Mensch würde dem Tiere gleich sein Naturkleid tragen, wie es ist? Welche Schneidfeinheiten würden erfunden? Halb geschoren wie Pudel, oder ganz geschoren und nur einen Titus auf dem Kopf, eine Quaste, Bottel am Rückgratfortjaz- das wäre noch wenig! Die neue RokokoGärtnerkunst, die Teppichgärtnerei würde beschämt werden durch Figuren, Rabatten, Boskette jeder Form, jedes pikantesten Musters. Und man vergesse die Färbung nicht! Welche Zusammenstellungen, welche Schattirungen, welche Uebergangstöne. Dort die stolze Donna in Purpur und Anilinblau schreiend, hier die sanfte Brittin oder Deutsche in träumerischem Helldunkel sanft bräunlich- aschgrauer Halbtinten, dort der ernste Priester ganz schwarz, nur durch Tonsur die Natur verbessernd; da der Stuzer, gelb gegittert oder gewürfelt, mit grünen Schmachtlocken am Schlappohr, dann erst noch die Uniformen! Garde- Regimenter: ernst, schwarz- weiß, langhaarig, wie Neufundländer, Bernhardiner, Leonberger; Jäger- Regimenter: teils glatte, teils lang= haarige Hühnerhunde, teils auch Rattenfänger, braun, grau, juppenfarb, alles mit grünem Passepoil; vielleicht würde auch das Papageigrün und der grellrote Aufschlag der preußischen beliebt. Die Phantasie erliegt vor der Fülle von Gesichten, die ihr entgegenquellen." Nun, inbezug auf Bärte haben die Menschen diese Phantasie in der Tat bewahrheitet, und welche Aenderung des physiognomischen Ausdrucks die Verschiedenheit der Bartfaçon bewirkt, hat uns einmal der treffliche Mimifer Ernst Schulz mit seiner Naturgeschichte der Bärte bewiesen. Mittels eines ingeniösen Schattenspiels zauberte er mit der Schnelle des Gedankens über ein Duzend Arten von Bärten unter entsprechender, staunenswerter Veränderung seiner Physiognomie auf sein glatt rasirtes Antliz, den borstigen Gensd'armen- oder Exekutorenbart, den spizigen Mephistobart, den franzartigen Bräutigams-, den gedenhaften Mosaik-, den dünn gefäten Schmerzensbart, die Nr. 11 oder die Kaffeebohne des pensionirten Steuerbeamten, den Hambacher 1. s. w. Die populärste Varietät, das Ideal aller Jünglinge ist der Schnurrbart; er verwandelt das Kind zum Jüngling, macht ihn reif zur Liebe und ist also Amors Paßkarte; denn ein Kuß ohne Schnurrbart, hat einmal ein Fräulein erklärt, schmeckt wie Schweinefleisch ohne Sauerkraut. Auch im Militär ist er besonders beliebt. Der Zopf, der ehemals hinten hing, der hängt jezt unter der Nase," wie Heine singt. Früher trug sogar die Geistlichkeit ungehindert Schnurrbärte, bis auf die Zeit der Reformation herab, und zu Mazarins und auch Richelieus Zeiten trug jeder Priester, der nach Popularität oder nach der Gunst des Königs strebte, Sorge, einen Schnurrbart zu kultiviren, zu pomadisiren und zu pudern. Kaum in einem anderen Lande waren die Verordnungen über den militärischen Schnurrbart widersprechender und launenhafter als in Frankreich . Das„ Journal des Débats " behauptet, daß die erste derselben im Jahre 1792 herauskam und bezweckte, die pomadisirten Enden und die Gewohnheit, den Bart in spizer Form, gleich Dolchen zu tragen, zu verbieten. Eine zweite Verordnung datirt aus dem Juni desselben Jahres und ist noch strenger. Sie beschränkt das Recht, Schnurrbärte zu tragen, allein auf die Grenadiere. Dies war hierin das nachdrücklichste französische Gesez, doch wurde es im Jahre XIII. der Republik durch eine Ordre gemildert, welche das Tragen des Schnurrbarts auf die ganze Kavallerie, mit Ausnahme der Dragoner, ausdehnte. Im Jahre 1822 dehnte ein Zirfular des Kriegsministers die Erlaubnis auf einen Teil der Infanterie aus, d. h. auf die Karabiniere und„ Voltigeurs," ebenso auf die Grenadiere, während dasselbe Vorrecht in huldvoller Weise Offizieren von Rang und Stand erteilt wurde. Schließlich nach zwei Jahren erlaubte Marschall Soult nicht nur Schnurrbärte zu tragen, sondern legte es jedem Soldaten als Zwang auf.
