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Hans Hafenfuß.

Eine Alltagsgeschichte aus der jüngsten Vergangenheit. Von Hans Eckart.

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Siegfried Bandmeyer und Kurt Stark sind heute Freunde auf Leben und Tod, vor wenigen Wochen jedoch konnten vor wenigen Wochen jedoch konnten sie sich noch absolut nicht leiden. Wenn Kurt Stark in den Laden trat, in welchem erster Kommis zu sein den ganzen Stolz Siegfried Bandmeyers ausmachte, so schnitt er rasch hinter­einander zwei grundverschiedene Grimassen, eine furchtbar Spöttische, diese galt dem ersten Kommis Siegfried Band­meyer und eine furchtbar verliebte, welche leztere an die Adresse der hübschesten Verkäuferin des ansehnlichen Weißwaaren­geschäfts Jakob Fink und Komp., des Fräulein Emmy Holder gerichtet war. Siegfried Bandmeyer seinerseits wurde immer puterrot, wenn er Kurt Starts kräftige Figur in der Laden­tür auftauchen und sich von ihm so überlegen über die Achsel weg gemessen sah, -er wurde rot, obzwar er eigentlich nicht die mindeste Ursache dazu hatte. Fräulein Emmy Holder da­gegen wurde gar nicht rot, der über die Maßen tecke Kurt mochte ihr noch so tief und noch so feurig in die schelmischen Augen schauen. Also noch vor wenigen Wochen war dem langen, schmalen, abgesehen von der durch lange Uebung und emsigste Bemühung angeeigneten fieberhaft behenden Kommistätigkeit recht linkischen Siegfried der flotte Student Stark der unangenehmste aller Käufer und, was angesichts dieser tiefgefühlten Tatsache geradezu zum Ausderhautfahren war, der am häufigsten wieder tehrende aller Geschäftsbesucher.

,, Liebes Fräulein Holder, fehlt Ihnen was?" fragte Herr. Bandmeyer teilnehmend milde.

,, Wahrhaftig, ich war so in Ihren Vortrag vertieft, mein bester Herr Bandwurm-

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Siegfried wurde schon wieder rot und Fräulein Emmy schien einen neuen, furchtbar heftigen Schmerzensanfall zu bekommen, denn beinahe wäre sie umgefallen und laut mußte sie schluchzen oder glucksen.

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,, Bitte, Bandmeyer," sagte Siegfried mit Nachdruck. Ah, Pardon! mein unglückliches Gedächtnis,- übrigens ich bin Mediziner im vierzehnten Semester, also in meiner Wissenschaft zuhause wie der geheimste aller Medizinalräte meine Diagnose inbezug auf das Leiden des Fräuleins ist auch schon fertig: flonische Reflexkrämpfe verbunden mit Dyspnoe,- sehr bedenklich! Nur gut, daß in meiner Person gleich ein gewiegter Mädchenarzt zur Hand ist-"

Dabei schritt der gewiegte Mädchenarzt im vierzehnten Se­mester eiligst auf das noch immer ihr Gesicht im Taschentuch vergrabende Fräulein Emmy zu und fuhr fort:

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,, Gegen solche Zufälle wendet man am besten Hautreize an, so 3. B.,"- dabei bückte er sich ganz außerordentlich rasch zu dem Fräulein nieder, was für einen Hautreiz er anwendete, konnte Siegfried Bandmeyer nicht sehen, denn der breite Rücken des Studenten raubte ihm völlig die Aussicht auf das Mädchen, -die Wirkung war aber eine wunderbare, Fräulein Emmy fuhr empor und schlug mit dem Taschentuch nach dem gewiegten

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Mädchenarzt, offenbar noch von den konischen oder komischen Krämpfen Krämpfen Siegfried konnte sich die gelehrte Bezeichnung des

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merkwürdigen Krampfanfalles nicht recht merken- beherrscht,

