Siegfried nämlich war für Emmys Reize auch nicht blind gewesen; er hatte sich sogar schon eine ganze Zeit lang mit dem fühnen Gedanken getragen, sie dereinst zu seinem ehelichen Weibe zu machen. Gesagt hatte er davon freilich keiner Menschenseele etwas, auch nicht die leiseste Andeutung gemacht. Aber ausgemalt hatte er sich die Sache schon in hochpoetischer Weise.
Zu Ostern übers Jahr war er aller menschlichen Berech nung nach ein gemachter Mann, indem ihm zu dieser Zeit als an seinem fünfundzwanzigsten Geburtstage ein kleines von einem alten Onkel hinterlassenes Kapital zufallen sollte. Damit wollte er sich selbständig machen und als selbständiger Weißwaaren händler brauchte er nicht nur eine gewandte und anziehende Verkäuferin, sondern auch eine Frau, zwei Posten, die offenbar sehr gut von einer und derselben Person ausgefüllt werden können. Wer war zu beiden geeigneter als Emmy? Er wußte sich nicht zu erinnern, jemals einem hierzu besser qualifizirten Wesen begegnet zu sein.
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Primawaare, in jeder Beziehung Prima, hatte er sich oft gesagt, wenn er Emmy oft so ausnehmend gewandt ihre Kunden bedienen und so reizend schelmisch lächeln sah.
Indes glaubte er vielzusehr Kaufmann zu sein, um sich so Hals über Kopf in bedenkliche und abenteuerliche Unternehmungen stürzen zu dürfen. Darum wollte er sich die Heiratssache erst noch reiflich überlegen, Emmy beobachten und prüfen und dann etwa zu Weihnachten übers Jahr, damit die Brautzeit nicht gar zu peinvoll lang würde, ihr seine Liebeserklärung machen.
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Gewiß, er, der erste Kommis von Jakob Fink u. Komp., mit den sichersten Aussichten auf ein gutes eigenes Geschäft wollte sich übers Jahr ihr, der mittellosen Verkäuferin, als Weihnachtsgeschenk darbieten. Konnte es etwas Sinnigeres, Junigeres, Minnigeres geben? Siegfried Bandmeyer beabsichtigte sich demnächst auch mit Gedichtemachen abzugeben und war gerade daran, sich aus den Werken mehrerer großen Vordichter eine Reimsammlung anzulegen, deren Krone bis jezt in eben diesem Sinnig, Innig, Minnig bestand.
Soweit war also alles im besten Gange und es hätte unserm plänekühnen Weißwaarensiegfried auch sicher nicht fehl gehen
können, wenn dieser abscheuliche, gewiegte Mädchenarzt Kurt Start nicht dazwischengekommen wäre. Aber der verdarb dem ersten Kommis von Jakob Fink u. Komp. die schöne Zeit der jungen heimlichen Liebe gründlich!
Nun hatte Emmy für ihren heimlich verliebten Vorgesezten weder Auge noch Ohr mehr. Ja, es fam sogar vor, daß, wenn
er sie manchmal melancholisch seufzend anschaute und auf die Schlechtigkeit der Welt, insbesondere der Studentenwelt, Andeutungen fallen ließ, sie ihm laut und lustig ins Gesicht lachte.
Auf diese Weise war sein Verhältnis zu der reizenden Ver
käuferin statt intimer, immer frostiger geworden und schließlich geſtand er sich ſeuſzend, daß er, wenn er sich nicht blamiren
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und sehnsüchtiger an Emmy zu denken, da ertappte er sie cincs Abends dabei, wie sie nach Geschäftsschluß an der nächsten Straßenecke sich einer dort in tiefem Schatten harrenden Mannes gestalt an den Arm hing und, ihr Köpfchen zärtlich an die Schulter derselben lehnend, sich davonführen ließ.
Siegfried kannte die Gestalt, und er kannte auch nur zu gut die Stimme, welche das Mädchen mit den Worten empfangen hatte:
„ Heut hast du mich aber lange auf Flanellwache gelassen, kleiner Schaz, du kannst dich wohl von dem melancholischen Bandwurm nicht trennen?"
„ Ja, denke dir nur, dieser Hans Hasenfuß scheint jezt wieder Mut zu kriegen, seit er dich nicht mehr sieht, Kurt, aber- lieber Nonne werden, als so einen hatte Emmy lachend geantwortet.
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"
Bandwurm?! Hans Hasenfuß?! Ha- das ging auf ihn. Nun war alles vorbei. Emmys Schicksal war besiegelt, sie konnte niemals, weder auf Erden noch im Himmel Weißwaarenhändlerin Bandmeyer werden!
