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Er zog sie fester an sich, sein erster Kuß brannte zärtlich| auf ihren Lippen.
Durch ihre Seelen zitterte das Gefühl jener echten Liebe, die das Berauschende der Erde mit der Ahnung einer Ewigkeit
berbindet.
Als glückliche Braut betrat sie Englands Strand, um sehr bald als noch viel glücklichere Frau des Barons Warren, begleitet von ihrem Vater, für immer in die deutsche Heimat zurück zukehren.
Sengers mißglückter Streich gegen Mistreß Jonston und die Unmöglichkeit, nunmehr noch Baron Warren mit seinem
I.
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Reichtum seinen Plänen dienstbar zu machen, besiegelten sein Geschick. Der lange hingehaltene Bankrott brach mit elementarer Gewalt herein. Die Gewißheit, von den Gerichten zu vernichtender Rechenschaft gezogen zu werden, trieb ihn zu dem verzweifeltsten Schritte, am Abend des Tages nach seiner Entlarvung jagte er sich eine Kugel durch den Kopf. Sein armes Weib verfiel in Not und Siechtum. Kaum ein Jahr nach dem Zusammensturz ihres Glückes folgte sie dem bis zu ihrem lezten Hauche geliebten, wenn auch als verbrecherisch erfannten Gatten ins Grab. Frauenherzen!
,, Und weißt du, was' ne Gondel ist, Und wie's sich drinnen wieget? Ein Ding, das kaum die Woge küßt, Wenn's lustig drüber flieget.
Du ruhst so süß, du ruhst so weich, Der Aeter um dich her:
Du glaubst, du schwämmst im Himmelreich, Die Sterne um dich her."
Ja, nun weiß ich, was eine Gondel ist, nun kann ich all' die Poesie begreifen, die sich ar Gondel, Gondolier und Gondelfahrt knüpft; jezt kann ich die vielgerühmte schwärmerische Melancholie, die Morbidezza des Venetianers begreifen; begreifen, warum jeder, der nur einmal Venedig sah, und mit leiſe plätscherndem Ruderschlag durch die Wasserstraßen, zwischen den herrlichen Palästen und unter den kühn geschwungenen Brücken dahinfuhr, nur eine einzige mondhelle Nacht auf dem Markus
die lange Ruderstange in das Wasser und wir fahren in den Canale Grande . Jeden Augenblick huscht eine Gondel fast unhörbar an uns vorüber. Die Gondoliere rufen sich einen Gruß, einen Scherz zu; fast könnten sie sich die Hand reichen, so nahe fahren sie aneinander vorbei und doch berühren sich die Gondeln nicht. Mit außerordentlichem Geschick werden die schlanken Fahrzeuge gelenkt. Jezt ragt vor uns eine gewaltige Brücke in fühnem Bogen auf, wir fahren unter ihr her." Ponte di Rialto ", ruft der Gondolier. Also das ist die vielberühmte Rialtobrücke?
Nichts neues auf dem Rialto?" ruft fragend Salanio dem Salarino im„ Kaufmann von Venedig" entgegen. Und rufen wir heute, so antwortet immer und immer das Echo traurig:
„ Nichts Neues!" Schon beginnt Venedig seine Gewalt auf
uns auszuüben, schon stimmt es auch uns melancholisch; denn gar zu traurig ist das Schweigen ringsum. Jezt fahren wir
plaze und auf der Piazetta zubrachte, ein ewiges Heimweh in einen schmalen Seitenkanal; düster steigen zu beiden Seiten nach dem schönen Venedig , nach der Bella Venezia im Herzen die hohen Mauern hinan, ein düsteres, ahnendes Gefühl bedavonträgt! Wer in Italien war und nicht Venedig sah, der schleicht uns. Hoch oben sind die beiden Gebäude durch eine tennt
wirkt sogleich in der ersten Stunde bestrickend auf uns ein, und es ärgerte mich fast, bei Goethe gelesen zu haben:
Hast du Bajä gesehn, so kennst du das Meer und die Fische; Hier ist Benedig, du kennst nun auch den Pfuhl und den Frosch." Wenn Goethe schlechter Laune ist, dann räsonnirt er leicht; das tröstet mich. Schon die Fahrt nach Venedig ist einzig in ihrer Art. Gleich nach der lezten Station vor Venedig , von
Kanal hinab.„ Ist das-?"" Il ponte dei sospiri!" ruſt
wieder der Gondolier; es ist die verrufene Seufzerbrücke, rechts neben uns der Dogenpalast und links die Gefängnisse.
