und Schiller, wie für die deutschen   Romantiker, in ihrem Lande Propaganda; andere führten Byron daselbst ein. Der ganze Zeitraum von Kantemir bis Shukowsky läßt sich mit unserer Literatur vor Klopstock  , bezw. bis zum Auftreten Lessings ver­gleichen*).

Die ersten russischen Dichter im eigentlichen Sinne des Wortes waren Puschkin  ( 1799-1837) und Lermontow  ( 1812-1841). Auf beide werden wir in der N. W.  " später genauer eingehen. Wir wenden uns daher sogleich zu dem dritten, den beiden vorgenannten kongenialen Dichter Ruß­ lands  , dessen Stern am 3. September 1883 erloschen ist, zu Turgenjew  .

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Iwan Sergejewitsch( Johann, Sohn des Sergius) Turgenjew  , aus einer alten, national- russisch gesinnten Bojarenfamilie stammend, wurde am 9. Novbr.( nach russischer Beitrechnung 28. Oktober) 1818 in der reizend an der Oka ge= legenen Gouvernementsstadt Orel geboren. Seine erste Jugend­und Knabenzeit verlebte er auf dem Lande, sodann bezog er die Hochschulen zu Moskau   und Petersburg  , kam 1840 als Student nach Berlin  , besonders um sich auf dem Gebiete der Geschichte und Philosophie weiter auszubilden, kehrte sodann nach Petersburg   zurück und trat 1843 als Beamter in das Ministerium des Innern ein. Schon damals hatte sich Tur­ genjew   schriftstellerisch hervorgetan. Die Skizzen, die er in der ersten Zeit nach seiner Heimkehr in einer Zeitschrift ver­öffentlichte:" Kapitel aus dem Tagebuch eines Jägers," ge­hören zu dem besten, was er überhaupt geschrieber, und sie wurden in ganz Rußland   mit Begier verschlungen. Völlig neu waren in ihnen die herrlichen Schilderungen der Natur zur Tages- und Nachtzeit, im Winter- und Sommerkleid, einer Natur, wie sie eben nur das Jägerauge schaut. Eigentümlicher noch und ergreifender waren die Beziehungen, in welche diese Natur mit den Vorgängen im Menschenherzen gesezt wurde. Der begeisterte Beifall, den dieses Erstlingswerk fand, veran laßte den Dichter, dem Staatsdienst gänzlich zu entsagen und Er schied 1846 sich fortan ganz der Dichtkunst zu widmen. Er schied 1846 von seinem Posten, begab sich in das Ausland, besonders lange hielt er sich in Frankreich  , Deutschland   und der Schweiz   auf,

und kehrte 1852 heim, wo die bekannte, liebenswürdige Hand der russischen Staatspolizei in sein Leben eingriff. Als die Kapitel aus dem Tagebuch eines Jägers, welche die Zensur bei ihrem Erscheinen als Zeitungsartikel merkwürdigerweise unbe anstandet gelassen hatte, in Buchform erschienen waren, war es

für zwei Jahre auf seine Güter im Innern von Rußland   ver

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schreibung der Natur eigentlich ausführlicher als bei der Schil­derung des Menschen. Und doch ist er in seinen Landschafts­bildern nie und nirgends ermüdend, sondern stets frisch und neu und fesselnd, weil er alle Phrasen, alles bloße Wortgeklingel haßt und nur malt, was er selber gesehen und empfunden hat. Und deshalb stehen ihm auch ganz eigene Ausdrücke, immer neue Vergleichungen und überraschende Wendungen zu Gebote. Er ist zu jeder Tages- und Nachtzeit draußen gewesen, er hat jeden Wind erprobt und jedes Wetter gekostet, stundenlang auf dem Rücken gelegen und nichts weiter getan als die Bildung der Wolken, den Wechsel des Sonnenlichts, das Geringel der Flußwellen, das Gaukeln der Libelle beobachtet, dem Singen der Vögel, dem Flüstern der Blätter, dem Säuseln der Lüfte ge lauscht. Darum versteht er es, wie kein anderer, so entzückende Naturbilder darzustellen, wundervolle Waldpartien, bei Sonnen­untergang oder im Nachtdunkel, die endlose, schweigende Steppe, das Sumpfnest im nebelgrauen Regentag, den duftenden Wiesen­grund im goldenen Julisonnenlicht und im Halbdunkel der Mondscheinnacht.

