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Voetische Aehrenlese.
Wir haben keinen Lieben Vater im Himmel. Sei mit dir im Reinen!
Erkenntnis.
Rus Friedrich Vischers Tyrischen Gängen.
Man muß aushalten im Weltgetümmel Auch ohne das.
Was ich alles las
Bei gläubigen Philosophen,
Lockt keinen Hund vom Ofen. Wär' einer droben in Wolkenhöh'n, Und würde das Schauspiel mitanseh'n, Wie mitleidslos, wie teuflisch wild Tier gegen Tier und Menschenbild, Mensch gegen Tier und Menschenbild, Wütet mit Bahn, mit Gift und Stahl, Mit ausgesonnener Folterqual, Sein Vaterherz würd' es nicht ertragen, Mit Donnerkeilen würd' er drein schlagen, Mit tausend heiligen Donnerwettern Würd' er die Henkerknechte zerschmettern.
Meint ihr, er werde in anderen Welten Hintennach Bös und Gut vergelten, Ein grausam hingemordetes Leben Bur Vergütung in seinen Himmel heben? O, wenn sie erwachten in anderen Fluren,
Die zu Tod gemarterten Kreaturen: ,, Ich danke!" würden sie sagen, ,, Möcht' es nicht noch einmal wagen, Es ist überstanden. Es ist geschehen. Schließ' mir die Augen, mag nichts mehr sehen, Leben ist Leben. Wo irgend Leben, Wird es auch eine Natur wieder geben, Und in der Natur ist kein Erbarmen, Da werden auch wieder Menschen sein, Die könnten, wie dazumal, mich umarmen O leg' ins Grab mich wieder hinein!"
Wer aber lebt, muß es klar sich sagen: Durch dies Leben sich durchzuschlagen Das will ein Stück Roheit.
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Wohl dir, wenn du das haft erfahren, Und kannst dir dennoch retten und wahren Der Seele Hoheit.
In Seelen, die das Leben aushalten Und Mitleid üben und menschlich walten, Mit vereinten Waffen Wirken und schaffen, Troz Hohn und Spott Da ist Gott .
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Der Bart.
Humoreske von J. H. ( Schluß.)
Die alten Völker nahmen verschiedene Stellungen zur Bartfrage n. Die Griechen ließen ihn wachsen, die Römer dagegen, sonst die Affen der Griechen, pflegten ihn zu scheeren, und das Wort barbarus ( Barbar) kommt vielleicht von barba( Bart) her, indem die unkultivirten Nichtrömer sich durch wilde Bärte hervortaten, wie denn auch Longobardi nichts anderes heißt als Langbärte. Als der Bart des Jünglings zum erstenmal schnittreif war, wurde er den Göttern zu Ehren geopfert, welcher Tag ein Familienfest war. Sueton wirst dem Kaligula vor, er opfere keinem Gotte seinen Bart, ungefähr in dem Tone, wie heutzutage von jemand gesagt wird: er geht nie zum Abendmahl. Am sonderbarsten ist auch hier das Ritual der Juden. Das mosaische Gesez verbietet, den Bart zu vertilgen, offenbar mit Rücksicht auf eine im Orient heimische Sitte, darin bestehend, daß der
um ihnen ein juveniles Ansehen zu wahren. Der Talmud aber, der das mosaische Gesez ungefähr so interpretirte, wie gewisse Wagnerianer die Werke ihres Meisters, bestimmt, daß die Juden sich nicht mit dem so daß das Angesicht des ortodoxen Juden aussieht wie ein frisch abRafirmesser, wohl aber mit der Zwickscheere den Bart puzen dürfen, Orient steht, zeigt der arabische Schwur: Beim Bart des Propheten! gemähtes Stoppelfeld. In welch hohem Ansehen aber der Bart im Den längsten, schönsten Bart auf dem ganzen Erdenrund hat Chicago aufzuweisen. Er wächst auf dem Kinn Adam Kirpers. Dieses haarige Individuum, das jezt sechzig Jahre zählt, fand es bereits in feinem elften Lebensjahre für nötig, sich zu rasiren. Als er sechzehn Jahre alt war, wurde ihm das Rasiermesser zuwider und er beschloß,
sein Haar wachsen zu lassen. Bald nachher diente er in dem deutschen Heere, als sein Schnurrbart drei Fuß lang war. Er fand jedoch, daß dieser Schmuck ihm häufig bei den Uebungen hinderlich war, da er sich mit seinem Gewehr und Bajonet und oft auch mit dem Gürtel seines Nebenmannes verwickelte. Er opferte ihn deshalb. Als er dann das Heer verließ, fing er an, seinen Bart wachsen zu lassen. Er ging nach Amerika und wohnt daselbst seit vielen Jahren. Im Lauf der Zeit maß sein Bart fünf Fuß. Darauf schnitt er ihn ab und verfaufte ihn für 75 Dollar an das Museum in Chicago . Seit der Zeit hat er ihn unberührt gelassen, verdient aber dadurch noch Geld damit, daß er sich sehen läßt und Bilder von sich verkauft. Von 1877 bis 1881 war der Bart zwei Fuß gewachsen und jezt, sagen amerikanische Zeitungen, messe er genau 122 Fuß. Wenn er ausgeht, wickelt er ihn um einen ledernen Gürtel, der um seine Taille geschnürt ist, aber zu Hause läßt er ihn seiner ganzen Länge nach herabhängen und wickelt seine Füße darin ein, wenn das Wetter kalt ist. Er findet, daß wenn er die Spize an einen furzen Stock festbindet, er einen vorzüglichen Malerpinsel erhält, und ist stolz darauf, Proben seiner Kunst aufweisen zu können, die er mit dem Bart an Türen, Zäunen u. s. w. ausgeführt hat. Der Sohn des alten Herrn sieht diesen außerordentlichen Haarwuchs als eine gute Erbschaft an, da der gute Vater die Bestim= mung getroffen, daß der Bart nach seinem Tode abgeschnitten und als Merkwürdigkeit im Lande gezeigt werden soll.
Vollbart und Bartlosigkeit bezeichnen indessen nur die beiden Extreme, zwischen diesen beiden Polen liegt die bunteste Mannigfaltigfeit verschiedener Bartfaçons. In seinem Aerger über die Geschmacklosigkeiten der Moden satirisirt einmal der Aesthetiker Vischer:„ Ach, man möchte oft seufzen: Wenn der Schöpfer doch nur dem Menschengeschlecht einen Pelz gegeben, oder da es solchen vielleicht einst besaß
ihn gelassen hätte! Törichter Wunsch, furzsichtiger Gedanke, der beim ersten näheren Blick in nichts zerfließt! Meint man denn, der