1570 überfiel er die Stadt und ließ an 60 000 Menschen um­bringen. Mit blutiger Grausamkeit unterdrückte und vernichtete er alles, was sich von selbständigen Elementen in Rußland   noch vorfand. Die Strafe folgte bald, denn das so geschwächte Ruß­ land   unterlag 1571 den Tartaren, welche Moskau   bis auf den Kreml   eroberten und über 100 000 Gefangene mit sich fort­schleppten.

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Von der Zeit Jwans ab datirt die eigentliche Zwingherr schaft der Zaren. Die Neuerungen Peters I., den seine Schmeichler den Großen genannt haben, haben an dem innern Wesen des russischen Despotismus wenig oder gar nichts geändert. Starr und düster wie jener steinerne Riesenpalast, der Kreml  , liegt auf Rußland   heute noch der Bann eines Regierungssystems, das für seinen Bestand keinen anderen Grund mehr anführen kann, als daß es eben schon Jahrhunderte lang bestanden hat. Das heutige Moskau  rust in dem Geschichts­fundigen diese Erinne rungen durch sein Aeuße res wach. Schon der Anblick des weit ausge dehnten Häusermeeres zeigt, daß man es mit feiner eigentlich europäi schen, sondern orientali­schen Stadt zutun hat. Man erblickt über fünf­zehnhundert Türme mit den verschiedenartigsten Kuppeln, die zum Teil mit den buntesten Far­ben geschmückt sind, zum Teil in reicher Vergol dung strahlen. Da sind Kirchen, Kathedralen, Kapellen, Synagogen und Bethäuser von allen Formen und Farben ver­treten. Man deutet dies dahin, daß in Rußland  große und allgemeine Religionsfreiheit bestehe, da ja so verschiedene Glaubensgenossenschaf= ten in Rußland   ihre Gotteshäuser haben. Al­lein uns däucht, die russischen Regierungen hätten hier nur ihr wohl verstandenes Interesse gewahrt, indem sie all den Stämmen, die dem

schon in diesen Blättern enthalten war*). Der Kreml   bildet einen ganzen abgesonderten Stadtteil für sich und ist eigentlich eine fleine Stadt, aus Palästen, Kirchen, Kapellen, Höfen, Mauern, Türmen und Toren bestehend und etwa 2000 Ein­wohner zählend, deren es früher noch mehr waren.

In dem riesigen Zarenpalast, der über 700 Säle und Zimmer zählt, sind jene märchenhaften Schäze aufgehäuft, welche das Zarentum im Laufe der Jahrhunderte an sich gebracht hat. Hier befinden sich die goldenen, mit Edelsteinen geschmückten Kronen; darunter eine vom Jahr 1116, die vom griechischen Kaiser Kommnenos geschenkt wurde; die Krone des lezten Baren von Kasan   wird auf etwa 700 000 Rubel geschäzt. Dann stehen hier auch die Trone, darunter einer von massivem Silber und einer, der mit 2300 Edelsteinen besezt ist und von dem persischen Schah Abbas herrührt. Man sieht hier eine solche

Kaldun.

Baren untertan und zinspflichtig sind, die Ausübung ihres Kultus gewährleisteten. Das ist auch die einzige Konzession, die man in

Masse von Gold- und Silbergeschirr, daß man an die Märchen von Tausend und Eine Nacht erinnert wird. Dazu fommen noch die kost­baren Waffensammlun gen und das Rüstzeug; darunter befindet sich 3. B. ein Sattel, den der türkische Sultan ge schenkt hat und der auf 200 000 Silberrubel ge­schäzt wird. Eine lange Reihe von Schazkam­mern, Kellern, Gewölben

und Speichern dient dazu, diese Fülle von Schäzen aufzunehmen. Als Napoleon 1812   in Moskau   einrückte, hätte er selbstverständlich gern die Schäze des Kreml  erwischt und nach Paris  geschleppt, wie er überall tat. Allein man hatte. die Schäze des Zaren in Sicherheit gebracht, während die Privatper sonen zum großen Teil sich der abergläubischen Zuversicht hingaben, daß in das heilige" Moskau  fein Feind gelangen fön­ne. In der Tat war seit des falschen Demetrius Zeiten, da die Polen   in

Moskau   waren, also seit gerade 200 Jahren, kein Feind mehr in die Stadt an der Moskwa eingedrungen. Die Schäze des Kreml

Rußland gemacht hat, und sie ist offenbar für Volksstämme sind also noch da. Aber wer denkt heute an sie und was sollen berechnet, die auf einer noch wenig befriedigenden Kulturstufe sie heute dem Zaren? Man denkt an die furchtbare und tief­stehen, denn bei fortgeschrittenen Völkern verlangt man heute gehende Krisis, welche heute Rußland   erschüttert und nicht an denn doch etwas mehr als die bloße Duldung ihrer religiösen die Krone des Kaisers Kommnenos oder an den vergoldeten

Kultusformen.

Tronseffel des Schahs Abbas von Persien.

Unser Bild( S. 297) zeigt die berühmte Erlöserkirche. Es gibt zwei Erlöserkirchen, erstens die Erlöserkirche hinter dem

"

Die Berührung mit dem Orient findet sich aber auch in Da ist selten ein rein moderner oder europäischer Stil zu finden; goldenen Gitter." Das sogenannte goldene Gitter ist aus den Mostan bei näherer Betrachtung der Bauformen selbst vor. namentlich die Kirchen und Paläste weisen eine seltsame Kupfermünzen gegossen, die 1670 die Unzufriedenheit des Volkes Mischung von byzantinischen und tartarischen, ja ans Chinesische erregt hatten und infolge eines Aufstandes eingezogen wurden. erinnernden Formen auf, zwischen denen sich wiederum da und dort Anklänge an einen westlichen Stil vorfinden. Auch an die

Diese Kirche ist eine Hauskirche des Zaren. Die auf unserem Bilde dargestellte Erlöserkirche befindet sich außerhalb des Kreml  

merkwürdige Bauart der Perser mit ihren zwiebelförmigen Kup- und wurde vom Kaiser Nikolaus zum Andenken an das Jahr

peln erinnernde Gebäude sind vorhanden. Das hervorragendste

aller Gebäude ist natürlich der Kreml  , der alte Barenpalast

Rußlands  , dessen Beschreibung und Abbildung vor einiger Zeit tragen heute noch einiges zu jenem Aufsaze nach.

*) Siehe Rußlands Barenpalast", Neue Welt 1883, Nr. 31. Wir