Aber noch in anderer Beziehung ist Turgenjews Dichtung national. Nicht nur die Natur, auch die Bevölkerung Ruß­ lands   spiegelt sich in seinen Erzählungen, die eine Naturgeschichte des russischen Volkes enthalten. Mit sichtlicher Vorliebe be handelt er den russischen Bauern und man empfängt einen wahr haft rührenden Eindruck, wenn man die Bekanntschaft dieser Bauern macht, dieser troz des geistigen und materiellen Druds eines weltlichen und kirchlichen Despotismus äußerst gutmütigen und geduldigen, genügsamen und bedürfnislosen, anstelligen und geschickten Menschen, der sich außerdem durch robuste Gesund­heit, unverwüstliche Kraft und so reiche Naturanlagen aus zeichnet, daß man fast alles aus ihm machen könnte. Bon offenem Verstande, instinktartiger Schlauheit, natürlichem Wiz und Humor, besizt er namentlich auch das, was man sonst nut dem Deutschen   zuzuschreiben pflegt: Gemüt in hohem Grade. ihm das Herz auf und er zeichnet sie mit Sympatie und Wohl­Die Bauern sind Turgenjews Lieblinge, ihnen gegenüber geht wollen.

Aber mit dem Verlassen der Volkskreise ist seine Feder in Ironie und Sarkasmus getaucht; denn er hat einen scharfen Blid für die Schwächen und Verkehrtheiten, Gebrechen und Lafter seiner Landsleute und er geißelt diese unerbittlich.

Groß ist

die Zahl der liderlichen, verkommenen Gutsbefizer und sonstigen zu spät, sie zu verbieten. An einem Aufsaz Turgenjews über In Edelleute dieses Schlages, die alle Zeugnis ablegen von der den furz vorher verstorbenen Dichter Gogol   holte man daher besonders ungünstigem Lichte erscheint bei dem Dichter der das Versäumte nach. Der Autor wurde eingesperrt und dann russische   Adel. Er zeigt uns denselben als ein sonderbares bannt. Nach dieser Zeit kehrte er seinem Vaterland den Rücken, vielseitige Bildung in der Regel nur ein leichter Lack ist, bet Gemisch von Blasirtheit und Roheit, dessen scheinbar so feme, um fast sein ganzes Leben hindurch im Auslande seinen Auf- wüste Leidenschaften verdeckt und sehr leicht bröckelt. Er zeigt Baden nieder, wo er sich, zwar unverheiratet, eine prächtige niedriger Stehenden im Staube friechen müssen, Verschwender uns aufgeblasene Zivilgenerale, Hohlköpfe, vor welchen alle Villa baute. Auch in Paris   nahm er öfter seinen Aufenthalt. fabelhafter Summen, feige Wüſtlinge, die vor der Schürze ihrer Seit seinem 23. Lebensjahr, wo er erstmals als Schrift Mätressen knien, Tyrannen und Wüteriche, die entweder ins

enthalt zu nehmen. Im Jahre 1863 ließ er sich in Baden­

steller aufgetreten, hat Turgenjew   eine erstaunliche Fruchtbarkeit entwickelt. Nicht weniger als alle drei großen Gebiete der Poesie sind von ihm betreten worden; erst das lyrische, dann

Zucht- oder ins Tollhaus gehören.

Turgenjew   ist ein aufrichtiger Freund des gemeinen Mannes, ein treuer Ritter der Schwachen und Einfältigen, der Unter­das epische und dramatische; jenes vorzugsweise in der Prosa- drückten und Unglücklichen. Darum stand er auch in der vor form des Romans und der Novelle. In ihr liegt des Dichters dersten Reihe derer, welche gegen das fluchwürdige Institut der

geistigend, gereichen seine Erzählungen ihrem Gehalt wie ihrer Form nach dem Novellenbuch der Weltliteratur zur höchsten

ein Land so prächtig, mit solcher Liebe geschildert worden, als

Pinsel hat er uns erst die Wälder und Steppen seines Landes

hatte die Freude, die Aufhebung desselben zu erleben.

et

Zierde. Obgleich der Dichter örtlich seinem Vaterland fern als Karafterzeichner, und seine Feder wird allen Ständen gleich So groß Turgenjew   als Naturmaler ist, ebenso groß ist er war, war seine Muse stets der Heimat zugekehrt. Selten ist gerecht, er mag Edelleute oder Leibeigene, Gutsherren oder Rußland von Turgenjew. Mit seinem glänzenden, seelenvollen senverkäufer und Händler mit Lumpenpapier sich zum Vorwurf Bauern, Verwalter und Kronbeamten, Jäger und Fischer, Sen entdeckt. Turgenjew   ist Meister poetischer Landschaftsmalerei, Originalen vor, in unübertrefflich karakteristischer Schärfe und die er mit besonderer Vorliebe fultivirt. Er ist bei der Be Präzision, so daß sie mit plastischer Lebendigkeit aus ihrem nehmen. Wo immer er eingreift, führt er uns eine Fülle von der Kunst, dessen geheimsten Falten bloßzulegen, seine ver

*) Siehe: Glagau, Die russische   Literatur.

nehmen.