doch sei den evangelischen Herrschaften zu raten, daß sie sich zum Ueberfluß zuerst zu Recht und Vergleich erbieten, und wann diese nichts fruchten, sogleich zum Schwerte   greifen sollten. Die Obrigkeit, welche zaudere, mache sich selbst der Begünstigung des Aufruhrs schuldig, wer auf ihrer Seite falle, sei ein Mär tyrer. Nur die seien zu verschonen, welche zur Teilnahme am Frevel gezwungen worden; deren Sünde falle auf ihre Dränger. Darum, liebe Herren, loset sie, rettet sie, erbarmt euch der armen Brut. Steche, schlage, würge sie, wer da kann. Bleibst du darüber tot, wohl dir, heiligeren Tod kannst du nimmermehr

überkommen."

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derartig beschwert sah, daß es dieser nicht länger mehr ertragen fonnte noch wollte, und vollends als nun die Empörung in ganz Deutschland   einhellig emporloderte. Wenn er dennoch bei seinem Widerspruche beharrte, so läßt sich dieser Mangel an Logit, an Folgerichtigkeit nur daraus erklären, daß er einmal seine Wider­sacher auf religiösem Gebiete, Münzer, Pfeiffer, Karlstadt   u. s. w., aus seiner eigenen Behauptung von dem Christenrecht der Em­pörung gegen die geistliche Herrschaft den Schluß ziehen und auf Seite der Empörten stehen sah dann auch, daß er es persönlich mit den weltlichen Fürsten nicht verderben wollte, weil er von ihnen das Gelingen seiner Kirchenverbesserung erwartete. Auf die Bibel konnte Luther   sich nicht stüzen; denn in ihr ist überall nur von dem Kaiser die Rede und dessen obrigkeitlichen Beamten. Den Kaiser aber hatte weder Sickingen noch Hutten beseitigen wollen, noch wollten es die religiösen und politischen Bewegungsmänner des Jahres 1525. Es wurde im Gegenteil überall von ihnen hervorgehoben, daß man seine Macht stärken und nur die zahllosen Fürsten, die sie schwächten und ihr Herr

sich nun auch die Bauern einem Schiedsgericht willig unter worfen, so gab es doch unter ihren Forderungen einen Punkt, indem sie nie und nimmer nachgegeben hätten, und gerade diesen Punkt erklärte Luther   in seiner Beantwortung als ganz und gar ungerechtfertigt und im Widerspruche mit dem Evangelium. Dieser Punkt hätte daher unter allen Umständen zu einem Bruche zwischen ihm und den Bauern geführt. Denn daß Luther   bei seiner Halsstarrigkeit je nachgegeben hätte, wo es sich um seine Auffassung des Evangeliums handelte, der Fall ist nie dagewesen.

Die lieben Herren" befolgten denn auch getreulich seinen Rat, nachdem Georg von Waldburg   den Aufstand niedergeworfen hatte. Der Henker in seinem Gefolge tat allerwärts gräßliche Arbeit. Empört über dieses blutgierige Wüten der Sieger, kehrten sich jezt aber fast alle Stimmen der Gemäßigten unter den Lutheranern und Katoliken gegen Luther  , der vollends die Fassung verlor, als selbst der mansfeldische Kanzler, Kaspar Müller, ihn wegen seiner Unbarmherzigkeit angriff. Die erscherrecht sich angemaßt, usurpirt hatten, beseitigen wollte. Hätten bitterte Verantwortung Luthers   ist so voller Widersprüche, daß es unverständlich bleibt, wie er die Bauern eigentlich behandelt wissen will. Er verwirft nicht nur jedes Erbarmen mit den Bauern, sondern will sogar diejenigen gestraft wissen, welche Barmherzigkeit für sie verlangen. Denn wer sich also der Aufrührischen annimmt, gibt genugsam zu verstehen, daß wo er Raum und Zeit hätte, auch Unglück anrichte, wie ers im Herzen beschlossen hatte. Darum soll die Obrigkeit solchem auf die Haube greifen, daß sie das Maul zuhalten und merken, daß Ernst sei. Wer Gottes Wort nicht will hören mit der Güte, der muß den Henker hören auf der Schärfe. Hätte man meinen Rat am ersten gefolgt, da dieser Aufruhr ansing, und flugs einen Bauern oder hundert daran gewagt und auf die Köpfe geschlagen, daß sich die anderen daran gestoßen hätten, und hätte sie so nicht überhand nehmen lassen, so hätte man damit viel tausend erhalten. Das wäre nötige Barmherzigkeit gewesen mit geringem Zorne." Zwar will er mit den Blut­hunden", welche nach gewonnener Schlacht noch wüten, nichts gemein haben, spricht es aber doch unumwunden aus: gut wäre das Ereignis für die Bauern, damit sie Gott danken lernten, wenn sie eine Kuh geben müßten, auf daß sie die anderen in Frieden genießen könnten; und für die Fürsten  , damit sie er kennen lernten, was hinter dem Pöbel stecke, der nur mit Gewalt

regiert werden könne.

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Man hat dieser fürchterlichen Leidenschaftlichkeit gegenüber wohl entschuldigend darauf hingewiesen, daß sie immerhin ein Beweis der ungeheuren Kraft sei, ohne welche Luther   die Resor mation nicht hätte beginnen und durchführen können. Ein Irrtum ist es aber, wenn man die Schuld des Bruches mit den Bauern auf die unglückselige Tat zu Weinsberg   schiebt. Sie hat nur

Dieser Punkt war die Leibeigenschaft. Luther   hatte den Bauern geantwortet: Die Leibeigenschaft aufheben wollen, wäre ein Artikel stark wider das Evangelium und räuberisch, weil damit jeder seinen Leib, welcher eigen worden, seinem Herrn nehme. Abraham und die Patriarchen haben auch Leibeigene gehabt und Paulus   spreche, Gal. 4, daß in Christo Herr und Knecht ein Ding sei." Die Meinung des Apostels war aber gerade das Gegenteil von dem, was Luther   herauslas. Paulus  verwarf Priester und Priesterherrschaft und Aristokratie und nach ihm ging die reine Lehre Christi darauf, die Welt frei zu machen von den Sünden, in deren Banden er sie gefangen sah, alle als Kinder eines Vaters und als Brüder und und einen neuen Bund menschlicher Seelen zu stiften, darin Schwestern sich erbarmten. Wie war damit die Leibeigen schaft vereinbar? Wie mit dem, was Paulus an die Corinther ( I. 7, 21) schreibt: Bist du ein Knecht berufen, sorge dir nicht; doch kannst du frei werden, so brauche deß viel

die

lieber." Dem Christentum, welches bei seinem Erscheinen Sklaverei vorfand, ist die Freiheit ein allgemeines Menschen recht, ein Gemeingut aller nach dem Bilde Gottes Geschaffenen. jäh herbeigeführt, was von vornherein unvermeidlich war. Man Darum sagte Gregor der Große  , welcher von 590 bis 604 auf

erwäge nur sein Antwortschreiben an die Herren und Bauern auf die zwölf Artifel! Luther   erscheint darin in demselben Wider­spruche mit sich selbst, wie auf religiösem Gebiete gegen Karl­ stadt   und Münzer. Bestritt er diesen das Recht der freien Forschung und brachte er dadurch die Reformation zu einem jahrhundertelangen Stillstand, che sie abgeschlossen war, so er­

dem päbstlichen Stuhle saß: Gleich wie unser Erlöser, der Herr der ganzen Natur, die menschliche Natur angenommen hat, um uns aus der Bande der Knechtschaft zu erlösen und uns die ursprüngliche Freiheit zu schenken: so geziemt es sich auch, die Menschen, welche von Natur frei, aber durch das Völker flärte er auf politischem Gebiete zwar die Empörung gegen die lassung in den Zustand der ursprünglichen Freiheit zurückzu recht unter das Joch der Knechtschaft gekommen sind, durch Los­

päpstlichen Unterdrücker des Volkes nicht nur für erlaubt, son­dern auch für geboten und hezte selbst, wie wir gesehen haben, in der energischsten Weise gegen sie auf; aber gegen die welt­

lichen Fürsten und Herren forderte er von dem Volke den unver

versezen."

Gewiß, Luther   war ein gewaltiger Mann, und das Recht der freien Forschung und Prüfung, das er erkämpfte, wird sein unsterbliches Verdienst bleiben. Wenn aber die Einseitigkeit,

brüchlichsten Gehorsam, selbst dann, wenn es von ihnen wider Halsstarrigkeit und Leidenschaftlichkeit, mit denen er sein Ziel

lichen Fürsten geboren und zum Mann geworden. Hatte er

verfolgte, ihn Bedeutendes erreichen ließen, so brachten sie ihn

der Fall war. Die Folgerung daraus führte denn auch in der doch durch die Trübung seines Blickes um den vollen Erfolg Reformation zu der Ausstellung des Sazes von dem Gottes seines Strebens. Er war eben mehr Gefühls- als Verstandes­gnadentum der Herrscher. Luther   selbst war unter einem welt- mensch. Erklären sich daraus die revolutionären Anwandlungen seiner ersten Zeit, so erstand ihm aus der mystischen Richtung, bisher vielleicht keine Veranlassung gehabt, über das Untertänig die sein Gefühlsleben im Kloster genommen hatte, die Schranke feitsverhältnis nachzudenken, so war er doch jezt dazu aufgefor- seiner religiösen Erkenntnis. Diese Mystik ließ ihn die Zweifel, die ihm bei seinen religiösen Forschungen aufstiegen, als Ver

dert, als er, nach seinem eigenen Worte, den gemeinen Mann