Straßenbau oder zum Kampf mit wilden Tieren oder sperrte sie selbst wie wilde Tiere in Käfige ein, wo sie gezwungen waren, auf allen Vieren zu kriechen, oder ließ sie mitten von einander sägen. Und das keineswegs wegen schwerer Vergehen, sondern etwa weil sie sich über ein von ihm gegebenes Fechter­spiel gering geäußert oder weil sie nie bei seinem Genius ge­schworen hatten. Die Väter zwang er, der Hinrichtung ihrer Kinder beizuwohnen, und einem, der sich( vor der Hinrichtung) mit Krankheit entschuldigte, schickte er eine Sänfte. Dieser blut­dürftige Narr ließ sich göttliche Ehren erweisen und sagte zu seiner Großmutter:" Bedenke, daß mir Alles und gegen Alle zu tun erlaubt ist". In der Tat war der Senat nur noch ein Schattenbild, eine Versammlung zitternder Sklaven. Auch be­gannen die kaiserliche Privatkasse und der Staatsschaz schon zusammenzufließen.

Caligula   ließ selbst während des Mahles und der Spiele vor seinen Augen Hinrichtungen vollziehen und sagte in seinem Blutdurst: daß das römische Volk doch nur einen Hals hätte!" Als dies Scheusal von dem Befehlshaber der Präto­rianer ermordet wurde( 41 n. Chr.), nahmen Senat und Volk einen Anlauf, die Republik   wieder einzuführen, allein die Prä­torianer sezten seinen Oheim Claudius   auf den Tron, einen schwachen Menschen, der nicht selbst regierte, sondern seine Günstlinge und Weiber alles in die Hände bekommen ließ. Er war von einer stumpfsinnigen Grausamkeit und sah sich gern die Hinrichtungen an. Die Unsittlichkeit seiner Frau Messalina  ist sprichwörtlich geworden*) und unter seiner Regierung spielte sich der mit Mord, Verrat und Unzucht geführte Kampf zwischen Messalina   und Agrippina  , der Mutter Neros  , ab, wobei Messa­ lina   endlich ermordet und Agrippina Kaiserin   wurde. Da Agrippina   aber ihren Sohn Nero   als Kaiser sehen wollte, ver­giftete sie den Claudius   und Nero   wurde Kaiser.

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Nero   hat den Ruf des größten Scheusals unter allen römi­schen Despoten, denn er ließ seinen Bruder und seine Mutter töten und tötete auch seine hochschwangere Gattin Poppäa Sabina   durch einen Fußtritt auf den Leib.**) Nero   trat als Sänger und Citherspieler auf, zog in seinem Reich umher und ließ sich beklatschen. Wenn er als Sänger auftrat, zwang er alle Zuhörer bis zum Schlusse zu bleiben, und da seine Vor­stellungen oft sehr lange dauerten, so kam es vor, daß Frauen, die man nicht nachhause ließ, im Circus niederkamen. Einmal ließ er alle vornehmsten Römer" töten, um etwaigen Ver schwörungen vorzubeugen. Ihre Kinder ließ er durch Gift und Hunger umbringen. Er würzte seine Grausamkeiten mit Spöt­tereien. Wenn er jemand zum Selbstmord verurteilte, schickte er ihm einen Arzt, um, wie er sagte, den Verurteilten in die Kur zu nehmen", falls er zögerte. Er ließ Rom   anzünden, um das Schauspiel des Brandes von Troja zu haben, lobte die Schönheit der Flammenglut" und spielte Either dazu. Er verheiratete sich öffentlich mit einem jungen Manne und ließ diese Hochzeit im ganzen Reiche festlich begehen. Als er sich seinen Bart abnehmen ließ, mußte auch dies Feſt vom ganzen

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Reiche begangen werden und der abgenommene Bart wurde in einer goldenen Kugel auf dem Kapitol aufbewahrt. Er sagte: Vor mir hat noch kein Fürst gewußt, was er sich alles er­lauben kann." Seinen Erzieher und Minister Seneca  , den

berühmten Philosophen, zwang er zum Selbstmord. Seneca   ist indeſſen troz aller Tugendphrasen in seinen Werken von Karakter

ein elender Höfling gewesen. Nero   regierte 14 Jahre, und als

Es würde zu weit führen, wollten wir alle Regierungen farakterisiren. Es gab auch milde und weise Regenten, aber selbst bei ihnen behielt die Regierung einen despotischen Ka­rafter. Diokletian   stellte einen vollständigen Absolutismus auch der Form nach her. Selbst unter den mildesten Regenten kommen noch wahrhaft barbarische Härten und Laster vor.