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Frau
Siegfrieds Stimmung an diesem Abend war furchtbar. Und sie wäre wahrscheinlich auch furchtbar geblieben, wenn ihn nicht mit Allgewallt ein neuer großer Gedanke ergriffen hätte.
Dieser Gedanke lautete: Jezt mußt du dich erst recht ver loben, so rasch als möglich, und wenns nur irgend geht mit einer noch Hübscheren und vielleicht auch mit einer, die nicht ganz so arm ist, wie eine Kirchenmaus, dann könntest du dir am Ende gar gleich ein größeres Geschäft gründen und diese nichtsnuzige Emmy, wenn sie bis dahin ihren guten Ruf nicht ganz eingebüßt hat, als deine Verkäuferin engagiren wäre eine Rache groß und edel zugleich, werden!
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das
so muß es Das war der kühnste Gedanke, den Siegfried in seinem ganzen Leben gedacht hatte, und er hatte sich auch noch nie so start gefühlt, einen Gedanken auszuführen; freilich wußte et anfangs durchaus nicht, wie.
Aber er grübelte unausgesezt darüber nach
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früh und
spät, während des Tages und der Nacht. Er aß nicht mehr so riesig viel als früher und schlief nicht mehr so fest als sonst; er wurde bald entsezlich nervös und die Feder zitterte immer in seiner Hand, so zergrübelte er sein Hirn, wie er seinen gewaltigen Plan ausführen könne.
Endlich tagte es in seiner verdüsterten Seele. Eines Tages fam mit ihrer dicken Frau Mama ein nettes, rundes, fern gesundes Landpommeranzchen ins Geschäft und kaufte allerlei Weißzeug und plauderte dabei so ungenirt und zutraulich mit Siegfried, der die Damen höchst eigenhändig bediente, daß dem
langen Jüngling mit einemmale das Herz aufging.
Willig und freudig, wie kaum je zuvor, schleppte er
die
besten Zeuge herzu, schilderte gesprächig und lebhaft die Eigen schaften der Waare, ohne zu übertreiben und sezte schließlich
wolle, den Gedanken an eine treuewige Vereinigung mit Emmy die denkbar niedrigsten Preise an. am besten gleich ganz aufgebe.
Den Studenten aber hätte er vernichten können, und wenn
Die dicke Mama war eine ausgezeichnete Rennerin von allen Leinenwaaren, und auch die schmucke Tochter wußte ziem das mit feindseligen Gedanken und unhörbaren Racheschwüren lich in dem Fache Bescheid. Beide zeigten sich mit Stoffen
anginge, so wäre Kurt Stark längst eine Leiche gewesen. Da damit jedoch dem gehaßten Gegner auch nicht ein Haar ge
und Preisen höchlich zufrieden, und die Mama nickte sehr gnädig, als sie ging, indes das Töchterchen zutraulich und ein frümmt wurde, so geschah eben nichts weiter, als daß Siegfried flein wenig errötend dem tief komplimentirenden und die kleine Dame mit strahlenden Augen betrachtenden Kommis zunickte. Die oder keine, beschloß Siegfried Bandmeyer bei sich, als
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brandrot wurde im langen schmalen Antlize, wenn er des Andern Antliz erblickte, was täglich allermindestens einmal geschah und häufig öfter, denn Kurt Stark legte sich schließlich gar eine Sammlung von Hemdenknöpfchen an, die er nie in größeren Partien als zu drei Stück einkaufte, und mitunter hatte er die Dreistigkeit, sich Vormittags eins, Nachmittags noch eins und Abends das dritte Hemdenknöpfchen zu holen.
Das ward Siegfried Bandmeyer am Ende doch zu toll, und gerade hatte er sich zu dem Entschlusse aufgerafft, seinem Prinzipal Jakob Fink die unzweifelhaften Ursachen der werk
er die Tür hinter den Damen zumachte.
Und diesmal lächelte ihm von vornherein das Glück. Als er Abends noch ganz warm von der interessanten Be gegnung in der Stammkneipe einigen guten Bekannten eine glühende Schilderung entwarf von dem reizenden Wesen, das soeben seinen Lebenslauf gekreuzt habe, da lachte einer der Tisch
genossen hell auf und sagte:
„ Es wäre rein zum Totlachen, wenn die Fee, welche der tätigen Geschäftsfreundschaft des gewiegten Mädchenarztes zu Bandmeyer eben mit so did aufgetragenen Farben unserer Phan
enthüllen, da blieb dieser auf einmal ganz fort.
tasie vormalt, mein Bäschen vom Lande wäre-
ein kleines,
Siegfried begann aufzuatmen und schon wieder liebevoller dralles, ganz allerliebstes Ding freilich, aber doch gar nicht so