" Wie meinen Sie das?"

Die Leute wohnen miserabel, man müßte ihnen aber be­fehlen, ihre schlechten gesundheitsschädlichen Quartiere zu ver­lassen, diesen Herd der Ansteckung. Sobald sie besser wohnen, werden sie gesünder sein, sie werden dann mehr arbeiten können und mehr verdienen, da haben Sie die Lösung. Dann ver möchte auch unsereiner mit ihnen umzugehen, um im guten Sinne, im echt christlichen Sinne, Sie verstehen mich, auf sie 31 wirken, aber so. Sehen Sie, bei meiner ungeheuren Popularität ich habe Millionen hinter mir, muß ich doch hie und da mit den Leuten verfehren sie drängen sich an mich, und da kneipe ich dann mit ihnen. Aber es foſtet mich einige Ueberwindung, ich leide unter ihrer Armseligkeit, und mitunter auch unter ihrer Dummheit."

-

Der Doktor nickte wieder in seiner anzüglichen Weise: Die Welt hat am häufigsten unter der Dummheit zu leiden."

319

" Entschieden, ganz entschieden, deshalb trete ich auch für die Aufklärung ein, für die Bildung des Volkes," er schenkte sich den Rest aus seiner Flasche ein und stürzte ihn hinunter, ich tämpfe unaufhörlich dafür, aber-" er nahm eine geheimnis bolle Miene an, es gibt jezt solche Strömungen-! Da haben Sie die Christlichen und die Sozialen, die gehen auseinander, ich habe nun die Idee, das heißt, ich habe auch die Idee, sie miteinander zu verbinden. Dabei werde ich immer die per­sönliche Freiheit verteidigen. Das Individuum muß frei sein. Ich muß z. B. tun können, was ich will. Meine Stellung, meine Bildung bieten sichere Garantien, daß ich nie etwas Dummes tun werde."

Ein tosender Lärm, lautes Bravorufen, wütendes Hände flatschen schnitt jede weitere Auseinandersezung ab. Der Doktor und Biedermann näherten sich der Tür, aber diese ward auf­gerissen und eine Anzahl Abgeordneter drang in die Couloirs in augenscheinlicher heftiger Bewegung.

" Er hat den Ordnungsruf erhalten."

" Der Präsident hätte ihm längst das Wort entziehen sollen." Es ist unerhört!"

" Und die Galerien haben mitgeklatscht und mitgejubelt." " Er hat die Regierung in der frechsten Weise angegriffen." " Das kann zu einer Krise führen."

So erscholl es wirr durcheinander.

Bald darauf trat Reinthal mit mehreren Mitgliedern der Linken ein. Er hatte seine Rede beendet. Alles drängte sich ihm nach. Seine Anhänger beglückwünschten ihn und die Dva­

darum wagen sie sich so weit vor; sie stellen Forderungen, weil sie voraussezen, daß sie nicht angenommen werden."

" Ah, Sie meinen, Eminenz-"

" Daß sie nur den Schein der Freisinnigkeit für sich in Anspruch zu nehmen gedenken. Es ist auch nur eine Schein­freiheit, die sie brauchen, es ist die Freiheit des Kapitals. So­bald es sich darum handeln würde, das Proletariat zu demo­kratisiren und wahrhaft freiheitliche Institutionen zu schaffen, würden sie die ersten sein, die dagegen aufträten."

So würde es sich denn für uns darum handeln, diesen Schein zu zerstören?" fragte halb bestätigend der Graf.

Es wird sich für uns darum handeln, den Boden, den uns der Liberalismus entzogen hat, wieder zu gewinnen, das Vertrauen der Massen zurück zu erobern."

Der Liberalismus hat tiefe Wurzeln geschlagen."

" In den höheren Klassen, bei dem wohlhabenden Bürgertum, allerdings, aber der Kleinbauer, der Arbeiter der Kirchen­fürst dämpfte seine Stimme zu einem Flüsterton herab, während ein Strahl hämischer Freude aus seinen Augen sprühte, wir

werden das Proletariat gegen die Bourgeoisie ausspielen."

Das ist ein gefährliches Spiel, Eminenz."

Das wir gewinnen werden, gewinnen müssen, sobald wir

die Initiative ergreifen. Wir müssen wieder Fühlung mit dem

Volke gewinnen, und wir werden für seine Rechte eintreten." Auch für seine Freiheit?" fragte der Graf scharf.

Seine Eminenz hatte ein fast mitleidiges Achselzucken. Was ist Freiheit!? Eine Phrase. Wir werden das materielle Loos der unteren Klassen in etwas verbessern, wir werden es wenig­stens versuchen, und das ist auch alles, was sie verlangen."

