ihnen bei der ersten günstigen Gelegenheit sofort gebrochen. Wer wäre nun zu einem Vermittler zwischen beiden Teilen geeigneter gewesen als Luther  , den das Volk bewunderte und verehrte und der auch bei den Herrschaften das höchste Ansehen genoß. Von welchem Nachdruck mußte das Wort eines solchen Mannes bei ihnen sein! Und hatte er selbst doch im Jahre 1522 geschrieben: Das Volt ist aller Orten in Bewegung und hat die Augen offen; es will nicht, es kann nicht mehr sich unter­drücken lassen."

An ihn wandten sich denn auch die Bauern mit ihren zwölf Artikeln, in denen sie ihre zwölf Beschwerden zusammengefaßt hatten, nachdem ihre Unterhandlungen mit dem schwäbischen Bunde, der die Miene angenommen hatte, als wollte er zwischen den Herrschaften und den Bauerschaften in Oberschwaben   ver­mitteln, in nichts zerronnen war. Luther   sollte ihre Forderungen prüfen, und was nach seinem Urteile nicht mit dem Evangelium im Einklang stände, davon wollten sie gern lassen. Das Ver­trauen der Schwaben schmeichelte ihm; allein von den Volks­rechten wußte er wohl blos etwas aus den heidnischen Schrift­stellern. In Sachsen  , wo er lebte, seitdem er das Kloster ver­lassen hatte, war das Volk meistens ein slawischer Pöbel, in der Roheit der Leibeigenschaft aufgewachsen, der zuweilen in die grausamsten Gewalttaten gegen die Zwingherren ausbrach. Von den Rechten der Gemeinfreien in den fränkischen und schwäbischen Stämmen, die wenigstens ebensowohl begründet waren, als die Herrenrechte, wußte er nichts. Ohne deutliche Einsicht in das politische Leben, erschien ihm als Recht das Be stehende, weil es nur durch die Fügung Gottes sich gebildet haben founte. Zwar sprach er gerne von der deutschen Nation und trug hohe Wünsche für sie im Herzen, aber was seinem Baterlande Not tat, das wußte er nicht. So blieb er denn auch jezt allein sich und seinem edlen aber auch heftigen und für alle Eindrücke reizbar empfänglichen Gemüte überlassen.

179

Entschlossen, seines Schiedsrichteramtes unparteiisch zu wal­ten, schrieb er im März 1525 seine Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben," worin er zunächst die Fürsten   derb anredet: Erstlich, mögen wir niemand auf Erden danken solchen Unrats und Aufruhrs, denn euch Fürsten   und Herren, sonderlich euch blinden Bischöfen, tollen Pfaffen und Mönchen, die ihr noch heutigen Tags ver­ſtockt, nicht aufhört zu toben und zu wüten wider das heilige Evangelium, ob ihr gleich wisset, daß es recht ist und auch nicht widerlegen könnt. Dazu im weltlichen Regiment nicht mehr tut, denn daß ihr schindet und schazet, Euren Pracht und Hochmut zu führen, bis das der arme Mann nicht kann noch mag länger ertragen."

Dann rechtfertigt er sich, daß nicht seine, sondern die Lehren der Mordpropheten" den Aufruhr entzündet hätten, und er mahnt die Fürsten  , diesen gar nicht gering zu achten und daß sie aus Furcht vor dem Zorne Gottes die Sache mit Güte bei­zulegen suchen sollten. Obgleich sich in den zwölf Artikeln mehr Eigennuz der Bauern als Liebe zu dem Evangelium ausspreche, so erschienen sie doch meistens ganz billig. als mit Leibfall, Aufsäz u. dgl. sind ja auch billig und recht. Denn die Oberkeit ist In den Untertanen suche, sondern Nuz und das Beste auſchaffe

bei den Untertanen."

so wäre es schon gegen das natürliche Recht, Richter in eigener Sache sein zu wollen, was sie sich aber anmaßten, indem sie selbst die Nache über sich nähmen. Jede Widersezung gegen unrechtmäßige Beeinträchtigung sei gegen das christliche Recht, denn Christus gebiete, sich derselben geduldig zu unterwerfen. ,, Darum sage ich abermal: ich lasse cure Sache seyn, wie gut und recht sie seyn kann; weil ihr aber selbst wollt verteidigen und nicht Gewalt und Unrecht leiden, möget ihr tun und lassen was euch Gott nicht wehrt. Aber den christlichen Namen, sage ich, den laßt stehen und macht den nicht zum Schanddeckel eures ungeduldigen, unfriedlichen, unchristlichen Fürnehmens u. s. w." Wollte keine Partei zum Frieden sich fügen, so würde es wahr­scheinlich nach dem Weltlauf ergehen, daß Gott einen Buben mit dem andern straft."

