g'sagt, was der Bua vor seiner leiblichen Mutter so verstecken tut, das kann nichts Gutes sein und da-"
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„ Habt Ihr die Truhe erbrochen!"
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" Das hätt' ich mir nöt traut', niemals nöt, und" ihr Gesicht nahm einen ungemein verschmizten Ausdruck an, da wär' mir der Georg halt auch gleich drauf kommen. Na, das hab ich nöt tan, aber ich hab' alle Schlüssel zusammg'sucht, die ich nur hab' finden können, und hab' so lang probirt, bis einer paßt hat und da no und da ist halt die Truhen gleich offen g'west." ,, Euch hat die beste Absicht geleitet, und so ist kein Unrecht dabei."
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„ Ich küß' d Hand Hochwürden, es ist mir ein wahrer Trost, daß Sie so reden."
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„ Ich will auch jede weitere Verantwortung übernehmen, aber zeigt mir die Bücher."
,, Sie müssen es tun," fügte die Gräfin hinzu,„ als Mutter haben Sie die Pflicht, nicht nur das leibliche, sondern auch das geistliche Wohl Ihres Sohnes zu überwachen und alles Schädliche hintan zu halten."
Die Hofer holte den Schlüssel. Sie sperrte auf und schlug den Deckel zurück.
Cölestin und die Gräfin waren herzugetreten, erwartungsvoll beugten sie sich vor, der Pater in fiebernder Spannung. Die Hofer war niedergekniet. Behutsam legte sie den tuchenen Bergmannsrock bei Seite, das Galakleid ihres Sohnes und die Sonntagsweste, und stöberte hierauf hastiger unter den noch darin befindlichen Gegenständen herum, dann rief sie: „ Aus is, die Bücher sind weg!" Cölestin beugte sich hernieder und wühlte nun seinerseits in der Truhe. Er hatte sich bald überzeugt, daß die Frau recht hatte.
„ Und Ihr habt es deutlich gesehen, daß er hier Bücher verwahrt gehabt?" Troz der gewohnten Selbstbeherrschung verriet sich die mächtige Erregung in seiner Stimme.
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" Bei meiner armen Seel', Hochwürden," versicherte die Hofer, ich hab' sie selber in der Hand g'habt."
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, Und es waren ihrer mehrere?"
Wohl so a Stück a zehn."
" Von gleichem Aussehen?"
" Ganz gleich, eins wie's andere."
,, Und die Aufschrift, der Titel?"
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..Ich kann schon lesen, aber das nöt, was da drauf g'standen ist; und einwendig konnt' man grad nur von unten ein bisserl die Nasen' neinstecken; o ich glaub's schon, daß das die verbotenen Bücher waren, die von allen Seiten zupickt sind, weil man's halt not offen und ehrlich lesen darf."
So wuchs ihre Gier und ihr feindseliges Interesse an diesem Studium. Hier gewannen sie einen Einblick in das Seelenleben eines Individuums, das in der Gesellschaft einen so niedern Rang einnahm, so tief unter dem ihrigen, und das sich nun vermaß, in seinem geistigen Bedürfen sich auf gleiche Höhe mit ihnen zu stellen.
,, Und hat Ihr Sohn diese Bücher häufig in die Hand ge nommen," fragte sie erhizt von der Arbeit und ihrem Eifer. ,, Nur jeden Sonntag hat er drin g'lesen, aber dann schon gleich von früh bis abends."
,, Arbeiterlesebuch," las jezt die Gräfin, völlig aufatmend, doch endlich auf etwas harmloses zu stoßen, aber schon im nächsten Augenblick stieß sie einen Schrei des Entsezens aus ,,, bon Lassalle!" und als hätte sie Feuer berührt, schleuderte sie das Hestchen, das diesen Titel trug, weit von sich.
Cölestin hatte ein dickleibiges Werk aufgeschlagen, er starrte darauf und es zitterte in seinen Händen. Es war Darwins „ Entstehung der Arten".
,, Darwin ," murmelte er, und seine Augen überflogen die Beilen, die wie glühende Lettern ihm entgegenbrannten. ,,, Darwin ! hier ist der Schlüssel zu allem. Das ist das neue Evangelium, das sie uns entfremdet, das alles untergräbt, was bisher als Offenbarung die Welt erklärt und uns in ihr.- Ihre Vor stellungen sind nicht die meinen, hat sie gesagt; sie hat Recht, es sind total veränderte. Sie haben eine andere Poesie, einen andern Idealismus, eine andere Begeisterung sie entgöttern alles und sezen an deren Stelle ein unerbittliches Naturgesez, die Notwendigkeit. Es ist ein furchtbares, ein äzendes Gift in alledem, das weiter frißt, weiter, weiter!" Aufstöhnend griff er nach seinem Herzen, als wäre auch ihm bereits etwas von diesem Gifte eingeimpft, als säße es ihm im Blute und alles Wehren sei vergeblich, denn auch er war untertan diesem Naturgesez.