Zu Benedig auf der Seufzerbrücke stand ich, Ein Kerker mir zur Rechten, zur Linken ein Palast." Alle die Schauergeschichten des blutigen Venedig tauchen vor uns auf. In dem verdeckten Gang der Brücke blizt ein
Zicht auf; Häscher führen einen Unglücklichen aus dem Gefängnis
vor das Gericht der schrecklichen Zehn. Armer, deine Stunden
find gezählt! Die Ponte dei Sospiri überschreiten, heißt vom
durch die weit ausgedehnten Lagunen, zu beiden Seiten bis hart ühmte Lagunenbrücke, 28 Fuß breit und 11,099 Fuß lang. Leben zum Tode gehen.
Leben zum Tode gehen. Da plözlich knarrt vor uns tief unten, wo das Wasser murmelnd an die Treppe schlägt, eine Türe,
immer näher fliegt uns die Stadt entgegen: die unzählbaren eine schwarze Gondel liegt davor. Fackelträger erscheinen, hinter Kirchen, Kuppeln und Türme zeichnen sich immer deutlicher am
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wie mit einem Zauberschlag
ihnen zwei dunkle Gestalten, das Gesicht verlarvt; auf ihren Schultern tragen sie einen Körper. Schultern tragen sie einen Körper. Still und düster wie die
still und düster sehen die Gondoliere ihrer unheimlichen Fracht entgegen, einige geheimnisvolle Worte und dann fahren sie fort. sein Körper liegt
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auf dem schlammigen Boden des Canale Orfano. Fort, fort aus der dumpfen Gasse, sie benimmt uns den Atem. Erleichtert atmen wir auf, wir fahren wieder hinaus in die frische Luft, in den weit ausgedehnten Canale Grande . Wie das prächtig ist! Wie das schimmert und strahlt! Sind wir denn hier an
verschwindet alles, wir fahren in einen Bahnhof ein gleich den feuchten Mauern, legen sie ihre schauerliche Last in die Gondel, Bahnhöfen des Festlandes. Nun aber treten wir hinaus und eben so rasch stehen wir vor dem venetianischen Leben, vor der Eigentümlichkeit der Stadt. Wo sind die Wagen, die Droschken, Morgen ist ein Signore verschwunden, die Omnibusse der Hotels? Gleich zehn Schritte vor uns schaukeln sie auf dem Kanal und in ihnen steht der Führer und wirft lebhafte Blicke umher, den ankommenden Fremden zu er haschen. Gondola, Signore, gondola Excellenza! Große ge waltige Barken tragen das Gepäck in die Stadt es sind die Lastwagen, weniger große vertreten die Stelle der Omnibusse; den Ufern des Bosporus? Auf der blauen Flut wiegen sich sie nehmen eine große Anzahl Passagiere auf und sezen sie ab, prächtige Dampfer, und weiter hinaus steigen wie eine Fata wo ihnen befohlen wird, wie die Wagen der Pferde- Eisenbahn; Morgana die Inseln von Venedig auf, und dort zur Linken und wiegt sich graziös auf der leicht bewegten Flut, lang, schmal, schläge und wir liegen vor dem prächtigsten Plaze der Welt, aber das ist immer noch nicht die echte Gondel. Da liegt sie die prächtige Kirche Maria della Salute ; noch einige Ruder
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wir stehen im Angesicht des schönsten Palastes, vor dem Dogen
sterten Sizen, nach drei Seiten mit Fenstern versehen. Jezt palast. Wir landen an der Piazetta, aber es stürmt eine solche taucht der Gondolier, hoch auf dem Hinterdeck aufrecht stehend, Fülle von einzelnen Schönheiten auf uns ein, daß es uns fast