Siegfried Bandmeyer, der früher mit akademischen Bürgern wenig oder gar nicht in Berührung gekommen war, glaubte an diesem einen Exemplar so recht deutlich erkannt zu haben, wie entsezlich unpraktisch diese gelehrten verkehrten Leute, wie er mit einem Seitenblick auf Fräulein Emmy zu bemerken liebte, seien. Die mächtigen Vorteile des Einkaufens im Großen z. B. ver­mochte Kurt Start augenscheinlich niemals zu begreifen. Ja, jeine Erkenntnis machte in dieser Beziehung sogar die traurigsten Rückschritte. Als er zum erstenmal, vor ungefähr einem Viertel- ihr Arzt, folgte ihr dahin jahr,

noch auf einmal ein halbes Duzend Oberhemden, ein Duzend Stehkragen und ein halbes Duzend Manschetten gekauft. Als er acht Tage darauf wiederkehrte, kaufte er schon nicht mehr

von einem Profit für ihn wegen Engroskauss nicht mehr die

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- damit waren aber auch schon die Krämpfe völlig beseitigt, nur sehr angegriffen schien die hübsche Emmy noch, denn sie

zog sich eiligst in die äußerste Ladenecke zurück. Kurt Stark,

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er mußte von der vollständigen

fest überzeugt sein, denn er sprach garnicht mehr davon, sondern ging zu dem Geschäft über, das ihn hergeführt hatte.

Ich bitte um einen Stehkragen, liebstes Fräulein," sagte er. Siegfried Bandmeyer traute seinen Ohren nicht. Er glaubte, der Student habe sich versprochen und werde das einsehen, wenn er den einen Kragen empfange. Aber das geschah nicht,

- eine Operation, die eine merkwürdig

Siegfried Bandmeyer in beredtester Weise auseinandergesezt. Sturt Start nahm den Kragen in Empfang, zahlte die vierzig Anfänglich schien diese wohlmeinende Belehrung auch auf guten Pfennige, welche er kostete, in Fünfpfennigstücken der reizenden Boden zu fallen, denn Kurt Stark riß die Augen weit auf, Emmy in die Hand, rückte nahm und bei der zweimal eines der dabei: Hm, hm! Haha! Sehr richtig! Höchst überraschend! Schon den Fußboden hinabrollte, und ging, seine Blicke bedeutungsvoll eine Weile, dann schaute er nachdenklich bei Geite und machte kleinen Geldſtücke auf den Ladentisch fiel und von dieſem auf I am nächsten Tage war er wieder im Laden und trat sofort an

auf Emmys Antliz geheftet, zum Tempel hinaus, ohne sich um

Siegfried Bandmeyer heran, um diesen mit ausgesuchter Artig- Siegfried Bandmeyer auch nur zu kümmern. feit zu bitten, er möge seinen so überzeugenden und geistreichen

Fortan kam der gewiegte Mädchenarzt täglich in das Weiß­

Vortrag von gestern ihm gütigst heut noch einmal halten. Jezt waarengeschäft und bewies unserm Siegfried klärlichst, daß seine stieg Siegfried zum erstenmale die Röte ins Gesicht, welche Belehrung über möglichste Wirtschaftlichkeit beim Einkaufen dies­fortan immer wiederkehrte, sobald der Student an seinem Ho- mal auf den steinigsten Grund gefallen war, denn jezt kaufte er

rizonte von neuem auftauchte,

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er wußte mehrere Augenblicke

lang nicht, was er sagen sollte, da aber Kurt Start mit uner im übrigen für einen höchst hoffnungsvollen jungen Mann, leide schütterlichem Ernst ihn firirte und versicherte, er halte sich zwar nisse, so fing denn schließlich unser Siegfried wirklich wieder aber unglücklicherweise an einem merkwürdig schlechten Gedächt­

regelmäßig gar nur ein einziges Stück: ein Hemd, eine Kravatte, einen Kragen, ja einmal hörte ihn Siegfried sogar fragen, ob man denn wirklich gleich ein volles Paar Manschetten auf ein­mal faufen müsse, ihm würde augenblicklich eine schon genügen. Siegfried Bandmeyer war nun feineswegs so naiv, um auf die Dauer sich einzubilden, daß hinter dem Gebahren des

seine Belehrung von neuem an. Der Student rührte sich nicht, Studenten keine besondere Absicht, sondern nur kaufmännische

schaute aber immer zur Seite und

auch zum erstenmale auf

- das fiel Siegfried het

wo Fräulein Emmy Holder sich befand. Und diese

unausgesezt nach der Richtung hin, Siegfried

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Ungeschicklichkeit stecke. Dnein!

Es war klar, der abscheuliche Mensch hatte sich über ihn nur lustig gemacht und kam weniger wegen der Kragen und

blieb mitten in einem Saze stecken diese schien krank zu sein, Manschetten, als der hübschen, flotten Verkäuferin zuliebe. denn sie hatte ihr Taschentuch vors Gesicht gepreßt und wand sich wie von entsezensvollen Leibschmerzen geplagt.

Und das hieß doppelt und dreifach abscheulich an Siegfried Bandmeyer handeln.