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einige Schritte über die weichen Matten, dann bleibt sie stehen, von ihrer inneren Bewegung gehemmt. Sie befindet sich vor der Villa; sie sieht hinauf nach dem Balkon steht er nicht oben? erwartet er sie nicht? Sie breitet die Arme aus, Vater! ruft sie. Ein Rauschen geht durch die noch kahlen Wipfel der Buchen und Ahorne, die in dichter Gruppe das Haus umgeben.
Im nächsten Augenblick springt sie den aufsteigenden Fußweg hinan, dem Felsen zu, an den der rückwärtige Winkel des Balfons sich lehnt, sie denkt nicht an die Treppe, die sie bequemer zu demselben führen würde, sie ergreift das Holzgeländer mit beiden Händen und steigt hinüber. Sie befindet sich auf der Gallerie, die das Haus von allen Seiten umgibt. Sie wendet sich der Vorderseite zu, auf der das volle Licht des Mondes ruht, unwillkürlich wirft sie einen Blick um sich tritt ihr der Vater nicht entgegen?- ach, nein- sie ist allein! Sie lehnt sich über die Brüstung und sicht hinaus in die Nacht. Nichts regt sich in dieser Dede.
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Und jezt in dieser tiefsten Abgeschiedenheit erfaßt sie plözlich wieder das Gefühl einer grenzenlosen Vereinsamung.
Ihre Hände greifen frampshaft ineinander.
So klammert sich der Mensch an sich selbst, wenn er sich losgelöst fühlt von all den übrigen seiner Gattung. Es ist die unbewußte, händeringende Geberde der Verzweiflung.
Da berührt ein leises Knarren ihr Dhr. Es ist ein langgedehnter Ton, unmittelbar hinter ihr.
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Blizschnell wendet sie sich um. Was ist das? Und wieder das ächzende Geräusch.
Sie bemerkt nun, daß die Balkontür nicht geschlossen ist, ein Windstoß dreht sie langsam und knarrend in ihren Angeln. Es macht sie bestürzt.
Das Haus war gerichtlich verschlossen worden; war jemand hier eingebrochen, oder hatte die Tür den Einflüssen von Wind und Wetter nachgegeben? Ihr Herz klopft heftig, aber eine plözliche Entschlossenheit springt darin auf. Sie öffnet die Tür vollends und steht an der Schwelle des Gemachs. Ein Mondstrahl stiehlt sich hinein, er vermag nichts zu erhellen. Zögernd hebt sich ihr Fuß, sie tritt ein.
Ein jäher Schreck, ein nervöses Zusammenfahren expreßt ihr einen Laut des Entsezens.
In dem Zimmer ihres Vaters ist Licht. Ein schmaler Lichtschimmer dringt in bestimmter Helle zwischen Tür und Diele hindurch.
Sie taumelt nach rückwärts, den Ausgang suchend. Da öffnet sich langsam die Tür und ein Mann tritt aus derselben.
Er hält einen angezündeten Armleuchter empor, sein Licht erfüllt das Gemach. Er hat den Ruf vernommen und er sieht nun diejenige vor sich, die ihn ausgestoßen hat. Rasch stellt er den Leuchter auf den Tisch, und im nächsten Augenblick befindet er sich an ihrer Seite.
( Fortsezung folgt.)
