Der eine der Freunde riet unverzügliche Anschaffung eines großen Dolchmessers; der zweite meinte, ein schwerer Tot schläger täte es am Ende auch, der dritte dagegen versicherte, daß nur ein scharfgeladener Revolver ihm als Bürge für sein Geld und Leben Genüge leisten würde.
Hermann Kleinert, bei dem man allerdings nie recht wußte, ob er Ernst mache oder Ulf, erklärte das alles für ganz ungenügend. Sicher werde Siegfried nur dann sein, wenn er auf der Eisenbahn einem Schaffner einen Taler zahle und dadurch diesen veranlasse, sich für die Dauer der Fahrt möglichst wenig von seiner Seite zu rühren. In Liebenhausen bei nachtschlafender Zeit angekommen, müsse er sich dann sofort unter den Schuz der Polizei stellen.
Das ging Siegfried zu weit. Er strengte sich an, über Kleinerts Vorschlag zu lachen.
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Da kam er aber schön an. Denn nun begann dieser eine Menge der haarsträubendsten Mordgeschichten aufzuführen, die alle in der lezten Zeit passirt sein sollten, ein Viertelduzend allein kurz hintereinander in der Gegend von Liebenhausen, wo es zur Zeit der Weinlese noch viel unsicherer sei, als sonstwo in der Welt, die Abruzzen in Italien nicht ausgenommen,- da strömten nämlich die Strolche aus allen Weltgegenden zusammen, um möglichst viele von den Fremden abzufassen, sie zu bestehlen und zu berauben, die da die Weinlese mitzumachen und Weine einzukaufen sich einfänden.
Siegfried Bandmeyer, welcher um Mitternacht zu Hause anlangte, war das Herz gründlich in die Hosen gefallen. Denn, wenn auch Kleinert riesig übertrieben hatte, etwas war doch daran an manchen von den Mordgeschichten, und vor allem war die Tatsache nicht aus der Welt zu leugnen, daß es um die öffentliche Sicherheit in der Gebirgsgegend, wo Liebenhausen liegt, feineswegs allzu gut bestellt war.
Siegfried Bandmeyer hatte eine sehr unruhige Nacht, konnte nur wenig schlafen und träumte das tollste Zeug durcheinander. Einmal befand er sich im Traume im Eisenbahnwaggon, ihm gegenüber saß eine Dame, die ihn plözlich fragte, wie spät es sei. Als er nach der Uhr sah, bohrte die Dame ihm die Spize ihres Sonnenschirms durch die Brust und entriß ihm Siegfried wurde es blizschnell klar, daß er einen verkleideten Räuber vor sich habe, in Angstschweiß gebadet
die Uhr.
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wachte er auf.
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sich zu bewaffnen, allerdings nur mit einem 75 Pfennige kostenden Rohrstock mit bleiausgegossenem mächtigen Knopfe. Derselbe vermehrte seine Bagage in keineswegs bequemer Weise. Seinen silberkrückigen Stock mußte er natürlich doch auch mitnehmen, und da er doch auch schon seiner neuen Sachen wegen- nicht ohne Regenschirm reisen konnte, so schleppte er denn zwei Stöcke und noch einen Schirm mit sich.
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Außerdem führte er einen ziemlich umfangreichen Handkoffer bei sich und eine Hutschachtel, in der er einen runden niedern Hut und eine Regenmüze transportirte.
Wie ein Argus hatte er über diese seine kostbaren Habseligkeiten gewacht und mit ängstlichem Mißtrauen jeden der Mitreisenden betrachtet, aber niemand hatte sich um ihn gekümmert und nicht das geringste außergewöhnliche war geschehen. Freilich hatte er auch seine Vorsicht soweit getrieben, seine auffallendsten Schäze möglichst zu verbergen.
Ueber den Silberknopf seines Spazierſtockes war ein alter Handschuh gezogen und mit Bindfaden befestigt; Rock und Ueberzieher hatte er bis zum obersten Knopf fest geschlossen, um seine dicke glänzende Uhrkette nicht sehen zu lassen. Der vergoldete Klemmer war in einer der Westentaschen verborgen und hing an einer unscheinbaren schwarzen Gummischnur an seinem Halse.
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Gegen das Ende der Fahrt überkam ihn mehr und mehr ein wohltuendes Gefühl der Sicherheit und Ruhe. Es war offenbar, er hatte sich ganz unnötig aufgeregt, er lehnte sich bequem in die Kissen des Coupees zweiter Klasse, welches ihn beherbergte, zurück. Schade, daß nun die Fahrt bald zu Ende, es fuhr sich ganz gut, so vornehm im Schnellzuge. In diesem Augenblick war er zum erstenmal so fühn, nach seiner Uhr zu sehen. Ehe er jedoch noch erkannt, wie spät es ſei, ertönte von der Lokomotive her einer jener bekannten, grellenden ohrenzerreißenden Pfiffe und gleichzeitig begannen die Bremsen kreischend und die Wagen schüttelnd zu arbeiten.
„ Um Gotteswillen, es gibt doch kein Unglück," schrie eine
nervöse Dame im selben Coupee.
Siegfried war auch aus seiner kurzen Sorglosigkeit erschreckt emporgefahren, wiederum völlig ohne Not, denn als nun der Zug hielt, tönte der Ruf an den Wagen des Zuges entlang: „ Liebenhausen,- eine Minute Aufenthalt."
Eine Minute, das war entsezlich wenig. Siegfried Band
Als er wieder im Halbschlummer lag, fuhr er auch schon meher zerriß sich fast vor Mühe und Eile, seine Stöcke, den wieder auf der unſeligen Eisenbahn. Die Lokomotive pfiff Regenschirm, den Koffer und die Hutschachtel unter die Arme markdurchdringend, der Zug hielt, er war an seinem Ziele zu klemmen und in die Hände zu nehmen, und doch kam er
angelangt,
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merkwürdigerweise riefen die Kondukteure:„ Ham
alles aussteigen!" Siegfried wollte auch heraus, aber or fonnte absolut nicht von seinem Plaze aufkommen, da tauchte plöglich vor ihm eine mächtige, grimmig schnauzbärtige Gestalt auf: Da haben wir den Schurken," schrie die Gestalt und packte ihn mit eiſerner Fauſt an der Gurgel ,, bas iſt der mit einer million Mark durchgebrannte Bankkassirer, – alles ſtimmt, der silberne Stock, die blauen Augengläser, daß wir den Kerl fesseln."
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nicht rasch genug aus dem Coupee hinaus.
"
Beeilen Sie Sich," rief der Kondukteur,„ der Zug sezt
sich sofort in Bewegung."
Endlich war er auf den Perron hinabgelangt; freilich lag die Hutschachtel geöffnet auf der Erde, der Spazierstock hatte ſeine Zeberkappe verloren und glänzte silbern in die Nacht hinaus, Rock und Ueberzieher flatterten vollständig aufgeknöpft im
- die dicke Uhrkette funkelte in all ihrem goldigen Prunke und der ebenso goldige Nasenklemmer saß unserem Sieg
Handschellen her,| Winde,
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weiß der Himmel, wie er dahin gekommen war
Natürlich fuhr Siegfried wieder vor Schreck an allen Gliedern fried, zitternd empor. Er gab nun für eine ganze Stunde die Be- auf dem Rüden. mühungen, ruhig zu schlafen auf, zündete Licht an und las.
Wenn mich so die auf Bahnhöfen oft sehr zahlreich ver
Endlich gegen Morgen vermochte er noch eine Stunde leidlich tretenen Taschendiebe sähen, fuhr es Siegfried wieder schreckhaft
zu ruhen.
Den Tag über war er zerstreuter als je.
Emmy Holder, die ihn sonst höhnisch ausgelacht hatte, wenn
durch die Sinne, dann hefteten sie sich sicherlich an meine Sohlen.
In diesem Momente sah er sich beobachtet. Sollte das
er in seiner Zerstreutheit irgend etwas anrichtete, zuckte heut vielleicht ein solcher Spizbube sein? Unsinn, warum fann es
nur mitleidig und fast verächtlich die runden Schultern.
nicht der zu meinem Empfange von meinem Freunde Jungmann
Einmal hörte er sie sogar dem ältesten Lehrling zuflüstern: hierher Dirigirte sein? " Passen Sie auf, Georg, den und damit deutete sie auf ihn- sperren sie binnen furzem ins Narrenhaus,- so gehts
nicht weiter."
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Siegfried um sieben Uhr auf den Bahnhof. In nicht sehr gehobener Stimmung begab sich unser armer
Hier aber und auf der Eisenbahn verlief alles ohne Aben
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Das mußte sich sogleich zeigen, er legte sein Gepäck wieder auf den Boden und zog, immer nach dem ihn Beobachtenden hinsehend, das rotseidene Taschentuch hervor. Der Fremde trat richtig näher, in der Freude, sich nicht getäuscht zu haben, plazte Siegfried sofort los:
Sie sind also wirklich der Herr, der mich erwartet, wie
tener. Siegfried hatte die Vorsicht in der Tat soweit getrieben, mir mein Freund Gustav Jungmann geschrieben?"