Die Unsicherheit der Staatsverhältnisse brachte Menschen auf den Tron, wie Heliogabal  , der sich drei Jahre in vichischen Lüsten wälzte, Caracalla, den Brudermörder, Commodus  , der seine Zeit mit Fechterspielen, und Domitian  , der sie mit Fliegens fangen zubrachte. Auch ein menschlicher Vielfraß bestieg den Tron in Gestalt des Vitellius  . Er verschlemmte in wenigen Monaten den ganzen Staatsschaz( etwa 150 millionen Mark). Täglich nahm er mehrere Mahlzeiten, wozu er sich häufig zu vornehmen Römern selbst einlud. Die geringste dieser Mahl zeiten kostete 400 000 Sestertien über 22000 Taler. Bei der Abendtafel, die ihm sein Bruder beim Einzug in Rom   gab, wurden zweitausend der seltensten Fische und siebentausend der kostbarsten Vögel verspeist. Als er seine große filberne Schüssel einweihte, die er den Schild der Minerva   nannte, wurden in derselben Lebern von Meerbrassen, Gehirne von Fasanen und Pfauen, Zungen von Flamingos, Milche von Muränen zu einem ungeheuern Ragout zusammengetan. Man hatte, sagt Sueton  , um diese Dinge herbeizuschaffen, alle Flotten von Parthien bis zur Meerenge von Spanien   in Bewegung gesezt.

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Doch genug von diesen Dingen. Der Gegenstoß auf diese Entwicklung blieb nicht aus. Es gab Menschen genug, an diesen Zuständen einen unüberwindlichen Efel bekamen und nach innerer Sammlung strebten. Die Lehre des ursprüng lich reinen Christentums tam ihnen wie gerufen; die sinn liche Ueberreizung der römischen Gesellschaft trieb sie zum Aszetismus, zur Abtötung des Fleisches und Unterdrückung aller sinnlichen Begierden. Allein damit war keine Wiedergeburt dieser verdorbenen römischen Gesellschaft zu erreichen; sie war dem Untergange geweiht, und dieser Untergang kam, wenn auch erst nach ungeheuren Kämpfen und konvulsivischen Zuckungen. Die Provinzen konnten endlich die ungeheuren Lasten nicht mehr tragen, die zur Befriedigung des römischen Hofhalts und zur Unterhaltung des römischen arbeitsscheuen Böbels ihnen auf­erlegt wurden. erlegt wurden. Es trat öfters große Not ein, die auch Auf­stände der hungernden, der Arbeit entwöhnten Massen hervor rief. In dieser Not traten die Reste jener alten Zünfte, die sich kümmerlich vielleicht nur durch Tradition- am Leben oder im Andenken erhalten hatten, wieder hervor und sie ges wannen an Einfluß und Achtung. Hatte man sie früher vers folgt, so griff man jezt nach ihnen als nach einem Rettungs anker; der Staat bemächtigte sich dieser Organisationen, u Alexander Severus  ( 222-235 n. Chr.) wurden diese Asso durch sie den wirtschaftlichen Uebeln abzuhelfen. Schon unter ziationen zu staatlichen Einrichtungen erhoben, und man schuf einen umfassenden Apparat von ineinandergreifenden Assoziationen, welche die Versorgung Roms mit Lebensmitteln zu betreiben hatten.*) Es war ein förmliches staatssozialistisches System, bei welchem, wie ein Schriftsteller sagt, der Kaiser der mono­polistische Produzent war. Dieses System war sehr unvollkommen, stand unter despotischer Verwaltung und entbehrte vor allem des Korrektivs der politischen Freiheit. Aber dies System schob doch den gänzlichen Zusammenbruch der römischen Gesellschaft um eine lange Zeit hinaus, bis endlich auch die Assoziationen

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endlich die Heere sich empörten, flüchtete er feige und erstach erlahmten. Sie mußten das, weil sie keinen anderen Zwed

sich mit den Worten: Welch ein Künstler stirbt in mir!"

*) Wir wollen in der nächsten Nummer ein Karakterbild der Messalina   zeichnen. Zu diesem Zweck lassen wir diese Schilderung der damaligen römischen Zustände vorausgehen, um zu zeigen, in welcher Atmosphäre und unter welchen politischen und gesellschaftlichen Formen Messalina   sich bewegt hat. Sie konnte auch nur in dieser Atmosphäre vorkommen. Wir haben das Bild der Messalina von Kaulbach jun. in Nr. 10( S. 225) gebracht. D. Red.

**) Diese Poppäa   ließ sich überall 500 milchende Eselinnen nach­führen, um sich in deren Milch zu waschen, womit sie die Zartheit ihres Teints zu konserviren glaubte.

hatten, als den faulen römischen Pöbel zu ernähren und da­durch die Herrschaft der Kaiser zu stüzen. Bald gewöhnten sich auch die Kaiser daran, die von den Assoziationen angesammelten Schäze an sich zu ziehen, und so wollte schließlich niemand mehr Mitglied dieser Assoziationen sein, denen man, wenn man ihnen

*) Siehe über diese interessante Erscheinung: Eugen Jäger  , Der Sozialismus und die soziale Bewegung in Frankreich  , in seiner Ein leitung, sowie Staatswirtschaftliche Abhandlungen, zweite Serie, 1881/82,

Seite 337-57, Antiker und moderner Staatssozialismus".