Stimmung brachte. Elsa sah durch die Scheiben hinaus auf diese Ruhe in der Natur, die sich ihr in den wechselnden Bildern offenbarte.
Auch Cölestin blickte gegen das Fenster; seine Augen mußten dem Profil Elsas begegnen, das sich so fein und edel von der fahlen Helle des Fensters abhob, und sie hafteten auf dem goldigen Gewoge ihres Haares, das unter dem dunklen, sammtgebordeten Reisehut hervorquoll und ihm wie eine Glorie er schien. Was ging in ihrer Seele vor, was fühlte, was dachte sie? Rang sie sich durch zur Klarheit, zum Glauben? Er glaubte nachempfinden zu können was sie empfand; die geheimnisvollen Schauer, die sie erfaßt hatten, durchwogten auch ihn, und voll von dieser seelischen Gemeinschaft gewannen seine überreizten Nerven auch für das physische ein erhöhtes Anempfindungsvermögen. Er fühlte das Schlagen ihrer Pulse, er atmete den Parfüm ihres Haares, ihrer Kleider, er fühlte den Hauch ihres Mundes, und er gedachte in Dual und Seligkeit des Augen blicks, wo sich ihre Schönheit ihm so nahe enthüllt hatte.
Der Zug hielt. Es war die Mittagsstation. Man brachte das telegraphisch bestellte Diner, auf filbernen Platten servirt, in das Coupé. Und wieder weiter raste der Zug. Keiner von den dreien zeigte besondere Eßlust, auch der Wein wurde nur gekostet, und auf der nächsten Station nahm der Konduktcur die vollen Schüsseln zurück.
Es war fünf Uhr als man, in Solenbad angekommen, den Zug verließ.
Von der Station aus hatte man noch eine Stunde zu fahren, ehe Dorf Obergau und die Villa der Gräfin erreicht war. Man fand keine Mietwagen vor, und mußte daher in die Restauration treten und warten, bis solche acquirirt waren.
Indes floß der Regen unaufhaltsam und in immer gleicher Heftigkeit hernieder, und der Restaurateur, der die Gräfin kannte und sich soeben nach ihrem Befinden und ihren Bedürfnissen erfundigt hatte, klagte, daß das Regenwetter hier im Gebirge num schon seit Wochen anhalte und daß zu fürchten sei, daß dies im Verein mit dem raschen Schmelzen des Schnees, der in den Bergen liege, Lavinenstürze und Wassergefahr mit sich bringen fönne. Der Fluß sei schon jezt so hoch gestiegen, daß jede Minute sein Austreten zu gewärtigen sei.
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Wir müssen aber die Brücke passiren, um nach meiner Villa zu kommen," sagte die Gräfin geängstigt.
„ Gräfliche Gnaden würden besser tun, wenn Sie ani diesseitigen Ufer weiter führen und erst in Obergau die Brücke passirten, die hat festere Pfeiler."
„ Aber das ist ein Umweg, und ich möchte noch bei Tag nach Hause kommen."
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Aber auch Cöleſtin war der Meinung des Reſtaurateurs,
und die Gräfin ordnete sich derselben unter.
Die Wagen fuhren vor. Als Cölestin der Gräfin den Arm bot, um sie an den Wagen zu führen, flüsterte er ihr zu, indem er einen flüchtigen Blick auf Elsa warf, die langsam, fast zögernd sich erhoben hatte:" Sie ist blaß und niedergeschlagen, wir haben keine Zeit zu verlieren." Die Gräfin nickte.„ Es ist bestimmt, morgen mit dem frühesten, ich fürchte nur, daß es in Solenbad enormes Aufsehen erregen wird."
„ Es wäre am besten, wir suchten eine einsame Pfarre, wo die Handlung in aller Stille vor sich gehen könnte, wissen Sie eine solche, Gräfin?"
" Lassen Sie mich darüber nachdenken," flüsterte sie. Cö lestin half der Gräfin und Elsa in den Wagen, und nahm dann auf dem Rücksiz Plaz.