Die Dichter, jene bevorzugten Menschen, haben die schöne Aufgabe, die Gestaltungen der menschlichen Phantasie in edle und großartige Formen zu fassen und uns dadurch über das
Nüchterne und Alltägliche zu erheben. Sie verschaffen uns dadurch jene reinen und unvergleichlichen Genüsse des Geistes und des Herzens, die den Menschen so sehr veredeln und die uns den tröstlichen Blick in des weite Gebiet der Vervollkommnungsfähigkeit der gesammten Menschheit eröffnen. Die Dichtung eilt der Wirklichkeit unendlich weit voraus; sie zeigt uns in weiter Ferne die zu erstrebenden Ideale und spornt uns an, durch die heißen und harten Kämpfe des Daseins zu der sonnigen Höhe des Ideals vorzudringen. Wir schweben mit dem Flügelrosse des Poeten empor
,, Nach den höhern Regionen, Wo die reinen Formen wohnen", und von seinem erhabenen Stand herab läßt der Poet die bunte Schaar jener Gestalten vorüberziehen, mit denen er unsere Erscheinungswelt bevölkert. Zu Wasser und zu Land, in Feld und Wald, in Flur und Hain tummelt sich der fröhliche Reigen und zaubert uns immer neue Bilder vor. Die geheim wirkenden und waltenden Kräfte der Natur erscheinen uns in bald an
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passen, wie dem natürlichen Zustande des Landes, dem die Dich gionen herbeigeholt sind, so können sie in frischer Luft nicht tung selbst gehört. Wenn sie aus fremden und entfernten Regedeihen, sondern es geht ihnen wie exotischen Pflanzen, die
nur im Treibhaus weiter zu existiren vermögen.
Die Dichter sind gewohnt, sich viel Material zu ihren Ar beiten und Schöpfungen aus der Mytologie, aus den alten Göttersagen und dem ganzen Sagenschaz der Völker zu holen. Und mit Recht. In den alten Göttersagen findet sich die poe tische Naturanschauung der Völker zusammengefaßt, welcher der Dichter die schöne und künstlerische Form zu verleihen hat. Da jedes Volk und Land, infolge seiner besonderen natürlichen Zu stände seine besondere Naturauffassung hat, so sind auch die Göttersagen, die dem Poeten so viel Stoff zu seinen Schöpfun gen liefern, je nach den natürlichen Eigenschaften der einzel
nen Länder durchaus verschieden.
Darnach sollte man glauben, es sei ganz unmöglich, der Poesie eines Landes die Naturanschauung eines anderen, fernen, unendlich verschiedenen Landes zur Grundlage zu geben, die Tummelpläze der Poesie mit fremdartigen Gestalten zu erfüllen und ihre Gärten mit exotischen Gewächsen zu besezen. mutigen, bald gewaltigen Verkörperungen, und wir lernen dem, dennoch sehen wir einen solchen Zustand dicht vor unseren Augen,
was wir einerseits durch die Wissenschaft und Forschung erfannt, andererseits durch die Poesie eine schöne und interessante Form abgewinnen.
Indem man sich versenkt in die Fülle von Schäzen, die uns die Dichtung alter und neuer Zeit geschaffen, wird man ganz von selbst darauf hingewiesen, in den poetischen Schöpfungen eines Landes und einer Nation auch jene innere Har monie zu suchen, ohne die uns jene poetischen Gestaltungen nicht frisch und lebensrot erscheinen fönnen. Die Gestalten, welche die Dichter schaffen, müssen sich in innigstem Einklang mit dem Lande und Volke befinden, dem sie vorgeführt werden. Dem Boden, den ein Volk bedeckt und der es ernährt, müssen auch die Gestalten seiner Poesie entsprossen sein. Sie müssen getränkt sein mit dem Volksgeist selber und sie müssen sich der Dent- und Anschauungsweise, der historischen Entwicklung, den Neigungen und Leidenschaften eines Volkes ebenso genau an
Und
Wir fühlen uns gewappnet gegen den etwaigen Vorwurf, als wollten wir die poetische Literatur Deutschlands aus irgend find für dies herrliche und riesenhafte Denkmal deutscher Geiftes einem unlauteren Beweggrunde bekritteln oder verkleinern. Wir tätigkeit von der höchsten Bewunderung erfüllt. Wenn das alte und ehrwürdige Gebäu aber einen Riß zeigt, so dürfen wir, gerade aus Verehrung für den stolzen Bau selbst, den Finger in die Wunde legen. Das soll uns niemand wehren. sind auch nicht die Ersten und nicht die Lezten, die das tun. Um das, was wir gesagt, in seinem ganzen Umfange zu
beweisen, müssen wir etwas weiter ausholen.
Wir