Elja hatte mit einem Ruck ihren Arm aus dem seinen ge= 30gen; sie sprang gegen die Tür und öffnete rasch.

Heller Lichterglanz und heiteres Geplauder der hier Ver­jammelten tönte ihr entgegen.

Sie atmete auf wie befreit.

Sechstes Kapitel.

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Eine Reihe Gemächer im Hause des Barons Reinthal stand geöffnet. Ein Kunstfreund und Kenner, eine Autorität in Kunstsachen, hatte er sein Haus mit wahrhaft bewunderns wertem Geschmack und als Millionär zugleich mit großem Auf­wand eingerichtet. Er besaß Schönes und Seltenes aus allen Fächern der Kunst, und Künstler ersten Ranges hatten für dessen Aufstellung und Umgebung alles Entsprechende geschaffen. Ein Besuch bei Reinthal war fast Mode geworden; man sprach damals viel von seinen Gemälden und Teppichen, von seinen Gobelins und seinen Waffen, und einige Heißsporne ließen sich sofort ein oder das andere ihrer Appartements à la Reinthal

einrichten.

Helene kannte die Schäze seines Hauses; er hatte aber auch Gräfin Dönhof und Elsa so dringend gebeten, seine Samm­

hatte.­

zum ersten mal in seinem Leben der kizliche Fall, daß sein Vorteil mit seinem Verlangen in Widerspruch geriet, und es wollte sich fast herausstellen, als ob seine Leidenschaft stärker sein werde als seine Vorsicht.

Seitdem er Elsa gesehen, war sein achtundvierzigjähriges Herz von diesen jungen keuschen Reizen gefangen genommen, und er wollte sich einreden, daß er jezt erst, zum ersten mal in seinem Leben, wahrhaft verliebt sei. Er begann ein wenig über die Anzahl seiner Jahre zu seufzen, die er sich übrigens niemals voll eingestand, und so war er denn auch viel zu eitel, um im Ernst an seiner Unwiderstehlichkeit zu zweifeln, die ihn ja noch niemals im Stiche gelassen hatte.

Und er war ja auch wirklich noch im besten Mannesalter

und hübsch, und er besaß all die Vorteile seiner Stellung, sei­nes Reichtums und seiner Bildung. Warum sollte Elsa in ihrer Verwaisung nicht gern die rettende Hand ergreifen, die ihr den legitimsten Beschützer und ein behagliches Heim sicherte? zeigte doch die Erfahrung, daß gerade junge Mädchen nicht allzuhäufig dagegen sind, reifere Männer zu beglücken.

Aber dann hatte er Helenens Einfluß preisgegeben und all die Pläne, die sein Ehrgeiz darauf gebaut, und er hatte die

heißblütige Frau vielleicht zu seiner Gegnerin gemacht. Das

durfte nicht geschehen, das mußte vermieden werden um jeden

Er erwartete sie nun, und er durchschritt, von seinem Preis- wie aber aus diesem Dilemma herauskommen?! Kammerdiener gefolgt, die Räume, alles mit kritischen Augen

musternd.

mein frisch und wohlgelaunt aus. Er hatte eine sorgfältige Toilette gemacht, und sah unge­

" Es ist alles entfernt worden, was die Damen irgendwie chotiren tönnte?" fragte er Felig mit einem vielsagenden

Blick.

der Dönhof."

Wie oft hatte er in lezter Zeit über diesen Gegenstand nachgedacht, aber er hatte immer nur eine mögliche Lösung gefunden.

Auch jezt schien ihn diese zu beschäftigen, und er versuchte, ihr näher zu kommen.