Die beiden Zofen sezten sich in das zweite Wägelchen, auf welches auch die Koffer geladen wurden. Es zeigte sich bald, daß die Pferde durch den tiefen Kot und die stehenden Tümpel und ausgedehnten Wasserlachen mur langsam vorwärts fonnten. Hätte ich nur meinen Wagen, meine Pferde hier," rief die Gräfin voll Unmut und Ungeduld,„ mit dem miserablen Fuhrwerk können wir, was Gott verhüten wolle, noch einen Unfall haben."
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Cölestin bemühte sich nicht, sie zu beruhigen.
Seine Augen suchten denen Elsas zu begegnen, er spähte nach einer Kundgebung in den ihrigen, seis Anteil, seis Furcht und Beklemmung.
Sie blieben gesenkt, sie vermied es beharrlich, den seinigen zu begegnen, und bis auf einige nichtssagende Worte hatte sie es auch vermieden mit ihm zu sprechen. Sie fürchtete sich also vor ihm? Sie fühlte jene Macht, die er seit gestern auf sie übte, und sie wehrte sich dagegen. Er aber dachte nur daran, sie zu befestigen. Er hütete sie bereits wie einen Schaz, auf den man ein heiliges Anrecht besizt, der einem nimmer ents rissen werden darf.
Der Wagen fuhr so rasch, als es der schlechte Weg nur gestatten wollte. Jezt wurde ein starkes Rauschen hörbar, das tosend anwuchs. Es war der Fluß, dessen schmuziges Wasser in breiten, hochgehenden Wogen daher schoß und mächtige Baumſtämme und Sträucher und sonst noch die verschiedensten Bes standteile mit sich führte. Die Gräfin ließ das Fenster hinab und beugte sich hinaus. Die Fahrstraße führte knapp am Fluffe vorüber, an dessen Seite sie durch eine hölzerne Barriere ge schüzt war, auf der anderen erhoben sich jähaufsteigende Ge birgsmassen. In Fällen kam das Wasser auch von da oben, von den steilen Wänden herab, überflutete in weißem Gischt den Weg, und stürzte in das Flußbett hinunter.
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„ Der Kutscher soll langsamer fahren," rief sie nun „ der Weg ist ja höchst gefährlich, und sehen Sie wie hoch der Fluß ist, und dieser Wogenschwall. Sie schrie laut auf. Gin mächtiger Balken kam herunter geschwommen, vielmehr geflogen, er ward an einen Felsen angeschleudert, der mitten im Fluffe
stand, und zerschellte in tausend Stücke.
" Gott sei uns gnädig, diese Gewalt des Waffers ist ent sezlich! Wie gut, daß wir nicht über die hölzerne Brücke ge fahren sind, es wäre unmöglich gewesen, aber in Obergau haben
wir eine steinerne, die ist sicher."
In dem Augenblick hielt der Wagen mit einem jähen Rud. " Was gibts, was ist geschehen?" rief sie, voll Schred in
die Höhe fahrend.
Zugleich konnte man die sonoren Stimmen mehrerer Männer
vernehmen, die wirr durcheinander sprachen.
die Pferde vor.
( Fortsezung folgt.)
Ueberlebsel.
( Niesformeln. Opfergebräuche.- Liebesorakel.- Spiele.- Ueberlebsel bei den herrschenden Klaffen.) Von Max Valentin .
( Schluß.)
und geistige Vorstellungsweise beide sich erhalten haben, wenn auch schwach und blaß auf Ueberreste alter Opfer.
Wir wollen jezt auf einige Sitten hinweisen, wo Handlung lichen Zivilisation ergossen, aber unter der Oberfläche fühlt man
doch jezt noch die alte Strömung, wenn auch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt schwächer." Wie bei Gewittern die heidnischen Im großen und ganzen ist es richtig, daß die Opfer mit Preußen dem Donnergott Perkunos eine Speckseite opferten, fo dem Erlöschen des heidnischen Kultes ausgestorben sind. Unsere trug vor zweihundert Jahren der preußische Bauer mit ent ganze alte Kultur hat sich gleichsam in den Strom der christ- blößtem Haupte eine Speckseite auf seinen Ader und rief: