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So wenn sie Christus nicht als Allversöhner auffaßten, dessent­willen allen Christen ihre Sünden vergeben sein sollten, sondern eben nur als nachahmungswertes Vorbild; wenn sie ferner die Beseitigung aller leiblichen Not erstrebten, freilich nur auf Grund des kindischen Gedankens einer in Wahrheit gänzlich unmöglichen Gemeinschaft aller Güter; endlich, und wahrlich nicht zum min­desten, wenn sie Christus als einen Menschen betrachteten, der da war wie andre Menschen auch und nicht als Gott in eigener Person.

Da sie aber dennoch von der christlichen Religion nichts auf­geben mochten und dem leitenden Prinzipe der Reformatoren gleichfalls anhingen, wonach für Christentum und christliches Leben allein die Bibel maßgebend war, und da sie noch dazu die Prinzipienſtarren waren, welche sich kein Tüpfelchen über einem biblischen I, selbst des alten Testamentes, abhandeln lassen wollten, so mußten sie notwendig sogleich mit allen Anders­meinenden in schwere Konflifte kommen.

In der Schweiz   traten die Wiedertäufer allerdings im ganzen nicht so gar schroff auf; es fiel ihnen nicht ein, ihren Tesen mit Gewalt Verbreitung schaffen zu wollen, aber die Zeit der Lehrfreiheit für alle Meinungen war noch lange nicht angebrochen und kann im Machtbereiche irgend einer der Religionen, welche die Kulturgeschichte der Menschheit kennt, mit einziger Aus­nahme etwa eines geläuterten Buddhismus  , anbrechen.

auch niemals

Die schweizerischen Wiedertäufer mußten also mit Zwingli  in Kampf geraten, und diesen versuchte man, wie üblich, durch eine Disputation auszufechten. Dieselbe fand im Großmünster bor einer zahlreichen Zuhörerschaft statt und dauerte drei Tage ( vom 6. bis 8. November 1525). Auf Seiten der Wiedertäufer stritten Grebel, Manz und der ehemalige Mönch Blaurock und neben Zwingli   standen Leo Jud   und Megander.

Zu ernstlichem Widerstande gegen die weit um sich greifende Reformation hatten sich die Kantone Luzern  , Uri, Schwyz  , Unterwalden, Zug und Freiburg   miteinander eng verbündet.

Zürich  , dessen Rat u. a. auch darum von der Zwinglischen Reformation nicht lassen wollte, weil sie ihm durch die Ein­ziehung der Klosterschäze ungeheure Reichtümer an Gold, Silber und Kostbarkeiten aller Art eingetragen, hatte dagegen bei Zeiten zum Kriege gerüstet und sich der Treue seiner Gemeinden nach Möglichkeit versichert.

Indessen, ehe es zum blutigen Kampfe kam, versuchte man noch einmal ein großes Religionsgespräch; diesmal aber wurde es von den Päbstlichen ganz nach dem Muster der züricher Reformirten so präparirt, daß es zu Gunsten Roms ausfallen mußte.

Der gelehrte Generalvifar Dr. Faber wollte Revanche für

den Mißerfolg auf seiner lezten Disputation mit Zwingli   haben, daher wurde das neue Gespräch nicht in Zürichs   Mauern, sondern. nach dem kleinen Ort Baden verlegt, wo die Päbstlichen die Oberhand hatten. Am 26. Mai 1526 begann die Redeschlacht; als Hauptkämpe der Katolischen war der gefürchtete Dr. Eck  aus Ingolstadt   erschienen, indes die Reformation durch Deko­lampadius vertreten wurde. Zwingli   war wohlweislich nicht erschienen, der züricher Rat hatte ihm die persönliche Teilname

daran sogar ausdrücklich verboten. Es wäre ihm diesmal auch sicherlich nicht nur an die Lehre, sondern vielmehr ans Leben gegangen. Eck und Faber hatten bereits offen erklärt, daß man wider die Kezer am besten mit Feuer und Schwert disputire, und zehn Tage vor Beginn der Disputation waren in Schwyz  unter Fabers Vorsiz auch schon zwei Männer, deren einer der Prediger Hügli war, wegen ihrer Reformationsfreundlichkeit ver­

brannt worden.

Daß Zwingli   während der ganzen Dauer des Gesprächs mitwirkte, indem er auf die täglich seitens seiner Freunde an ihn ergehenden Mitteilungen über das, was Eck gesprochen,

Tag um Tag in furchtbarster Arbeitsanstrengung Material zur

Auch diesmal hatte der züricher Rat zu entscheiden und entschied natürlich wie immer zu Gunsten Zwinglis. Die Wieder täufer wurden als unzulässige Sekte und Rotte" erklärt und ihre Führer ernstlich vermahnt, ihrem Irrtum zu entsagen." Widerlegung Eds zusammentrug und nach Baden sandte, nüzte

Einige sperrte man ein, ließ sie jedoch bald wieder frei, verbot dagegen die Wiedertaufe bei Strafe von ein Mark Silber  .

gar nichts. Die große Mehrheit der Anwesenden erklärte die Reformation für besiegt und abgetan, Eck verdammte Zwingli Man kann sich denken, daß damit die Bewegung noch lange als Tyrannen von Zürich  , als Heiligenschänder und Kirchen­nicht erstickt war. Herüber und hinüber wogte noch lange der Kampf, räuber und Dr. Murner schimpfte womöglich noch ärger auf insbesondere mit dem nach Zürich   gekommenen wiedertäuferischen ihn und seine Feigheit, die ihn von Baden ferngehalten hätte.. Propheten Balthasar Hubmeyer.

Allerlei sittliche Exzesse, zu

Nun verhängten neun Kantone über ihn und seine Freunde

denen sich die Wiedertäufer auf ihre evangelische Freiheit trozend den großen Bann, die Verbreitung reformatorischer Schriften verstiegen, gaben den willkommenen Anlaß zu energischem wurde auf das strengste verboten und der Rat von Zürich   auf­Einschreiten gegen sie sie lehrten ut unum habemus spiri- gefordert, Zwingli   zum Schweigen zu bringen.

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tum, ita et unum corpus sumus*) und feierten diesem Grundsaze gemäß fleißig nuptiae spirituales**, bei denen es über die Maßen fleischlich zuging.

Daraufhin erließ man wider sie am 7. März 1526 eine

Lezterer antwortete in einer geharnischten Schrift und der Rat nahm ihn tapfer in Schuz.

Zweifellos wäre es schon jezt zum Bürgerkrieg gekommen,

Verordnung, wonach auf die Wiedertaufe und deren Begünstigung zu einem Kriege gegen den Kaiser unternommen und dies die die Ertränkung gesezt wurde. Auch jezt verharrten die Wieder- eidgenössische Kriegslust augenblicklich in andere Bahnen geleitet täufer bei ihren Glaubensmeinungen, da sie die Schwächeren hätte. waren, sehr zu ihrem Schaden, denn nun tat man, wie gedroht

worden war.

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Zwingli und seine Gesinnungsgenossen benuzten diese Gunst der Zeit mit Aufgebot aller Kräfte, und es gelang ihnen im

Biele wurden Landes verwiesen, Blaurock wurde ausgepeitscht Jahre 1528 Bern völlig auf ihre Seite zu ziehen. Anfangs

und der gelehrte Manz und nach ihm noch zwei andere wurden

wirklich ertränkt.

1529 folgten Basel  , St. Gallen   und kurz darauf auch Schaff­ hausen   nach, Appenzell  , Außer- Rhoden wurden gleichfalls ganz

Basel   und Schaffhausen   zu einem gleichförmigen Vorgehen gegen Reformation vielverheißende Fortschritte. Mit dem Bunde der Städte Zürich  , Bern  , St. Gallen  , gewonnen, in Graubünden  , Glarus   und Solothurn   machte die

die Wiedertäufer, vom 14. Auguſt 1529, war deren Schicksal

Zum Schirme der evangelischen Lehre hatte Zürich   zuerst

in der Schweiz   besiegelt; nicht mehr als kleine, stille, einfluß mit Konstanz  , jezt nun auch mit Bern  , St. Gallen  , Biel  , Mühl­

lose Setten blieben von ihnen übrig.

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hausen, Basel  , Schaffhausen   und Straßburg   ein Bündnis ab­

So stand 1529 alles gut für die schweizerische Reformation und Zwingli auf der Höhe seiner Macht und seines Ansehens.

Der lezte der drei großen Kämpfe, die Zwingli   auszu geschlossen. fechten hatte, sollte weit minder glücklich für ihn persönlich ausgehen, als die beiden anderen der Kampf mit Rom   und seinen Anhängern in der Schweiz  .

Leib.

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*) Wir wir allesammt eines Geistes sind, so sind wir auch ein

**) Geistige Hochzeiten.

Jedoch der Kampf mit den dem Pabsttum anhängenden Kantonen tam nicht einen Augenblick zur Ruhe und ging schließ­lich in eine Reihe unerträglicher Plänkeleien und gegenseitiger Anfeindungen über, welche den offenen Krieg als unvermeidlich erscheinen ließen.