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" Darwin!" schrie jezt laut die Gräfin, die einen zweiten Band erwischt, und sie schleuderte auch ihn zu Boden, um beide Hände über dem Kopfe zusammenzuschlagen. Und das hat Barr verschuldet, dieser Elende, dieser Volksverführer, o, daran erkenne ich ihn, nicht genug, daß er sein eigenes Kind, seine Tochter in der Gottlosigkeit erzogen hat, er sucht nun auch diesen
Arbeiter zu verderben."
" Meinen Sie, dieser Fall stehe vereinzelt?! Haha, ich sagte es Ihnen ja doch, es ist alles, alles von dieſem neuen Geist erfüllt, die Reichen, die Armen, die Menschen in den ,, Er hat sie weiter verbreitet," murmelte Cölestin zwischen sie haben dieses Buch oft gelesen, sie kennen seinen Berfasser Städten, die Menschen in den Bergen, da oben, hoch oben, den Zähnen ,,, er ist straffällig." Und dann zur Gräfin: ,, Sie nicht einmal dem Namen nach, und sie folgern in ähnlicher sehen, alle meine Vermutungen haben sich bestätigt, aber wir Weise und möchten sich alles erklären können- erklären! Hahaha! sind zu spät gekommen." wenigstens bis an's Ende gehen," entgegnete So schreitet die Verderbnis immer weiter, von allen Seiten
sie entschlossen, und ihr Gesicht hierauf wieder in die freund- nicht mehr Herr werden, o, es ist wie ein Fluidum, ein geheimniss
lichsten Falten legend: ,, Liebe Frau, ich wünsche sehr die Erbschaft fennen zu lernen, die Herr Barr Ihrem Sohne vermacht hat. Die Hofer sah etwas beängstigt aus.
volles Etwas, das die Welt durchdringt!"
,, Sie übertreiben," sagte die Gräfin, mit all dem angebornen Hochmut, der die feindlichen Kräfte gering schäzt.„ Es gilt nur
Ich wollt, er hätt's mit sich in's Grab g'nommen, der dafür zu sorgen, daß diese giftige Saat noch rechtzeitig erftit
halt' er so viel drauf, und darum weiß ich halt nicht-"
Aber die Gräfin fragte nicht weiter um Erlaubnis, sie hatte
den Bücherschrank geöffnet und ging sofort daran ihn zu durch
Hause der Armut angetroffen habe."
gebender Stelle berichten, was ich in diesem Erdenwinkel, im
Sie sah ungemein belebt aus und auch ihre Augen blizten. suchen, um ihre brennende Neugier zu befriedigen. Sie riß die Ihr war in ihrer Unbeschäftigtheit eine Aufgabe zugefallen, in der Bücher heraus, sah selbst nach den Titeln und Autoren, oder sie ihren Haß betätigen konnte. Ihr war, als nehme sie damit
gab sie zur Prüfung an Cölestin .
,, Goethe- Lessing!" riefen sie, und sie sahen sich an, ganz
verduzt. Und hier Schiller!"
Revanche für all die Unbill, die sie von Elsa erfahren hatte. Die beiden hatten sich entfernt, die alte Hoferin aber stand händeringend vor dem geleerten Bücherschrank und überblickte ratlos ,, Börne!" Die Indignation der Gräfin steigerte sich noch, in heller Verzweiflung die wirr durch einander geworfenen Bücher.
als ihr jezt Mignets Geschichte der französischen Revolution
„ Aus is! so a Wirtschaft, und da verlassens mich! Mein und Rousseaus Gesellschaftsvertrag, mit seinen Reden und Be- Lebtag bring ich das nicht allein in Ordnung. Mein Gott, mein Gott, wenn's nur keine Bücher auf der Welt gäb ich
kenntnissen zusammengebunden, in die Hände fiel.
Cölestin warf hastig eine alte Encyclopädie aus dem Jahre 40 bei Seite, um zu sehen, was dahinter aufgestellt war.
stell g'wiß alles verkehrt hinein!"
( Fortsezung folgt.)