,, Wie, was! Der Reinthal will auch heiraten, das alte unsolide Haus! Sapristi, da ist es sicher eine der Jüngsten, auf die ers abgesehen hat."
"
,, Komtesse Elsa!" rief der geckenhafte Graf, diesmal mit einem keineswegs affektirten Erstaunen.
,, Aber das ist ja ein reizendes Geschöpf, eine veritable Schön heit; freilich nicht Vollblut, ein bürgerlicher Vater, aber was tuts, ich hätte mich vielleicht selbst dazu entschlossen, meiner Seel, ich wär imstande, um sie zu werben".
,, Das ist nun zu spät."
,, zu spät? Aber man weiß noch von keiner Verlobung." ,, Noch nicht, aber ihre Tante protegirt dieses Verhältnis." ,, So, die Falkenau protegirt das Verhältnis? Verstehe, er verkuppelt ihr den Sohn, und sie ihm dafür die kleine Nichte, service pour service".
Wie ein Seufzer drang es aus dem roten Gemache, oder wars ein Schluchzen?
Sie hat alles gehört, dachte er; das arme Kind hatte wohl nicht alles verstanden, aber sie wußte genug und er hatte seine Absicht erreicht.
Es drängte ihn jezt, den Komplizen, den er, wie einen dressirten Gimpel, eine gewünschte Melodie hatte pfeifen lassen, beiseite zu schieben, um alsbald wieder allein aufzutreten und die Szene zu dem gewünschten Abschluß zu bringen. Er nahm den Arm des Grafen in den seinen und führte ihn plaudernd hinweg und wieder in den Saal zurück.
In dem kleinen Zimmer war es stille, nichts regte sich. Nur die Töne einer ausgelassenen prickelnden Weise, die in Dissonanzen sich bewegte, klangen aus dem Saale herein.
Elsa riß sich plözlich empor, sie wollte fort, diesem Orte enteilen; sie hatte den Fuß vorgesezt, aber die Glieder waren schwer, sie versagten ihr den Dienst. So blieb sie einen Augenblick unbeweglich, wie versteint in ihrem Schmerz. Die in Weiß gekleidete Gestalt des Mädchens mit dem goldig blizenden Haar hob sich licht von dem dunkelroten Ton der Tamasttapete, und wie sie so dastand, den Oberkörper nach vorwärts geneigt, mit blassen Wangen, das Haar in Unordnung, die dunklen Augen, die der Schreck vergrößerte, auf einen Punkt geheftet, war sie von einer wunderbaren, wahrhaft phantastischen Schönheit. Jezt ballten sich ihre Hände, und ihr Körper war wie von Grauen geschüttelt.
Die Welt, in der sie lebte, hatte sich ihr enthüllt in ihrer ganzen Niedertracht und Erbärmlichkeit, und er, an dem sie ge= hangen, mit allem Vertrauen, mit aller Innigkeit, er war erbärmlich gleich den übrigen.
Und sie sah sich verraten und verkauft, und sie war allein, ohne Schuz, ohne Halt, sie fühlte sich untergehen.
Wieder sank sie in die Ottomane zurück und ihre Hände vergruben sich in dem Haargewoge ihres Hauptes. Kein Laut fam über ihre Lippen; nur hie und da zuckte ihr Körper nervös empor unter dem frivolen Staccato eines Offenbach 'schen Bacchanals.
Jezt wurde die schwere Portiere mit leiser Hand zurückgeschoben: Cölestin betrat das Gemach.
Er blieb an der Türe stehen, sein Blick sah mit inquisitori scher Strenge zu ihr hinüber.
und qual
Sie leidet, sagte er sich, aber auch ich leide voll. Aber im Schmerze liegt die Reinigung und so hat dieser Schmerz zugleich etwas Süßes.
In seinen dunklen Augen brannte es auf. Hoch und schlank, mit dem schönen blassen südlichen Antliz, voll Ausdruck und
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Willenskraft in jeder Muskel, glich er in diesem Augenblick jenen typischen Gestalten des Glaubensfanatismus, wie sie aus der Zeit der religiösen Kämpfe uns überliefert worden und wie sie nervöse Ueberreiztheit auch in unserer Zeit hervorbringt.
Auf dem weichen Teppich war sein Schritt unhörbar, er näherte sich ihr langsam.
" Elsa!" sagte er in einem tiefen vibrirenden Ton, cinem Mahnruf gleich.
Sie wandte den Kopf und sah erschreckt zu ihm auf. ,, Was wollen Sie von mir?"
, Sie hinwegführen aus einer Welt, in die Sie nie einen Blick hätten werfen sollen."
"
"
Warum hat man mich hierhergebracht?"
„ Es war eine beklagenswerte Eitelkeit. Ihre Jugend und Schönheit wollte man allen Augen preisgeben, und nun haben Sie die Begierde geweckt und das Verlangen. Man wünscht Sie zu befizen, und Sie kennen den Mann, der diesem Wunsche alien Nachdruck geben wird."
"
Aber ich will ihn nicht ich will fort!"
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Sie sah von Angst verwirrt um sich.
Er trat dicht an sie heran.
„ Dann ergreifen Sie die Hand eines Freundes, den kein weltliches Interesse, kein Eigennuz bestimmt, und befehlen Sie, wohin ich Sie zu bringen habe."
"
Verstört sah sie ihn an. Ich weiß es nicht," murmelte sie wie selbstverloren.
In dem Augenblick teilte sich abermals die Portiere und Gräfin Natalie trat gleichsam wie auf ein gegebenes Stichwort herein.
„ Mein Kind, flüchte zu uns, zu mir, die ich dich liebe!" Elsa stürzte ihr an den Hals, in Bedrängnis sie umflammernd. „ Großtante, bringe mich fort von hier, ich will sie nicht wiedersehen, nicht ihn, nicht den Baron, und auch Helene nicht." Tante Natalie drückte sie fest an sich.
„ Das sollst du auch nicht, du wirst bei mir allein Schuz finden, und niemand soll dir mehr zu nahe treten."
"
Aber sie suchen mich vielleicht, sie können im nächsten Augenblick hier sein."
Wir gehen sogleich.
Die Gräfin hatte ihren Arm um sie geschlungen und sah ihr zärtlich in das erregte Autliz.
„ Aber du bist so verstört, sasse dich; niemand soll dich in diesem Zustande sehen."
Sie wendete sich an Cölestin :„ Das nächste Zimmer hat einen Ausgang nach dem Korridor."
" Ich werde die Damen geleiten."
" Nicht doch, Sie bleiben zurück," entgegnete die Gräfin bittend,„ Sie werden die Güte haben und Helene benachrich tigen, daß ich Elsa für diese Nacht zu mir genommen, morgen wollen wir weiter darüber verhandeln."
Er verbeugte sich.„ Ich gehorche." Dann leiser:„ Ich komme wieder, seien Sie indes vorsichtig."
Einige Minuten später war der Wagen der Gräfin vor gefahren und sie hatte mit Elsa das Palais verlassen.
" Die Fürstin will dich morgen bei sich sehen," sagte Rein thal nach dem Souper zu seinem Sohn.„ Du hast sichtlich einen guten Eindruck auf sie gemacht."
"
„ Ich bedauere, dieser Einladung nicht Folge leisten zu können, entgegnete Arnold trocken, aber ich habe meiner Arbeiten wegen eine Exkursion zu machen, die mich einige Tage von Wien ferns halten wird."
( Fortsezung folgt.)