zu lieben? Ich glaubte es einst, ich vermeinte, es könnte nicht anders sein, weil mich ja selbst alles angetrieben hat, sie zu lieben, aber es ist nicht wahr, es ist eine Täuschung wie alles, was in dieser Welt geglaubt wird. Und diese Menschen hassen einander, alle, alle! Es lebt kein Gefühl des Mitleids in ihnen, jeder sucht den andern zu kränken, zu übervorteilen, ihm zu schaden, und Freude und Befriedigung ist ihnen der Kummer, die Demütigung, die sie einem ihrer Mitgeschöpfe zugefügt haben; o, ich habe es gesehen, gehört, selbst miterlebt! Geht, ihr liebt nichts und niemand als euch selbst, ihr verlobt euch, ihr ver­heiratet euch sogar ohne Liebe."

Wie in vehementer Anklage schleuderte sie ihm die lezten Worte entgegen, aber aus dem Ton hörte man das eigene tiefe Leid heraus; Arnold war davon bewegt, ergriffen, und doch ent gegnete er fast mit Härte:

Aus Ihnen spricht ein tiefverwundetes Gefühl, ein per sönliches Verleztsein. Ich weiß nicht, wodurch es entstanden ist, wer es verursacht; Sie leiden, aber Sie verweigern mir jede Erklärung dafür. Nun ja, ich habe ja auch kein Recht auf Ihr Vertrauen, es gehört allein demjenigen, mit dem Sie, mein Fräulein, sich verlobt haben, dem Baron Reinthal."

Elsa sprang in die Höhe, ihre Gestalt schien noch zu wachsen und ihre Augen entsandten gegen den Dreisten einen finstern flammenden Blick.

246

aber wir gehorchen einem ewigen unwandelbaren Gesez, es ist der Fortschritt; und auch für uns gibt es noch ein anderes Leben, das sich forterbt von Geschlecht zu Geschlecht, es ist das Wissen. Elsa, diese gesunden Anschauungen müssen wir uns bewahren, eifersüchtig müssen wir über ihnen wachen, und Sie, die Sie in diesen Anschauungen erzogen sind, Sie dürfen sie nicht für Illusionen hingeben, die grundverderblich wirken, weil sie uns um die Kraft des wirklichen Lebens bringen, um die Kraft zu lieben."

Elsa schüttelte den Kopf, als hätte sie nie diese Kraft be­sessen oder wolle sie nicht mehr befizen; er aber fuhr bewegt in überzeugender Wärme fort: Glauben Sie es mir, in dieser Fähigkeit zu lieben liegt unser Glück, darin ist bisher das Ihrige gelegen."

Sie hob den Kopf und, was sie soeben vermieden, jezt sah sie ihm in die Augen, fest und trozig fast.

Soll man auch lieben, was nicht liebenswert ist? Kann man das? Und vertrocknet einem nicht das Herz darüber? Warum mußte ich erkennen, daß das Leben so nichtig ist, so armselig, daß wir selbst so wenig sind und so elend werden

fönnen."

Auch seine Augenbrauen furchten sich. Sie wurden es, weil Sie in einer Gesellschaft lebten, die nur von den eigen nüzigsten Motiven bewegt ist und die in dem Wahn lebt, sie ,, Es ist eine Lüge, eine ihrer vielen Lügen, eine ihrer vielen sei allein zum Glück berechtigt und könne allein für sich glücklich

Erbärmlichkeiten."

"

" 1

Es wäre nicht wahr, wie? was alle Welt behauptet-?" Weil sie es aller Welt vorgelogen haben, und wie in einem

mich zu fangen, aber ich bin ihnen entkommen, ich bin frei."

,, Sie lieben den Baron nicht?!" Wie verändert klang das, wie ein Emporjubeln nach der Dual.

"

"

Nie und niemals!"

Und Sie sind vor ihm geflohen?"

" Vor ihm und vor den anderen."

