auf diese blutige Furche, dann rafft sie sich auf, und das Ruder ergreifend, bringt sie mit einem Schlag das Boot dem entschwimmenden Leinen nahe; sie beugt sich über und erfaßt es rasch, und nun beginnt sie es sogleich zu schweifen und zu reiben, um es hierauf mit dem Bläuel zu bearbeiten.
Die Sonne ist über den Kamm der gegenüberliegenden Berge heraufgestiegen, und es kommt nun Bewegung in die trägen, formlosen Massen, die über dem Wasser lagern. Hell und goldig wogen sie ineinander und goldig erscheint unter ihnen der weithin sich erstreckende Reflex im Wasser, das dadurch wie von unten erleuchtet aussieht. Aus diesen goldigen Nebelschleiern taucht jezt ein dunkler Gegenstand auf, Elsas Boot. Aufrecht steht sie darin, die Sonne glänzt über sie hin, und ihre Strahlen umleuchten wie in einer Aureole das blonde Haupt.
Eva sieht auf und von dem unvermuteten Anblick überrascht, blickt sie der Daherkommenden entgegen.
Sie glaubt sie zu erkennen, aber sie bleibt unbeweglich in ihrer kauernden Stellung, und blöde und schüchtern, ruft sie ihr auch keinen Gruß zu.
Das Boot fährt dicht an das ihrige heran und legt sich an dessen Seite.
Jezt erhebt sich Eva, die beiden Mädchen sehen sich an. „ Du bist's, Evi, ich hab' mich nicht getäuscht!" rief Elsa. Eva bewegte nur bejahend den Kopf, aber Elsa war schon zu ihr in das nachbarliche Fahrzeug hinübergestiegen und sie umarmte ihre kleine ehemalige Freundin und füßte sie in warmer herzlicher Freude.
Als sie aber die nassen Hände anfühlte und den durchfälteten Körper, stieß sie einen Ruf der Besorgnis aus.
" Du bist ganz erstarrt Eva, was tust du hier? Du wirst dich erkälten."
Eva, in Ueberraschung und Verlegenheit, wischte sich die Hände in ihrem Rocke ab, aber im nächsten Augenblick hob sie das nasse Linnen empor und näßte sie so aufs neue.
„ Daß Sie's aber doch wirklich sind," stammelte sie, Elsa nur verschämt von der Seite ansehend," Sie wohnen also wieder drüben in der Villa?"
Elsa, nun ihrerseits etwas verlegen, schüttelte den Kopf. ,, Nein, Evi, ich habe nur einen Besuch drüben gemacht, ich werde Amsee heute wieder verlassen; aber Evi, erinnerst du dich denn nicht, daß du meine kleine Schwester bist, wir sagen
, du' zueinander."
"
„ D," sagte Eva freudig und doch verschämt, geht denn das noch, Sie sind ja jezt so viel vornehm und schön-" „ Du meinst, ich bin dieselbe geblieben, und du-" Elsa hielt inne, sie konnte nicht das gleiche von Eva behaupten, das kleine Ding vor ihr sah recht herabgekommen aus. So blaß und durchaus armselig, und ihr Haar war nicht gekämmt und die Augen wie übernächtig und stark gerötet; alles an ihr deutete auf Kummer und Elend." Sag doch," rief Elsa in plözlicher Dringlichkeit, mußt du denn hier am Wasser bleiben, es ist falt, und warum willst du denn jezt, zu so früher Morgenstunde deine Wäsche waschen?"
" Ich darf die Blutflecken nicht eintrocknen lassen, sonst bring ich sie gar nimmer heraus," bemerkte Eva schüchtern, indem sie sich wieder ihrer Wäsche zuwendete.
„ Das ist Blut," rief Elsa erschreckt, was ist denn ge= schehen?"
" Seine Wunde is halt in der Nacht wieder aufgebrochen, und er hat viel Blut verloren?"
" Wer ist denn verwundet?"
" Der Vater. Beim Schieferbruch ist ein Teil vom Ueberhang eingestürzt. Einen hat's gleich erschlagen, der Vater hat
einen Schlag auf den Kopf kriegt."
Sie sagte das alles mit jener stumpfen Ergebenheit, die
feine Tränen mehr hat.
"
Das ist entsezlich!"
„ Ja, aber es kommt jedes Jahr vor."
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Also auch hier hatte die Gewöhnung das Schreckliche, weil es zu einem häufigen geworden war, ertragen gelernt. „ Aber er wird doch geheilt, dein Vater, er wird wieder gefund werden?"
" Der Doktor sagt, er wird nit dran sterben, aber es kann lange dauern, eh' er g'sund wird."
Elsa seufzte, dann sah sie auf die kleinen braunen Hände, die eifrig bei der Arbeit waren.
" So werden die Flecken doch nicht weichen," sagte Elsa mitleidig, du mußt Seife dazu nehmen."
"
"
Evi blickte nicht auf, es war, als ob sie sich des Mangels schämte. Freilich," erwiderte sie leise, aber Seife ist teuer. Von der Hofer habe ich früher etlichemal eine zu leihen genommen, jezt geh' ich nimmer zu ihr."
Warum? ist sie weniger freundlich gegen dich?"
Das blasse Gesichtchen Evas überflog eine jähe Nöte, sie zögerte erst mit der Antwort, und überhaftete dann die Worte: Sie ist mir halt bös von wegen dem Valentin."
"
„ Das ist ihr Sohn, Georgs Bruder, nicht wahr?"
" Ja."
,, Er arbeitet noch immer in Solenbad?"
"
" Ja, aber er kommt jeden Sonntag herauf, denn „ Er hat dich lieb?"
-
" Das weißt eh." Sie sagte es leise, verschämt vor sich hinlächelnd, und sie rang dabei das Linnen aus und legte es in ihren Schoß.
Elsa sezte sich auf das Brett im Boote; mit einer raschen Bewegung hatte sie den Arm um den Hals der vor ihr Kauernden gelegt.
Diese blickte überrascht auf, als sie aber in das gute Ge sicht, in die lieben, warmherzigen Augen sah, da schwand ihr die scheue Zurückhaltung und in all der naiven reizenden Mädchen vertraulichkeit warf sie sich der Freundin an den Hals.
Elsa zog sie neben sich auf das Bänkchen. Fest umschlungen mälich wurden Evas Geständnisse zusammenhängender, bis sie und Wange an Wange tauschten sie einzelne Worte, aber all endlich in kindlicher Geschwäzigkeit alles herausgeplaudert, ihr auf dem Herzen lag:
was
die
„ Er könnt's freilich besser treffen, der Valentin, könnt eine kriegen, die ihm was zubrächt, eine von Solenbad selber. Die Mädeln dort sind ihm eh schon aufsässig, daß er ihnen jeden Sonntag davon geht, aber er tuts doch, und er laßt's Wirtshaus und die Musik und sucht uns auf. Der Bursch' bringt sich so selber um alle Freud ', und er g'hört doch zu denen, gern lustig sind, und die Leut' sagen, er hätt's früher oft a bissel toll trieben, und jezt, schau, sizt er an jedem Sonntag Nachmittag auf dem Bankerl vor unserm Haus, wie ein alter Invalid, und halt' den klein Gustel auf den Knien; er er hat nig davon, daß er mich so lieb hat, der arme Mensch, und er ist alleweil so gut und so treu, aber ich bin nur sein Unglück, die
Hoferin hat schier Recht."
rann.
Elsa streichelte ihr die Wange, über die langsam eine Träne
" Du bist ein Kind, Evi, du gibst ihm mit deiner Liebe das Höchste und Beste, das er sich wünschen fann."
" Ist's denn wahr?!" rief sie, und sie lächelte unter ihren Tränen, er sagt dasselbe, und daß er just mich haben will und durchaus. Und er lamentirt nur, daß wir so lang auf
einander warten müssen."
so
"
Warum heiratet Ihr auch nicht?"
Die fleine Eva rahm eine sehr überlegene Miene an.
macht „ Ja, Fräul'n Elsa, bei uns armen Leuten geht das nicht sich's selber noch schwerer. Ja ja, der verlangt mehr als uns bang, weil ich mich halt mit ihm nit mehr auskennen tu." Sie legte in herziger Vertraulichkeit ihre Hände über Elsas Knie und sich etwas vorbeugend sah sie mit ihren Kinderaugen zu
ihr auf.
( Forts. folgt.)