Wie nach der Form, so unterscheidet sich auch der Bart nach der Farbe. Kaiser Rothbart( Barbarossa) hat seinen Namen von der Bartfarbe; auch Judas der Verräter soll einen roten Bart gehabt haben, und ein Kapuziner mit langem roten Barte, der deshalb von einem Jesuiten geneckt wurde, replizirte schlagfertig: Daß Judas einen roten Bart gehabt, ist nicht so ganz sicher, das aber weiß man gewiß, daß er von der Gesellschaft Jesu war. Ritter Blaubart ist eine der bekanntesten Märchenfiguren. Ein Wunder ist es nur, daß man noch nicht darauf verfallen ist, den Bart grün, blau, scheckig zu färben. Nun, was nicht ist, kann noch werden, und wenn dieser Artikel die Anregung hiezu geben sollte, so wird sein Verfasser stolz darauf sein und sagen können: non omnis moriar*).
Neuerdings hat der Bart des deutschen Reichskanzlers zahlreiche Telegraphendrähte und Federn in Bewegung gesezt, welche das epochemachende Ereignis nach allen Gegenden meldeten, und die scharfsinnigsten Kombinationen daran knüpften. Noch heute ist der wahre Grund nicht mit Sicherheit ermittelt; mit Interesse wird man daher das folgende Gedichtchen lesen, womit wir unserem Bartartikel einen patriotischen Abschluß geben:
Das war von je der Deutschen Art, Sie stritten um des Kaisers Bart. Erneuert dreht der alte Streit Sich um des Kanzlers Bart zur Zeit: Will er sich zeigen mit der Tat Als Freiheitsmann und Demokrat? Ließ er ihn sprossen in die Höh'
*) Ich werde nicht ganz und gar sterben.
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Selah!
Von wegen des Tic douloureux?**) Spricht aus der weiße Moses- Bart: Bleibt mir vor Schweinefleisch bewahrt? Sagt uns des Kanzlers Bart allein, Er wolle ungeschoren sein?
Doch nein! Er tritt vors Volk und fragt: Wer ihn im Bart zu krazen wagt!
Unsere Illustrationen.
Das großherzogliche Residenzschloß in Schwerin. ( Seite 57.) Unter den herrlichen norddeutschen Landseen, die sich in fast ununterbrochener Reihe von Plön an der Ostküste Holsteins bis hart an die pommersche Grenze hinziehen und in dem großen Warener oder Mürizer See, nächst dem Bodensee das größte Binnengewässer Deutschlands , ihren Abschluß finden, nimmt der große schweriner See durch seine land schaftlichen Reize eine hervorragende Stelle ein. An seinem Ufer, auf der sog. Schloßinsel inmitten eines prachtvollen Gartens, erhebt sich das großherzogliche Residenzschloß mit seinen vielen Kuppeln und Türmen in märchenhafter Pracht. Nach dem Urteil der besten Kenner deutscher Architektur ist das Schloß zu den bedeutendsten Bauten Deutsch lands zu zählen, da es troz der riesigen Dimensionen den strengsten Anforderungen der Kunst in jeder Hinsicht entspricht.
Aus der Geschichte des Schlosses heben wir folgendes hervor. J Jahre 1166 wurde die Burg Schwerin der Hauptort der Grafschaft Schwerin und Graf Guncelin I. erbaute an Stelle der alten heidnischen Burg eine deutsche. Erst gegen Ende des Mittelalters wurde die Burg durch An- und Aufbau vergrößert. Der erste Bau des herzoglichen Schlosses, welcher bis zum Jahre 1842 stand, wurde von Herzog Karl Magnus( starb 1503) ausgeführt. Während und nach dem dreißig jährigen Krieg geschah wenig für das Schloß, so daß es schließlich fast unbewohnbar war.