sein. Aber dem ist nicht so, wir stehen in einem nicht trenn baren Zusammenhange mit der ganzen Menschheit und mit jedem Einzelnen; wir müssen den Kreis unserer Sympatien er Neze haben sie mich mit diesen Lügen umgarnt, sie glaubten weitern, nicht verengen, und wenn wir erst die Glückseligkeit der Menge zu der unseren gemacht haben, dann werden wir nie arm an Freuden sein. Elsa, der Mensch kann nichts höheres lieben als den Menschen und diese Liebe liegt tief in unserer Brust als ein Naturgesez, wir üben sie in jedem Augenblic und unbewußt." Sein Mund lächelte ein wenig und ein Zug anmutiger Schalkhaftigkeit kräuselte seine Lippen;" glauben Sie Sich dem entziehen zu können? und liegt es denn nicht in unserer Macht, in jedem Augenblick Glück zu schaffen, Glück zu empfangen? Und wenn Gedanke an Gedanke sich entzündet, und Gefühl an Gefühl, empfinden wir dann nicht alle Wonne des Lebens? Elsa, wenn ich diese finsteren Vorstellungen wieder banne, etwas Fremdes in Ihnen sind, etwas Krankhaftes, das nicht zu Ihnen gehört, und wenn ich Sie jener heiteren Lebensanschauung zurückgewinne, die der Vater von Kleinauf in Ihr Herz ge legt, und wenn Sie dann wieder lächeln, Elsa, so werden Sie Man will mich taufen, hier, in der Kirche von Amsee; mir ein Uebermaß von Glück geschenkt haben, und ein Wieders

"

"

Sie sind allein hierher gekommen?"

Mit meiner Großtante, Gräfin Dönhof."

Mit ihr?"

Sie war es, die mir eine Zuflucht zeigte, die einzige, wo ich mich beschüzt fühlen könnte, die mir Ruhe sichern würde und den Frieden."

Und diese Zuflucht ist-"

"

,, Sie nennen sie ein Kloster."

Ah, man hat Sie also schon bekehrt."

"

die

von diesem Akte, so scheint es, erwartet man ein Wunder; eine strahl davon wird in Ihr eigenes Herz zurückfallen." Er hatte

Wandlung, eine Umgestaltung soll sich in mir vollziehen."

"

"

Sie können nicht daran denken, nicht daran glauben, Elsa!" Ich glaube es nicht. Wie ihre Liebe, so flößt mir auch ihr Glaube Grauen ein; sie heucheln ihn und suchen andere und sich selbst damit zu täuschen. Einbildung erscheint mir alles, was sie darüber sagen, ein Werk der Phantasie, und doch-" sie hatte sich wieder gesezt und der schöne Kopf neigte nun wie in plözlicher Ermattung sich gegen die Brust herab. Was bleibt mir übrig, was erwarte ich? Wenn in dieser Welt alles schlecht ist und alles Sünde, wenn wir uns abwenden müssen

ihre Hände ergriffen und er hielt sie mit festem Druck in den

seinen.

Ihre Pulse klopften, eine Glut stieg in ihre Wangen und

färbte ihr selbst Hals und Nacken.

" Von mir sollte Ihnen Glück kommen, von mir?!" stammelte

sie in unendlicher Verwirrung.

Ich werde jubeln, sobald mir Ihr Mund bekennt, daß ich Sie uns zurückerobert habe, daß Sie wieder uns angehören,

ganz uns."

Wem

-

Euch?" fragte sie plözlich und ebenso plözlich von dem Wirklichen, weil es das Gemeine ist, das uns unauf schwand das Rot der Freude von ihren Wangen, und wem hörlich verlezt, das uns bedroht, wäre es dann nicht besser, gehören Sie? und stimmen Ihre Worte auch zu Ihren Taten, und sind Sie selbst Ihren Anschauungen nicht untreu geworden? legen, in ein Jenseits, von dem wir ja nichts, gar nichts wissen verbunden, mit denen ich nichts mehr gemein haben will­ Ich finde Sie in der vornehmen Welt, auf das engste mit denen

sein Herz, das doch nicht glücklich werden kann, an diese Täu­schung hinzugeben? seine Seligkeit in jenes Ungewisse zu ver­

können und darum aber alles, alles glauben dürfen?"

Arnold hatte in rascher Bewegung seinen Stuhl dicht an den ihren herangeschoben; seine Mienen zeigten eine zärtliche Beunruhigung und seine Stimme gewann an Innigkeit und Klang.

Sie sind der Sohn jenes Baron Reinthal." Sie wissen das?!"

Sie selbst darnach begehren, Helenens Gatte zu werden." Ich weiß es, und ich weiß auch, daß er wünscht, und daß es vorziehen, sich selber zu betrügen, als die Welt zu sehen bedacht und widerwillig verraten hatte, es brachte dem Manne Nein Elsa, das gilt nur für die Schwachen, diese mögen Lippen geflossen; aber was das junge eifersüchtige Herz so un Jäh, wie ein wildausbrechender Strom, war es über ihre der an ihren Zügen gehangen, ein neues Glück, ein unendliches,

wie sie ist, in all ihrer Schwäche und Unvollkommenheit. Wir stehen allerdings noch auf einer tiefen Stufe der Entwicklung,

ein bisher nicht einmal geträumtes.