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auf dem Plaz, der so grausige Szenen gesehen.
1812 erbaut. Es ist ein großartiges weißes Marmorgebäude| erbaut hatte, nicht mehr. Ein lebendiges Treiben wogt jezt mit einer ungeheuren Kuppel, die vielleicht die größte derartige Kuppel ist und deren Vergoldung allein eine million Rubel gefoftet hat. Da hat das Land seinen Sieg über Napoleon doppelt teuer bezahlen müssen.
Von der Erlöserkirche hinter dem goldenen Gitter geht es aus dem Kreml hinaus durch das düstre, mit einem gewaltigen Turm versehene Erlösertor. Durch dieses Tor pflegte früher der Zar bei seinem Einzug in den Kreml den Esel zu führen, auf dem der Metropolit saß; diese vielverspottete, aber der Tradition des Zarentums bei der Masse dienende Sitte wurde von Peter I. abgeschafft. Durch das Erlösertor geht es hinaus auf den sogenannten roten
Plaz, den früheren Richtplaz, der jezt natürlich keine Spuren seiner früheren furchtbaren Bestimmung mehr aufweist. Die Köpfe der Hingerichteten wurden auf diesem Plaze auf eiserne Stäbe gesteckt. Wahrscheinlich hat der„ rote Plaz" seinen Namen von dem vielen Blute, das dort geflossen ist. Hier fanden die gräßlichsten Würgeszenen der an solchen Dingen so reichen russischen Geschichte statt und im Jahre 1570 wurde hier von den Henkern Jwans des Schrecklichen jene große Massenhinrichtung vollzogen, bei welcher die des Einverständnisses mit der Stadt Nischnei- Nowgorod Angeklagten den schrecklichsten Martertod erleiden mußten. Wahrscheinlich hatten die meisten der so schmählich hingerichteten Moskowiter durch ihren Reichtum den Neid des Zaren erregt. Auf demselben roten Blaze hatte im Jahr 1547 derselbe Zar Jwan vor versammeltem Volfe sich selbst seiner Grausamkeiten angeklagt, da er Reue empfand. Die Neue hat freilich nicht lange angehalten. Auf dem roten Blaze wütete auch Peter, den man den Großen nennt, gegen seine Leibgarde, die Strelizen. Diese Strelizen waren von den Zaren, genau wie die Prätorianer im alten
In diesem düsteren Zwingpalast, dem Kreml , hat sich nie heiteres und fröhliches Leben entwickeln können. Die Kaiserinnen und die Frauen im Palast wurden wie Nonnen von der Außenwelt abgesperrt; sie durften den Hoffestlichkeiten nur durch ein fleines Guckfenster zusehen. Und auf diese Periode klösterlicher Abgeschlossenheit der Zarinnen folgte die der größten Ungebunden heit im 18. Jahrhundert; es tam Katharina I. mit ihrem merkwürdigen Vorleben und nach ihr kamen die Zarinnen Anna, Elisabeth und Katharina II. , die sich bekanntlich keinen Zwang auferlegten. So schnell entfernte man sich im aufblühenden
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Petersburg von den starren Traditionen des Kreml .
Ein für geistreich geltender Diplomat, der Fürst von Ligne, sagte, Moskau gliche einer Anzahl von Dör fern, bei denen die Hütten der Bauern um das Schloß des Gutsherrn herumstehen. Er hat damit das alte Mos kau, vor dem Brande von 1812, gemeint, und es mag auch seine Richtigkeit damit haben.
Wie kam es, daß dieses Volk sich so lange Jahrhun derte unter einem eisernen Despotismus beugen konnte und heute noch beugt? Es ist eben ein gar eigentüm licher Menschenschlag. Man darf den Moskowiten nicht nach den Kriegsberichten oder nach dem Gebrüll pans slavistischer Blätter oder nad dem Nihilismus beurteilen wollen. Der Moskowit iſt im ganzen der friedfertigste und sanfteste Mensch von der Welt. Das zeigt sich besonders in den Wirkungen des vielen Schnapses, den er trinkt. Bei uns in Deutsch land gibt es bei den Be trunkenen nur zu häufig Streit; man schimpft und prügelt sich und wird oft noch dafür bestraft. Das kommt beim Russen felten vor. Der vom Schnaps bes rauschte Russe wird zärtlich, was in manchen Fällen für den Mitmenschen vielleicht schlimmer ist, als wenn er umarmen und küssen sich. Diesen naiven Menschen imponirt der eiserne Zarendespotismus mit seinen drohenden Waffen und doch von ihrer Zustimmung abhängig. Peter suchte den Einfluß großen Stadt Moskau die Bildung unter der Masse nur ein dieser Garden zu beseitigen, und es gelang ihm, indem er die geringes Niveau erreicht. Diese Masse ist furchtsam, verarmt, Sache in seiner brutalen Weise angriff. Seine Schwester Sophie fromm, abergläubisch, wenn auch wieder in anderer Beziehung anstellig und geschickt. Aus ihr lassen sich jene Regimenter ging kaum dem Tode und wurde lebenslänglich eingesperrt; auf drillen, die mit blindem Gehorsam ins Feuer gehen; in ihrer .dem roten Plaze aber wurden einige hundert Strelizen hinge- Furcht erscheinen dieser Masse die Gebote der Disziplin wie ein richtet, teils mit dem Beil, teils durch den Galgen, und Sophie Fatum. Im Handel sind sie verschmizt, wenn sie auch noch so
Dwornik.
Thobe
Rom von den Cäsaren, gehätschelt und bevorzugt worden; sie streitsüchtig würde. Betrunkene Russen prügeln sich nicht, sondern
hatten daher sich auch in die Rolle der Prätorianer hereingefunden, und wenn sie auch nicht gerade wie jene Kaiser nach Belieben ab
so war die Beſfeſtigung der Herrschaft eines Baren
hatte sich mit den Strelizen wider ihn verschworen. Sie ent
mußte von einem Fenster aus zusehen. Peter soll eigenhändig Henkerarbeit verrichtet haben.
demütig erscheinen.
Als eine der interessantesten Figuren der russischen Bevöl Hente stehen auch die Kapellen, die man den Hingerichteten ferung gilt der Lawotschnit( S. 298), in dessen Lawka( Laden)