,, Wir werden für diese Nacht eine andere Unterkunft suchen." ,, Aber auf dieser Seite gibt es keine Hotels, keine Villen, nur Bauernhäuser." ,, Sie werden einmal vorlieb nehmen müssen, Frau Gräfin ," sagte er hart.
Sein Ton irritirte sie noch mehr. Fröstelnd zog sie den Mantel über ihre Schulter. ,, Mich friert und ich habe Hunger," rief sie in zorniger Wehflage ,,, wissen Sie, Hochwürden, daß ich heute noch so gut wie nichts gegessen habe!" Ihre Lage erschien ihr mit einemmale verzweifelt. Es konnte ihr geschehen, daß sie in dieser Nacht nicht in ihren eigenen, daß sie viel leicht in erbärmlich schlechten Bauernbetten schlafen mußte, und möglicherweise konnte sie ihren Hunger nur mit trockenem Brode stillen. Ein großes, heftiges Mitleid mit sich selbst überkam sie, und sie fing zu weinen an.
Cölestin hatte die Wagentür geöffnet und daran gelehnt, sprach er mit Elsa von der Notwendigkeit auszusteigen.
Die Zofen, die in dem rückwärtigen Wagen saßen, waren gleichfalls ausgestiegen und sie tamen nun gegen die Gräfin heran.
Ein kleiner, äußerst beweglicher Herr, der sich plaudernd von der einen zur andern wandte, ging in ihrer Mitte.
„ Gräfliche Gnaden, es ist der Herr Pfarrer," sagte die Kammerzofe, den hochwürdigen Herrn vorstellend.„ Es war ihm die Nachricht von der Abrutschung zugekommen, und er war herausgekommen um nachzusehen."
Der kleine Hochwürdige, der über das Geröll hinweggestolpert war, verbeugte sich steif und tief.
,, Hochgräfliche Gnaden, ich bin hoch erfreut, Sie in unseren Bergen zu sehen."
Troz ihres Zornes und ihrer Angst mußte sie lächeln.
Ich wollte, Hochwürden, ich wäre schon wieder draußen. Sie finden uns in der schlimmsten Verlegenheit, aber vielleicht vermag Ihr Rat uns darüber hinwegzuhelfen."
Sie erzählte ihm hastig, daß sie auf dem Wege nach ihrer Villa
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Cölestin meldete der Gräfin, daß sie einsteigen könne; er hatte die Einladung des Priesters vernommen, und er nickte ihm zu.
,, Die Frau Gräfin wird den liebenswürdigen Antrag mit der größten Dankbarkeit entgegennehmen," sagte er mit einer Bestimmtheit, die jeden Widerspruch abschnitt.
Sie sah ihn etwas erstaunt an. So viel sie in der starken Dämmerung unterscheiden konnte, leuchteten seine Augen in einem seltsamen Feuer.
,, Und Sie erkennen nicht die Fügung Gottes in alledem?" flüsterte er, und er drückte ihre Hand fest in der seinigen, wir suchen eine Pfarre an einem heimlich versteckten Ort, und einen Priester, der sich uns gefügig erzeigt, und nachdem wir, wie durch ein Wunder, dies alles gefunden, zögern Sie, die Gelegenheit zu ergreifen."
Die Gräfin war sprachlos vor Ueberraschung, fast wäre sie reumütig vor dem Pater auf die Knie gesunken.
Er hatte die wunderbare Fügung sofort erkannt, während sie war sie denn mit Blindheit geschlagen, daß sie das Einwirken einer höheren Macht nicht ahnte, nicht begriff?
Alles erschien ihr nun festgestellt, und wenn sich ihr jezt die Möglichkeit ergeben hätte, ihre Villa ohne jede Gefahr zu erreichen, sie hätte keinen Gebrauch davon gemacht.
Cölestin hatte den Damen in den Wagen geholfen und er lud nun auch den Pfarrer, mit dem ihn die Gräfin rasch be fannt gemacht hatte, ein, in den Wagen zu steigen. Er ſezte sich neben ihn. Der Kutscher hatte Befehl erhalten, nach dent Pfarrhause am See zu fahren. Die Gräfin atmete auf, als der Wagen sich in Bewegung sezte und bald darauf in ein
Seitental einlenkte.
Es war nun völlig Nacht geworden, an dem dunklen Firmament leuchteten vereinzelte Sterne auf.
