die Art, mit der Baron Reinthal die Dame des Hauses begrüßte.

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Der Graf zuckte die Achseln.

" Meine Frau ist vielleicht zu empfindlich," sagte er lächelnd, aber eine Mutter kann verlangen, daß man ihr die Erziehung ihrer Tochter allein überläßt."

Eine Debatte, Messieurs?" fragte eine sonore Stimme,

Er war wie immer im Frack und weißer Kravatte. Der Mann, um den man sich in den Salons riß, der täglich einem Feste oder Kunstereignisse beizuwohnen hatte, war ja gezwungen, dies Festkleid zu tragen; es paßte vorzüglich zu seiner feinen ,,, doch keine politische, hoffe ich?" ungemein eleganten Gestalt und ließ ihn fast jugendlich er­scheinen. Er sah aus wie ein Dreißiger, und er war wirklich schön zu nennen. Sein Gesicht hatte einen edlen Schnitt, sein Teint war frisch, seine Augen groß und lebhaft, sein braunes Haar kaum merklich gelichtet, und als er nun die Gräfin ver­sicherte, wie glücklich er sei, sie so wohl zu sehen und sich selbst wieder einmal in dem schönen Falkenau zu finden, wußte er die banale Phrase zu einer graziösen Huldigung zu gestalten. Mit familiärer Vertraulichkeit wandte er sich dann an die Kinder.

Gräfin Dönhof war aus der Bibliotek getreten, Pater Cölestin kam hinter ihr her.

"

Nanny war aufgestanden und sie beantwortete seine Frage mit der Befangenheit eines Schulmädchens. Sie hat ihre Lektion noch nicht beendet," sagte die Gräfin trocken, und man merkte den Wunsch deutlich heraus, daß Nanny durch die An­kunft des Barons nicht weiter gestört werden möge. Aber Papa nickte seinem Töchterchen freundlich zu und sagte: Nun wir kürzen sie heute ab, unserem Gaste zu Ehren." Ein rosiger Hauch des Entzückens überflog das blasse Gesicht des jungen Mädchens, sie trat vom Tische hinweg und auf ihren Papa zu. " Du bist so gütig, Papa," flüsterte sie.

Sie schenken mir doch auch einen so hübschen Blick, Com tesse?" scherzte Reinthal ,,, Papa hat Ihnen nur meinethalben diese Konzession gemacht; aber Nanny, ich hoffe Sie heute noch günstiger für mich zu stimmen."

" Baron Reinthal will sich auf jede Weise bei dir ein­schmeicheln," lachte der Graf, er hat dir auch etwas mit­gebracht."

,, Nicht im geringsten, Natalie," versicherte ihr Bruder, der mit dem Baron auf sie zugegangen, wir bekämpfen uns zwar in der Kammer und in den Couloirs grimmig genug, aber außer dem Hause suche ich mich mit seinem Liberalismus und seinen modernen Schrullen abzufinden, so gut es eben geht."

" Und Graf Falkenau treibt die Liebenswürdigkeit soweit, mir in diesen vertraulichen Augenblicken von den Anträgen zu sprechen, die er einzubringen gedenkt, damit ich doch ein klein wenig gerüstet mich dem Sturm entgegenstelle, den er zu ent fesseln pflegt."

Man lachte. Natalie hatte hierauf auf der Chaise longue Platz genommen und alles gruppirte sich um sie herum. Sie hatte, wie ihre Schwägerin, feine Sympatie für den Baron, aber sie war viel zu viel Weltdame, um sich das anmerken zu lassen. Und so sprach man denn von diesem und jenem in dem neutralen leidenschaftslosen Ton der guten Gesellschaft.

aber

Pater Cölestin saß auf seinem Stuhle lässig zurückgelehnt; er beteiligte sich fast gar nicht an der Konversation. Sein Gesicht sah in seiner Vornehmheit kühl und gelassen aus; ein genauer Beobachter hätte vielleicht erraten, daß hinter dieser Maske der Gleichgiltigkeit ein unruhiges Herz pochte. Seine merkwürdig dunklen Augen zuckten von Zeit zu Zeit auf, u er beugte sich dann vornüber, als lausche er auf entfernte Töne die ihm von außen fommen mußten. Aber man vernahm nichts. Seine schönen außerordentlich gepflegten Hände taſteten nervös

" Wieder eine Muschel für meine Sammlung, wie neulich?" in gesteigerter Unruhe hin und her. fragte das Mädchen rasch.

