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Aus dem Herzen des Moskowitertums.

Jene altberühmte Stadt an der Moskwa, das heilige" Moskau  , dessen Geschichte so reich ist an Katastrophen, Greueln, Umwälzungen und Schlachten, jenes Mütterchen", wie die Russen zärtlich diese ihre liebste Stadt nennen, man darf sie wohl als das Herz des alten, unverfälschten Moskowitertums bezeichnen. Petersburg am baltischen Meer repräsentirt mehr das moderne Rußland in Verbindung mit dem westlichen Europa  ; in Moskau   drängen sich die Traditionen und die Erinnerungen des alten Rußland zusammen. Petersburg   wird bei dem National­russen niemals auf die Anhänglichkeit und die Begeisterung rechnen können wie Moskau  , das nicht nur nach seinen Traditionen und nach seinen histori­schen Denkmälern, son­dern auch nach seiner geographischen Lage das Herz des eigentlichen Rußland   bildet. In Pe­ tersburg   ist der Russe mit mehr oder weniger europäischem Firnis über. zogen, den man freilich, wie jenes Sprichwort sagt, nur abzukrazen braucht, um den Halb­asiaten zum Vorschein kommen zu lassen; in Moskau  , wie im innern Rußland   überhaupt, ha­ben sich die alten For­men, Sitten, Gewohn heiten und Eigentümlich­keiten des Moskowiter­tums bis in unsere Tage herein erhalten. Man findet hier ein Volk vor, das in seiner Veran­lagung und historischen Entwicklung durchaus auf den Orient hinweist. Und die Eigentümlich­keiten dieser Bevölkerung haben sich erhalten, troz dem der moderne Ver­fehr nun auch vielfach nach Rußland   hineinge­drungen ist und das Land schon ca. 22000 erst an Eisenbahnlinien besizt.

Lawotschnik.

Dieses Volt hat in seinem Karakter etwas Unruhiges und

des Großfürsten auserwählt. Der Kreml  , der als gewaltige Steinveste im Jahre 1367 emporstieg, bildete von da ab die Burg des Großfürstentums, wo es sich gegen Angriffe von Osten und Westen zu halten verstand. Moskau   brannte mehr mals ganz ab und immer ward es verhältnismäßig rasch wieder aufgebaut. Doch wurden immer wieder eine Unzahl von höl zernen Gebäuden errichtet und dadurch die alte Feuersgefahr aufrecht erhalten. Denn der Moskowiter hat gern sein eigenes Haus, und wenn er sich, was meistens der Fall ist, keines aus Stein bauen kann, baut er sich eben eines aus Holz. Nach dem großen Brande bei Napoleons   Einfall von 1812 wurde Moskau  

in seiner Bauart etwas verbessert; es waren von über 9000 Häusern noch etwa 500 steinerne und etwa 2000 hölzerne üb­rig geblieben. Die Tar­taren nahmen Moskau  auch 1382 ein und ver brannten es; 1571 wurde es von dem Khan Dewlet Girai belagert und zur Hälfte niedergebrannt. Im Anfang des 17.Jahr hunderts wurde es auf einige Zeit von den Po len besezt, bei deren Ver treibung 1612 die Stadt ebenfalls niederbrannte. Residenz des Barenreichs blieb Moskau   bis 1714. In diesem Jahr siedelte der Hof nach dem neuen St. Petersburg   über. Man begreift, daß diese Invasionen, Kata­strophen und Eroberun gen tiefe Nachwirkungen auf die Gestaltung der Stadt, auf die Sitten und Neigungen ihrer Einwohner zurücklaffen mußten. Nachdem sich die russischen Großfür ſten einmal in Moskau  festgesezt und dort einen Mittelpunkt für die Aus breitung ihrer Macht

und Herrschaft gefunden hatten, waren sie naturgemäß zu von Existenzen lassen sich nicht an einen bestimmten Ort fesseln. sichern. Dies suchten sie durch einen eisernen Despotismus Unstätes; es befindet sich in steter Bewegung und eine Menge nächst darauf bedacht, sich gegen Invasionen und Angriffe zu zu erreichen, mittels dessen sie alle Selbständigkeit niederdrückten und austilgten und aus der Bevölkerung eine stumme und inneren Asiens   entstanden ist. Das alte heilige" Moskau   aber zitternde, blind gehorchende Masse von Sklaven machten. Wie

Das sind die Ueberbleibsel des alten Nomadentums, das aus der langen und oft innigen Berührung mit den Stämmen des

bildet den festen Punkt, um den sich diese zahlreiche und un­ruhige Bevölkerung gruppirt; es ist für diese Menschen der Mittelpunkt der Welt.

des Kreuzzuges des Kaisers

Konrad III.   zum

erstenmal ur­

Bedeutung gehabt haben. Bald wurde sie der Zielpunkt der

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überall besaßen die Städte und Gemeinden auch in Rußland  eine Anzahl von feierlich gewährten Rechten und wohlverbrieften Die Stadt Moskau   wird im Jahre 1147, also zur Zeit Schwert und Feuer gehaust, wie sehr sie geraubt und geplündert Privilegien. Wie sehr auch die Mongolen und Tartaren mit hatten die alten Rechte der Städte und Gemeinden waren fundlich erwähnt, und die Stadt mag lange Zeit keine größere aufrecht erhalten geblieben. Die Hansa   war bis tief nach Ruß­ land   hinein vorgedrungen, und die alte Stadt Nischnei- Nowgorod Angriffe der Tartaren, die wiederholte und großartige Vorstöße gehörte diesem Bunde an. Sie hatte sich als Republik   aufrecht nach dem Westen unternahmen und 1241 sogar bis nach Breslau   erhalten und bildete ein mächtiges Bollwerk gegen die Mon vordrangen, nach der Schlacht bei Liegnig aber sich zurückzogen. golen und Tartaren. Allein dem furchtbaren Despoten Jwan IV., dann von den Moskowiten wieder aufgebaut und zur Residenz so gefährlich als die unabhängige Stadt Nischnei- Nowgorod  ; um dem Schrecklichen, erschienen die Tartaren und Mongolen nicht

Im Jahr 1237 wurde Moskau   von den Tartaren verbrannt,