,, Gott sei Dank," meinte der Pfarrer, der äußerst heiter und gesprächig sich zeigte ,,, das schlechte Wetter ist vorüber und wir werden morgen einen schönen Tag haben. Es ist die höchste sei, und suchte ihm die örtliche Lage derselben zu beschreiben. Zeit. So andauernde Frühjahrsregen richten bei uns großen ,, Kenne sie," versicherte mit dem lächelndsten Ausdruck Schaden an, am Plattenberg solls bös aussehen, und im Schiefer Hochwürden ,,, hatte die Ehre, Ihnen daselbst meine Aufwartung bruch hat gestern, am Samstag, ein Deckeneinsturz stattgefunden, zwei Arbeiter sind stark verlegt, einer ist tot."
,, Wie so?"
"
Frau Gräfin hatten die Huld und die Gnade, für den Altar unserer Kirche höchsteigenhändig ein Tuch zu sticken."
Jezt entsinne ich mich Ihrer," rief die Gräfin merklich erleichtert, daß sie sich unter dem Schuze einer landeskundigen
Persönlichkeit befand, die ihr verpflichtet war, aber das Zuch
war für die Pfarrkirche von Solenbad bestimmt."
,, Ganz recht, ich war im vorigen Jahr daselbst Kaplan, und bin nun seit zwei Monaten hier auf eigener Pfarre."
Die Gräfin griff nach beiden Händen des Pfarrers. Hoch würden," sagte sie feierlich ,,, wenn die Heiligen es fügen, daß wir glücklich dieser Situation entrinnen und noch vor Einbruch der Nacht eine befriedigende Unterkunft erreichen, so will ich abermals eine Altardecke sticken, und zwar für Ihre Kirche." Der kleine Pfarrer faltete schmunzelnd seine Händchen und sagte gerührt:
,, Aber das ist entsezlich!" rief die Gräfin.
Ja wohl, ja wohl," seufzte er, ohne daß indes der ge mütlich indolente Ausdruck seines Gesichts sich verändert hätte, es wäre übrigens fast zu wünschen, unser lieber Herrgott hätte die andern beiden auch gleich zu sich genommen. Was soll mit den armen Teufeln geschehen? Erwerbsunfähig sind sie auf jeden sorgen, da wären sie denn im Himmel am besten aufgehoben."
Elsa, die bisher so ruhig gesessen, machte ein Bewegung und legte sich tiefer in den Fond des Wagens zurück. Coleftin
beugte sich vor und erfaßte ihre Hand.
dämpften Ton, in dem inniges Mitgefühl sich aussprach. ,, Sie sind ermüdet, Komtesse?" flüsterte er in einem ges
als hätte sie nicht sofort die Kraft dazu gefunden, ihm einen " Ja," antwortete sie und sie entzog ihm die Hand, die fie,
Augenblick überlassen hatte.
"
,, Wir werden sehr bald an Ort und Stelle sein," ver fann ich Ihnen selbst diese Unterkunft für diese Nacht bieten. dann schon dafür gesorgt werden, daß die Damen all die nötige ,, Die Heiligen werden es sicherlich so fügen. Und Gottlob sicherte in freundlicher Beruhigung der Pfarrer, und es foll Gnädigste Gräfin," er verbeugte sich wieder, für mein ge- Bequemlichkeit und Erquickung finden, deren sie so dringend
ringes Haus wird es eine hohe Ehre sein, Sie empfangen zu dürfen."
bedürfen."
,, Aber Hochwürden, wir brauchen mindestens vier Zimmer, Felsentor in den Ort, und fuhr dann langsam den unebenen Eine Viertelstunde später rollte der Wagen durch eine Art holperigen Weg bis zum Pfarrhause, das zu den ersten Ge
und ich möchte Sie nicht gerne infommodiren."
,, Durchaus nicht; mein Pfarrhaus ist sehr geräumig, und außer den vier Zimmern kann ich Ihnen noch einen Salon zur Verfügung stellen."
bäuden des Drtes zählte.
Die Pfarrei war ein großes massiges Gebäude, das in dem armseligen Ort gleich einem ftattlichen Herrenfiz sich ausnahm,
,, In der Tat," rief die Gräfin erfreut und doch noch zögernd. mit dicken dunklen Steinmauern und zahlreichen vergitterten
Indes war Elsa aus dem Wagen gestiegen und dieser, bis zu einer breiteren Stelle zurückgeschoben, konnte nun gewendet
werden.
Fenstern, hinter denen kein Licht brannte.
Der Pfarrer sprang zuerst heraus und zog in heftiger Weife die Glocke. Bald darauf öffnete sich die Pforte, eine Magd