noch ein Winzer, ein Schneider , ein Müller, ein Fuhrknecht, ein Faßbinder, ein Bedienter, ein Nähmädchen, ein Tagelöhner, ein Tabaksraspeler, ein Glaser. Am 13. Juni starben ein Schneider , ein Glaser, ein Holzhändler, noch ein Glaser, ein Kutscher, ein Maler, ein Mezger, ein Gärtner, zwei Buch drucker und eine Wäscherin aus Hamburg , die vierundzwanzigjährige Harmassin! Inwiefern diese arme Wäscherin wohl die Kontrerevolution gefördert hat! Am Ende hat sie gar für Noyalisten gewaschen!
Nun werden die Tageslisten lang; der 16. Juni zählt schon vierundfünfzig Opfer; unter diesen sind neununddreißig Arbeiter und etwa zehn Bediente und niedrige Angestellte. Wir wollen damit die traurige Aufzählung schließen, denn sie ist von nun ab bis zum Sturze Robespierre das gewöhnliche Verhältnis; bei fünfzig Opfern sind mehr als vierzig aus den armen und arbeitenden Volksklassen genommen.
Wir erwähnen hier nur noch den berüchtigten Prozeß Lad= mirel. Dieser, ein ehemaliger Bedienter, hatte auf das Mitglied der Regierung, Collot d'Herbois , geschossen, aber gefehlt. Nun mußte Robespierre auch sein Attentat haben; als daher ein zwanzigjähriges Mädchen ihn besuchen wollte und man bei dieser zwei kleine Taschenmesser sand, als vollends das Mädchen sagte:„ Ich habe sehen wollen, wie ein Tyrann aussieht", da war das Attentat fertig. Man betrachtete nun Ladmirel und das junge Mädchen als Häupter einer großen Verschwörung, in die man einundsechzig Personen verwickelte; alles, was man an berühmten und angesehenen Gefangenen hatte, wurde zu Mitschuldigen Ladmirels gemacht. Mit dem be= zeichneten jungen Mädchen, Cäcilie Renault , wurden ihr Vater, ihre Brüder und ihre Tante angeklagt. Zugleich verwickelte man in diese Anklage Frau von Saint Amaranthe, ihre Tochter, ihren Schwiegersohn und die frühere Geliebte dieses Schwiegersohnes, alles mit seinem Dienstpersonal. Dann tat man alle bis jezt aufgesparten bekannteren Adeligen dazu. Es waren einundsechzig Personen, darunter zehn Frauen. Vergebens protestirten sie, und erklärte Ladmirel, daß er sie nicht kenne; sie wurden alle zusammen als Glieder einer und derselben Verschwörung zum Tode verurteilt und in roten Hemden als„ Vatermörder" auf das Schaffot geführt. Dieser Prozeß, einer der ungeheuerlichsten der ganzen Weltgeschichte, war hauptsächlich das Werk des alten Vadier, der damit Robespierre treffen wollte. Die Saint Amaranthe hatte näm lich eine Spielhölle gehalten, wohin viele revolutionäre Größen, auch Robespierres Bruder, gekommen waren.
Unser Liste bricht mit dem 22. Juni ab. Je zahlreicher die Hinrichtungen, desto mehr Opfer aus den eigentlichen Volksklassen. Fouquier- Tinville konnte mit den Arbeiten nicht mehr fertig werden; daher reorganisirte man das Revolutionstribunal. Auf Antrag Couthons wurden die lezten schüzenden Formen, die noch für die Angeklagten bestanden, hinweggeräumt. Man gestattete den Angeklagten keine Verteidiger mehr.„ Das Gesez," hieß es in diesem furchtbaren Defret, gibt den verleumdeten Patrioten die patriotischen Geschworenen zu Verteidigern; den Verschwörern verweigert es die Verteidiger." Man teilte das Revolutions tribunal in vier Seftionen ein und vermehrte entsprechend das Personal. Es arbeitete jezt derart, daß Fouquier- Tinville sogar einmal ein Schauder überfiel und daß er, als er Nachts die Seine passirte, zu seinen Begleitern sagte, der Fluß käme ihm wie ein Blutstrom vor.
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Damals erfand man die Verschwörungen in den Gefängnissen; es waren dazu besondere Angeber angestellt. Unter ihnen zeichnete sich ein Elsässer Namens Wiltcherich aus, sowie ein gewisser Beaufire, der Mann jenes Freudenmädchens Oliva, die in dem berüchtigten Halsbandprozesse eine Rolle gespielt hatte.
