel eine halbe Stunde lang. Nun, wenn Weiber im Himmel wären, so wäre eine halbe Stunde Stille die reinste Unmöglichkeit. Das Konsistorium fand diesen Beweis unwider leglich und sprach den Angeklagten frei. Ich könnte noch manche an dere Gewährsmänner nennen, z. B. Jean Paul  , der einmal äußerte: Wenn die Frauen Offiziere werden könnten und den Soldaten ,, Halt!" fommandiren sollten, so würden sie es etwa folgendermaßen tun: Ihr Soldaten alle, jezt paßt auf, ich befehle euch, daß ihr, sobald ich ge sprochen habe, still steht, jeder auf dem Fleck, wo er eben steht. Ver steht ihr mich? Halt!" sage ich euch allen." Dafür wurde der Spötter mit folgender Buschrift einer Amerikanerin belohnt: ,, Mr. Jean, ich fann Ihnen nur sagen, es war ein unglücklicher Tag, als Sie diesen Saz niederschrieben. Mögen Sie dafür einsam, ohne ein liebendes Weib an der Hand zu halten, durchs Leben stolpern. Mögen Ihre Knöpfe stets loder, Ihre Bänder verknüpft und Ihre Strümpfe zer rissen sein! Mögen ihre Stiefel voll Hühneraugen, Ihr Rasirwasser immer falt und Ihr Messer stumpf sein! Möge Ihr Haar allezeit wirr emporstehen und Ihr Halskragen sich lappig niederlegen! Möge Ihr Kinnbart gleich den Stacheln eines Schweines, Ihr Badenbart dünn gesät und Ihr Schnurrbart auf die verkehrte Seite gedreht sein! Möge Ihr Kaffee salzig, Ihre Suppe angebrannt und Ihr Tee wässerig sein! Mögen Sie vom Paradiese träumen, und in der Hölle erwachen! Und mögen Sie mit einer nimmer ruhenden Sehnsucht nach Liebe in Herzen als ein elender, zerlumpter, ruheloser, lächerlicher, trüb- und armseliger alter Junggeselle durch das Dasein friechen! Amen!" In dessen gibt es auch Weibmänner, bei welchen nicht die Goldwährung des Schweigens, sondern die Silberwährung des Redens beständig herrscht, und dennoch sind solche mitunter mit mächtigen Bärten aus gestattet. Wir müssen uns also nach anderen Gründen umschauen, wozu es nötig sein wird, den philosophischen Gaul aufzuzäumen( oder sagen wir besser Esel?).

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Es gibt zweierlei Weltanschauungen, die kausale und die teleologische welche leztere nicht selten mit der teologischen verwechselt wird, was gar nicht ohne ist, da imgrunde beides auf eins hinausläuft*), denn in der Regel sind die Teleologen teologisch gesinnt und die Teologen teleologisch. Die Philologen haben den Grundsaz, daß von zwei ver schiedenen Lesarten in einem alten Werk die unwahrscheinlichere die wahrscheinlichere, d. h. die richtige sei, und die Menschen im allgemeinen tun es ihnen nach, indem sie von verschiedenen Ansichten gewöhnlich die dümmste annehmen. Man kann darauf wetten, sagt Chamfort, jede weit verbreitete Ansicht, jede allgemein angenommene Vorstellung eine Dummheit ist, eben weil sie von den meisten zugegeben wird. Welche von den beiden gedachten Weltanschauungen ist nun die klügste? Man sollte meinen, die teleologische. Denn ist nicht die Welt in der Tat überall ein wahres Muster von zweckmäßiger Einrichtung? Die Fliegen sind da, um von den Spinnen aufgefressen zu werden, und die Spinnen, um die Fliegen zu fressen. Der Sperber nährt sich vom Spazen, der Habicht vom Sperber, der Adler vom Habicht  , der Mensch aber erlegt den Adler. Die Menschen selbst schießen einander tot, u das Bevölkerungsgleichgewicht wieder herzustellen, wenn es gestört ist ( und wenn es das nicht ist, geschieht es als Vorübung), und das statt liche Heer von Krankheiten und Seuchen, sowie Erdbeben, Schiffsunter gänge u. dergl. kommen ihnen dabei zuhilfe. Der Hagel ist da, damit die Hagelversicherungsgesellschaften Geschäfte machen, und die Feuers brünste, damit die Feuerversicherungsagenten nicht verhungern. Natur erzeugt täglich tausende von Leben und mordet sie wieder oder läßt sie gegenseitig sich aufreiben, damit nun wir Menschen können nicht

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*) Telos 8wed, Theos Gott  . Nach der teleologischen Weltbetrachtung alles in der Welt zweckmäßig eingerichtet. Nach der kausalen ist alles lediglich als Wirkung von Ursachen zu erklären.

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