Der kunstliebende Herzog Friedrich Franz II. , welcher 1842 3 Regierung gelangte, faßte den Entschluß, das alte Schloß in glanz voller Gestalt zu erneuern. Der Hofbaurat Demmler wurde mit der Ausarbeitung des Entwurfs betraut, der denn auch auf die Schonung der historisch- interessanten und künstlerisch wertvollen Teile des Schloſſes tunlichst Bedacht nahm.
Im Oftober 1845 waren die Vorarbeiten soweit gediehen, daß mit dem Bau begonnen werden konnte, der bis zum Jahre 1851 von dem Baumeister Demmler geleitet wurde. Demmler geriet jedoch, wahr scheinlich infolge seines politischen Auftretens, mit seiner Dienstbehörde in Konflikt; die Folge davon war, daß er am 14. Januar 1851 mittel großherzoglichen Resfripts aus der Stellung des leitenden Architekten des Schloßbaues" entfernt wurde. Der Bau wurde nunmehr von anderen Architekten nach dem ursprünglichen Entwurfe zu Ende gefüh und im Jahre 1857 vollendet. Es scheint jedoch, als wenn die Nach folger Demmlers nicht so ganz in dem Sinne des lezteren arbeiteten, denn Demmler beklagte sich in einem Vortrage bei dem Großherzog „ daß schon ein flüchtiger Anblick lehre, wie mit dem Wechsel des Ar chitekten sofort bei den gegen die Stadt gerichteten Bauteilen, weld noch eine Veränderung erfahren konnten, fremdartige Stilarten und Bauelemente hineingetragen werden, die weder mit dem ersten Ba plan, noch mit dem architektonischen Karakter des ganzen Schloſſes Einklang stehen." Es ist leicht begreiflich, daß es dem genialen Meiste Schmerz bereitete, sein herrliches Werk nicht ganz nach Wunsch zu geführt zu sehen, aber immerhin wird das schweriner Residenzschlo seinem Schöpfer einen dauernden Ehrenplaz in der deutschen Kunſ geschichte sichern.
in
Ende
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Sehr interessant ist die Art, wie Demmler seine wirtschaftliche Grundsäze bei den vielen von ihm ausgeführten Bauten zu verwirk lichen suchte. Er verwarf z. B. das verderbliche Submissionsverfahre und übertrug die Arbeiten unter gleichmäßiger Betheiligung an alle Schwerin ansässigen Meister der verschiedenen Branchen auf Red nung. Wo das Interesse des Baues jedoch eine Akkordarbeit wün schenswert machte, wurde dieselbe direkt an die Arbeiter vergeben. Bein Bau des großherzoglichen Residenzschlosses, so erzählt Demmler ſelbil, wurden diese Grundsäze auch auf die sämmtlichen Tischler-, Steinmez 1 Schleifmühlen- Arbeiten, sowie auf die Bildhauerei, Kunstziegelei au gedehnt. Sie wurden sämmtlich, wie auch die Maurer- und Zimmerarbeite ohne jegliche Unternehmer in Ausführung gebracht; große Werkstätte wurden errichtet, die Rohmaterialien, zweckentsprechende Maschinen
wurden für Rechnung angeschafft, Trockenstuben angelegt u. f. w.
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war die Möglichkeit gegeben, daß jeder einzelne Arbeiter nach seinem Fleiß, seiner Gewandtheit und Geschicklichkeit von dem leitenden Ba
offizianten besonders remunerirt und nicht von einem Unternehmer
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seinem privativen Geldinteresse ausgebeutet werden konnte. Es herrscht daher auch stete Zufriedenheit unter den vielen Arbeitern der schiedensten Berufsarten, und dem leitenden und beaufsichtigenden personal wurden seine Geschäfte dadurch sehr erleichtert. Was ab ganz besonders wichtig war: bei dieser Bauleitung hatte weder die Baukasse Nachteil, noch wurden die Arbeiten selbst, was Gediegenheit, Tüchtigkeit und künstlerische Ausführung betrifft, in irgend welche
*) Zahnweh.