werden sie gegenseitig von einander entflammt sein.- Aber

Arnold ist hübsch, sehr hübsch- kombinirte er und seine Augen schlossen sich halb, als sollte dadurch ein weit entfernter " Durchaus alles", antwortete der Kammerdiener mit einem Gegenstand seinen Sinnen näher rücken- er hat etwas von fleinen vertraulichen Lächeln, ich weiß ja, welche Rücksichten dem Zauber, der die Weiber betört, er ist mein Sohn. Er wir da zu nehmen haben, und ich kenne übrigens die Prüderie wird ihr gefallen, und wenn man es ein wenig darauf anlegt, Der Baron war an einen Tisch getreten und schlug ein Album auf, in dem sich eine Anzahl jugendlicher Mädchen- Helene ist nicht wie ihre Schwester, die einem armen Gelehrten der bürgerliche Doktor tönnte immer noch ein Hindernis bilden? porträts befanden. Es waren Schülerinnen des Konservatoriums, nachgelaufen ist, sie ist durchaus Aristokratin. Nun, ich werde welche sich für den liebenswürdigen Kunstfreund und einflußreichen ihr verraten, daß blaues Blut in seinen Adern fließt, ich könnte Gönner hatten photographiren lassen, der sich für die eben flügge sogar eine hochadelige Mutter vermuten lassen was tuts! die Deffentlichkeit zu überwachen pflegte. Neinthal lachte diesen Adoption. gewordenen Künstlerinnen interessirte und ihre ersten Schritte in allerliebsten, zumeist pikanten Gesichtchen zu, dann runzelte er

die Stirne.

Und dergleichen lassen Sie unkonfiszirt?"

" Ich dachte, das wäre aus Dankbarkeit und daher unver fänglich," bemerkte Felix zynisch.

-

Und im Notfalle schlage ich alle Bedenken nieder durch eine

Seine Finger trommelten bereits den Hochzeitsmarsch Men­delsohns auf dem Seidenbrokat der Armlehne, dann aber legte sich ein Schatten des Verdrusses über sein Gesicht.

Wenn er gekommen wäre, wie ich es gewünscht, zu Anfang der Saison, dann könnte in dem Moment alles im Reinen

Beziehungen zu Damen verraten könnte," entgegnete Reinthal sollen; aber er sprach mir von einer gelehrten Arbeit, die er " Ich befahl, alles hinwegzuräumen, was irgend welche sein, und ich wüßte, woran ich bin. D, ich hätte darauf dringen

herauszugeben gedenke, und auch mein guter Lord schwazte mir

und da ordnend einzugreifen, alles wie zu einer Vorstellung Londons zu benüzen verstehe und wie der junge Doktor fast Er nahm das Album hinweg und begann nun selbst hie da etwas vor, wie vortrefflich er das ausgezeichnete Lehrmaterial einen andern, so das Licht geschickt verteilend, daß es mit dem zelte. Ja, der Junge hat Begabung, er hat Arbeitskraft. Effelt eines Rembrandtschen Gemäldes auf die Cauſeuse und die Fauteuils von blaßrother Seide fiel, auf denen die Er- jezt kommt er, und so wollen wir denn sofort alle Minen springen

warteten Plaz nehmen sollten.

Er sezte sich hierauf selbst und, gleichsam diesen Effekt pro­

Grade solche Leute brauchen wir, brauchen sie notwendig. Nun

lassen.

Er selbst sprang in die Höhe wie emporgeschnellt von seinen

birend, jah er in den gegenüberhängenden Spiegel und bemerkte Kombinationen, die er in seiner diplomatischen Weise doch nie­mit Vergnügen, daß das einfallende Licht ihn ungemein jung mand anvertrauen durfte als sich selbst.

jein

In dem Augenblick wurden die Damen gemeldet, freude­

1 Haupt gegen die Dormeuse schmiegend. Sein Blick durch strahlend ging er ihnen entgegen, und er begrüßte die Gräfinnen

flog die lange Flucht der Gemächer. Er hatte niemals die Ab­

sicht gehabt, lange Witwer zu bleiben, jezt dachte er ernstlich daran, demnächst eine Hausfrau hier einzuführen.

Dönhof und Falkenau, Komtesse Elsa und Pater Cölestin .

Man begann die Gemächer der Reihe nach zu besichtigen. Reinthal war der liebenswürdigste und geistreichste Kustos,

liche Werbung war aber, da beide Teile gleichzeitig verwitweten, noch interessanter machten.

und hatte nicht vergeblich um ihre Gunst gebuhlt, eine öffent- dere seiner Kunstobjekte kleine Histörchen in Bereitschaft, die sie In den lezten Jahren hatte er in Helenens Fesseln gelegen den man sich denken kann, und er hielt für das eine oder an

fluß in seine Kombinationen zu ziehen, aber da ereignete sich nicht möglich gewesen. Er hatte bereits begonnen, diesen Ein­

Die Damen zeigten sich sehr befriedigt und des Bewunderns war kein Ende.