Der Graf gab dem Diener, der soeben mit einer eleganten Handtasche eintrat, einen Wink, dieser überreichte sie dem Baron, der einen in Seidenpapier gehüllten Gegenstand daraus hervorzog. " Hier Comtesse, schlagen sie das Papier zurück."

, danke," rief diese, das Papier rasch herunterreißend. ,, Ein Buch, wie hübsch gebunden und mit Bildern!"

Indes plauderte Baron Reinthal in seiner geistvollen haften Weise.

Leb

Allem

An Stoff fehlte es ihm nie. Er stand als Politiker in der Opposition und war doch allgemein beliebt und wurde hinzugezogen. Er fehlte bei keinem Ball und feiner Festlichkeit des Adels, und er war der Protektor aller Kunstinstitute,

зи

ber

" Der Inhalt ist doch passend?" fragte die Gräfin scharf, allen Teatern zu Hause und mit allen Künstlerinnen vertraut

Ehrenpräses einer ganzen Menge von Vereinen; er war in

mit einer deutlichen Nüance von Unruhe und Unzufriedenheit herzutretend.

Durchaus, Gräfin; Illustrationen zu Schillers Glocke." Schiller ! was fällt Ihnen ein, Nanny ist noch so jung."

"

Gezeichnet von Ludwig Richter ," beruhigte der Baron mit einem Lächeln.

Ach!" rief Nanny entzückt, den Kopf tiefer in das Buch steckend, um das hübsche Bild, das sie aufgeschlagen, noch genauer zu betrachten.

Er galt als ein vorzüglicher Kenner, als eine Autorität Kunstsachen, malte und komponirte selbst, und verfaßte gedichte und geistreiche Sprüchwörterdarstellungen.

Man hörte dem brillanten Causeur mit Interesse zu, erklang das Läuten des Ave- Maria.

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Feft

ба

Die Vesperglocke", sagte Gräfin Marie, und sie erhob fid

und mit ihr all die andern.

Es war Sitte in Falkenau, sich um diese Zeit zu

einem

Aber Mamas examinirender Blick hatte dieselbe Richtung Gäste da waren, wurde davon nicht gerne Umgang genommen furzen Gebet in die Schloßkapelle zu begeben. Selbst wen

genommen, und ihre hageren Wangen flammten auf in der Purpurglut des Zornes.

Ein blutjunges Paar war hier abgebildet, das im Grase neben einander saß, er hatte seinen Arm um ihren Hals ge­legt ,, Liebesglück stand darunter.

Sie entriß das Buch den Händen ihres Kindes, dessen un­schuldige Augen durch solche Scenen vergiftet wurden.

" Helene hatte mir versprochen, um diese Zeit mit G Stirnrunzeln. zurück zu ſein", versezte Gräfin Dönhof mit einem leidte

Marie sah sie ernst an und entgegnete nicht ohne Würde: gar nicht und die andere nur, wenn sie Langeweile hat." " Was willst du mit ihnen in der Kirche? Die eine betd

Baron Reinthal bat lächelnd, auf sein Mitgehen zu

bers

" Ich muß Sie bitten, Baron," sagte sie fast bebend, daß zichten. Die talte Kirchenluft ziehe ihm so leicht einen Schnupfe

Sie es fünftig unterlassen, Nanny mit dergleichen zu über­raschen."

"

Aber Gräfin, der poetische, der kindliche Ludwig Richter !" rief der Baron, den es Mühe kostete, nicht in Lachen auszu­brechen.

" Ihr Herren vermögt nicht nachzuempfinden, was den reinen Spiegel eines Mädchenherzens zu trüben vermag," entgeguete sie scharf. Nanny , du hast mit Leo noch einige Etuden zu spielen. Pater Benedikt, Sie werden die Kinder begleiten." Diese entfernten sich mit dem Erzieher.

zu, und so wolle er denn hier die Damen erwarten.

Graf Falkenau hatte seiner Schwester den Arm gereicht

und er schritt mit der stattlichen Dame voraus. Pater Cölestin führte die Hausfrau.

einen Blick nach dem Zurückbleibenden entfendend.

" Der Baron ist ein Freigeist?" fragte sie der Prieste

Ein Seufzer des Hasses drängte sich aus der schmalen

Brust der Gräfin.

dieser Mann, er hat keine Religion und er hat

Herz!"

Fein