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Bei einer solchen Affaire wurde angegeben, die Gefangenen hätten sich verschworen, um die Konventsmitglieder zu töten, ihnen das Herz auszureißen, es zu rösten und zu verspeisen. Solch blödsinniges Zeug wurde ernst genommen und die Angeklagten verurteilt.
Dagegen ist nachgewiesen worden, daß verschiedene gegen das Revolutionstribunal erhobene Beschuldigungen unwahr sind, so z. B. daß man einen gewissen Loizerolles an Stelle seines Sohnes hingerichtet habe. Dies findet sich in vielen Geschichtswerken, ist aber nachweislich unwahr.
Nach dem Sturze Robespierres und nach der Hinrichtung seiner Anhänger wurde das Tribunal reorganisirt und eine mildere Praxis eingeführt. Man verwendete das Tribunal fast nur noch gegen die Häupter von Aufständen und in den als Racheakte erscheinenden Prozessen gegen die Jakobiner. Bald kamen auch die alten Richter und Geschworenen selbst auf die Anklagebank. Der Präsident Dumas war mit Robespierre hingerichtet worden; Coffinhal gleich darauf; am 1. Mai 1795 aber wurden Fouquier- Tinville , der Präsident Herman, der Präsident Scellier und dreizehn andere zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die anderen sprach man frei; unter den freigesprochenen Geschworenen befand sich auch ein, Deutscher , der Schneider Benedikt Trey aus Bußmannshausen bei Ulm . Am 31. Mai 1795 wurde das Revolutionstribunal ganz aufgehoben.
Das Volt hatte sich dem Tribunal nie sympatisch gezeigt; cs war nur ein kleiner Teil, der die Hinrichtungen beklatschte. Die Bewohner der Straßen, wo die Henkerkarren passirten, schlossen die Läden. Als man deshalb die Züge zum Schaffot die Vorstadt Saint Antoine passiren ließ, von deren revolu tionär gesinnter Arbeiterbevölkerung man eine andere Haltung erwartete, geschah dasselbe; die Arbeiter hielten sogar die neu gierigen Frauen ab, die Verurteilten zu betrachten. Das Volk empfand Abscheu vor diesen Schlächtereien, die ohnehin seine eigenen Angehörigen betrafen und seine Lage nicht bessern fonnten. Es fam vor, daß die Henkerkarren mit Geschrei und Pfeifen empfangen wurden, das keineswegs den Verurteilten galt.
Wir haben nur die Tätigkeit des pariser Revolutions tribunals geschildert; es bestanden aber noch mehrere Tribunale, die zum Teil verhältnismäßig noch schlimmer hausten, wie das pariser, so zu Nantes und zu Drange.
Das Revolutionstribunal hat der Sache der Demokratic mehr geschadet als alle ihre Feinde. Kein Mensch wird glauben, daß, um die französische Republik zu begründen und die vers bündeten Mächte Europas zurückzutreiben, es notwendig war, das Blut von Näherinnen, Wäscherinnen, Witwen, Jungfrauen, Bauern, Tagelöhnern und Arbeitern zu vergießen. Man traf eine im Verhältnis zur Masse der Hingerichteten geringe Anzahl wirklicher Aristokraten und Anhänger des alten Regiments, allein auch dadurch vermehrte die Regierung nur die Zahl ihrer Feinde. Eines bleibt immer bestehen: Es ist weder mensch lich, noch dem Staate nüzlich, wenn eine Regierung ihre politischen Gegner tötet oder sonstwie zu vers nichten trachtet. Dieser Saz gilt für alle Staaten und alle Regierungen.
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Das Schreckenssystem verschlang eine Menge guter Repu blikaner und untergrub die Republik , indem es sie gegen Feinde zu verteidigen wähnte. Es machte Frankreich reif für die Säbeldiktatur Napoleons .
Wir wiederholen, was wir schon früher in diesen Blättern gesagt: Kein schlechterer Dienst, der der Demokratie geleistet werden kann, als wenn man Fehler und Ausartungen beschönigt. Wenn es Leute gibt, die sich verpflichtet fühlen, Unmenschlich keiten und Torheiten zu verteidigen so sind diese Verteidiger selbst Toren oder Unmenschen.