Den zwölf Artikeln selbst gegenüber befindet er sich offenbar in Verlegenheit; denn er versteht von deren Forderungen so gut wie nichts und gesteht auch von den meisten zu, daß ihm kein Urteil zukomme, weil er fein Rechtsgelehrter sei. Den ersten Artikel, welcher für die Gemeinde das Recht verlangt, sich ihren Pfarrer selbst zu wählen und ihn wieder abzusezen, wenn er sich ungebührlich hielte, gibt er zu, doch solle die Gemeinde zuvor ihre Obrigkeit um einen guten Geistlichen bitten. Den zweiten Artikel, worin die Bauern sich erbieten, den großen Zehnten ihrem Pfarrer zu entrichten, den kleinen aber weder Geistlichen noch Weltlichen geben wollen, verwirft er, weil er der Obrigkeit das Ihrige entreiße. Ebenso den dritten Artikel, welcher die Aufhebung der Leibeigenschaft fordert, weil der Leib­eigene kein Recht habe, seinen Leib dem Herren zu entziehen.

Zum Schlusse gibt er den Rat, daß man aus dem Adel etliche Grafen und Herren, aus den Städten etliche Ratsherren erwählte, und die Sachen ließ freundlicher Weise handeln, daß ihr Herren euren steifen Mut herunter ließet, welchen ihr doch zulezt müsset lassen; ihr wollet oder wollet nicht, und weicht von eurer Tyrannei und Unterdrückung, daß der arme Mann

auch Luft und Raum gewinne zum Leben. Wiederum, ihr

Bauern solltet euch weisen lassen, etliche Artikel, die zu hoch greifen, übergeben und fahren lassen, auf daß also die Sache, ob sie nicht mag in christlicher Weise gehandelt werden, doch nach menschlichem Rechte und Vertrage gestillt würde."

Mit der Vermittlung mochte es Luther   wohl Ernst sein, aber die Schrift mußte wirkungslos bleiben; denn sie widerlegte

weder vollständig, noch erklärte sie die Artikel, sondern beseitigte sie eigentlich. Dazu kam, daß sie das Schiedsgericht, welches die Sache in die Hand nehmen sollte, nicht genauer bezeichnete und nachdrücklicher hervorhob. Daß Luther   aber indirekt die Billigkeit der Forderungen der Bauern zugab, erhöhte den Mut dieser nicht wenig. Indessen verkehrte die Tat von Weinsberg  , von der Luther   einige Tage darauf erfuhr, seine wohlwollende

Gesinnung gegen die Bauern in Gift und Galle  .

Der Truchseß Georg von Waldburg  , der inzwischen als

Feldherr des schwäbischen Bundes die Feindseligkeiten gegen die

Bauern begonnen, hatte in Südschwaben über die Aufständischen ein furchtbares Blutgericht gehalten. Aus Rache dafür und weil Graf Ludwig von Helfenstein   die Bauern, die an Weins­ berg  

vorbeigezogen, im Rücken anfiel, während er mit ihnen unterhandelte, stürmten diese Weinsberg   und jagten den Grafen sammt dreizehn mit ihm gefangenen Herren vom Adel durch

die Spieße. Es war dies eine alte Strafe derjenigen, die gegen die Ehre gehandelt hatten; jedoch fand sie nur auf

Knechte Anwendung. Luther  , ohne sich darum zu kümmern, wodurch die Bauern zu dieser blutigen Tat aufgereizt sein

die mordischen und räuberischen Rotten der Bauern." Die Bauern hätten das Evangelium nur zum Schein vorgewendet und sich Darum soll sie

Mit den Bauern redet er sanfter: Ihr habt bisher ver­nommen, lieben Freunde, daß ich bekenne, es sei leider allzu­wahr, daß die Fürsten   und Herren, so das Evangelium zu ver­breiten verbieten und die Leute so unträglich beschweren, wohl mochten, ließ nun eine wutschnaubende Schrift ausgehen:" Wider verdient haben, daß sie Gott vom Stuhl stürze, als die wider Gott und Menschen sich hochlich versündigen. Sie haben auch fürzusehen, das ihr euer Sachen mit gutem Gewissen und Recht zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich wer feine Entschuldigung. Aber nicht weniger ist euch auch wohl durch den Aufruhr bereits rechtslos gemacht. fürnehmt." Sie sollten nicht Rottengeistern ihr Ohr leihen, sondern auf seinen getreuen Rat hören. Sie rühmten sich mit lischeres sein kann, denn ein aufrührerischer Mensch. Gleich Unrecht nach dem Evangelium zu handeln; denn dieses verbiete wie man einen Hund totschlagen muß." Wenn die Obrigkeit den Aufruhr gegen die Obrigkeit, und wann diese auch böse sei, sogleich zur Gewalt greifen wolle, so sei sie im vollen Rechte,

da kann, und gedenken, daß nichts giftigeres, schädlicheres, teuf­