D, sie begehren auch Teilnahme an der Politik, und ihr leztes Ziel würde der Volksstaat sein," versezte der Prinz und fügte dann mit unsäglichem Hochmut hinzu: Aber niemals

werden wir den Anfang mit Konzessionen machen, die uns auf das gleiche Niveau mit dem Proletariat herabdrücken würden, wir können es nicht, es wäre schlimmer als alles, es wäre Selbstmord."

Das Volk ist wie Wachs in der Hand desjenigen, der es zu lenken weiß," versezte der Priester sententiös, dann mit einem geistvollen Ausblick und indem seine Gestalt sich empor richtete, ,, aber die Kirche allein war allezeit erleuchtet und mächtig genug, um die wild aufsprießenden Keime des Verderbens und all den Sturm und Drang der Zeiten in geordnete Bahnen zu lenken. Sie vermochte es, da sie, einsichtig und weise, sich stets bemüht

tionen, die dem geistvollen Redner, dem freimütigen Abgeord- hat, die Zeit und ihre Bedürfnisse zu studiren. So war die

neten schon im Saale dargebracht wurden, sezten sich hier fort.

Weise; sein Lächeln war strahlend und sein schönes Gesicht leuchtete förmlich in Befriedigung auf.

Reinthal dankte allen in seiner liebenswürdigen gewinnenden und die Schule errichtet hat."

in das Konversationszimmer gekommen; ein hoher geistlicher Würderträger gesellte sich ihnen zu.

Prinz Stein und Graf Falkenau waren aus den Couloirs

Falkenau halblaut, an seinem Schnurrbart herumbeißend, von " Er ist wahnsinnig in seiner Opposition," sagte Graf der Kritik der bestehenden Verhältnisse ist er zu Anklagen über­gegangen und von seinen Forderungen zu Drohungen."

" Und seine Partei steht wie ein Mann zu ihm," rief Prinz

" Sie wäre auch wohl ohne das Hinzutun der Kirche er­richtet worden," bemerkte der Prinz, in seiner Erregung zum Widerspruch gestimmt.

Der Kirchenfürst hatte einen Blick von oben herab, den seinen Mund umspielte sein überlegenstes Lächeln. Sie wäre vielleicht

"

auch ohne Zutun errichtet worden," wiederholte er langsam,

aber, daß sie durch uns zustande kam, bezeugt unsere Weis­heit. Wir hatten die Initiative ergriffen und wir hatten uns dadurch zum Schöpfer und Herrn dieser Institution gemacht.

Wir hatten die Schule

überzeugt, wir werden es auch künftighin behaupten. Heute

Stein, und nicht ohne teatralische Emphase sezte er hinzu: Recht darauf unter alleu Umständen behauptet, und seien Sie und doch ist ihr einziges Streben, dieses Volk seiner höchsten stellt der Zeitgeist eine neuerliche Forderung auf, die Bedürf Diese Elenden, als Freunde des Volkes schreien sie sich aus, und wertvollsten Güter zu berauben und uns jeder Macht über nisse der Massen sind gewachsen, ihr Erwerb hat sich vermindert;

Dasselbe."

sollen, werden nur ihren eigenen Ruin besiegeln."

der Materialismus der Bourgeoisie und ihre unerfättliche Geld­

gier treibt dieses Uebel zu entfezlicher Höhe, wir haben den

Pauperismus, die Massenarmut vor uns, und die soziale Frage

Die Kurzsichtigen! Diese Bestrebungen, die uns verdrängen " So ist es, sie fofettiren mit ihrem Voltstum und prahlen erhebt sich als ein drohendes Gespenst. Vielleicht vermöchte die weiter und die Geister, die sie herausbeschworen, werden sie nicht dürfen es nicht darauf ankommen lassen, dürfen den Gesellschafts­mit ihrer Aufklärung und Freigeisterei, aber noch einen Schritt Notwendigkeit selbst diese Frage zu lösen, aber wir werden und

mehr los."

förper nicht solchen Konvulsionen und Kämpfen

überantworten;

Der Kirchenfürst hatte ruhig zugehört, er hatte ein feines auch hier müssen wir das Prävenire spielen, wir müssen die

Lösung der Frage in die Hand nehmen und werden sie in

faltes Lächeln und gleich fühl und ruhig war der Ton, mit dem er jezt in die Konversation eintrat:" Sie sind in der Minorität, unserem Sinne, das heißt, im besten Sinne lösen: Wir werden