borzaubern würde, die mit unserem eigenen Volksleben in innigem Zusammenhang stehen, sendet sie uns die blassen Schatten des griechischen und römischen Altertums.
Davon sind unsere Besten nicht frei. Die Dichtung glaubt ihre Höhe auch erst dann erreicht zu haben, wenn sie sich dem griechischen und römischen Wesen möglichst genähert hat und auf dem antiken Kothurn einherstolzirt. Alle alten
griechischen und römischen Götter
find wieder aus ihren Gräbern geholt worden und gehen in den Versen unserer Boeten um. Sie sollen uns Wald und Feld, Wasser und Land, Berg und Tal beleben. Unsere flassischen deutschen Poeten lassen uns Zeus donnern, Ceres auf den Feldern umher schweifen, Bacchus den Wein beseelen, Apollo fingen und dich ten, Merkur han deln und betrü
bei
gen, Mars den friegerischen Reigen führen. Die Weisheit sollen wir uns Ballas Athene oder Minerva , die Liebe bei Amor, die Schönheit und Anmut bei der liederli chen Venus su chen. Und schließ lich bringen uns diese Götter noch in die Unterwelt, die fern am Ge birge Tänaron ihren Eingang hat und wo es so traurig ist, daß der arme Achil leus, der sieg reiche Held, li ber lebendig ein
XA Hormat
229
Nahrungs- und Genußmittel, die jedenfalls sehr verschieden sind von Kalbsbraten und bairischem Bier
Diese Götter haben zum großen Teil ein sehr anstößiges
DUTININA
7
Privatleben. An dem alten Zeus oder Jupiter will es uns gar nicht gefallen, daß er so viele junge Mädchen unglücklich macht, sie verführt, uneheliche Kinder zeugt und zu seinem Kellner Ganymed in einem nicht anzu deutenden widerlichen Verhält
nisse steht; Merfur betrügt mehr, als unser Strafgesez gestattet; Venus macht ihren Mann täglich zum Hahnrei und wird mit dem plumpen Mars auf frischer Tat ertappt, schämt sich aber durchaus nicht. Alle diese Persönlichkeiten sind sehr leicht bekleidet, halb, teilweise ganz nackt. Wir sind nicht so pride, fie deshalb zu tadeln, allein unser Klima ist für solch spärliche Bedeckung doch zu rauh. Man sieht,
sie stammen aus einem Land, wo
es weit wärmer ist als bei uns, wo infolge dessen die Leidenschaf= ten ganz anders geartet sind und wo man Dinge als selbstverständlich ansieht, die uns nicht einleuchten wollen. Sie wären in unserem nordischen Klima schon längst langsam verblichen, diese alten Griechengötter, wenn sie von den Poeten nicht immer wie
der belebt würden. Was tun
hausen auf dem Olymp, einem Berg, der sehr weit vom Rhein Sansculotten( Ohnehosen, Hosenlose) in ihrem warmen GriechenTagelöhner, als tot ein Achilleus sein möchte. Diese Götter sie bei uns? Laßt doch die armen antifen und klassischen entfernt ist, und sie schmausen Nektar und zechen Ambrosia,
Nr. 10. 1884