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den manchesterliche Teoretiker nur durch den Egoismus des hätte, die Enquête nicht auf die 37„ Erhebungsgemeinden" zu Barzellenbauers bewirken zu können glauben*). beschränken.
Interessant ist auch der in Württemberg in den dreißiger und vierziger Jahren in den hohen politischen und wissen schaftlichen Streifen geführte Kampf über Gemeindebesiz und Parzellenbesiz, wobei die Regierung nachdrücklich durch den Professor Knaus in Tübingen die Vorzüge der Gemeindebewirtschaftung des Grund und Bodens verfechten ließ, während der berühmte Schuzzöllner List das Allmendwesen heftig angriff, woraus man ersieht, daß man ein guter Schuzzöllner und doch ein Manchestermann sein kann.
Die Regierung steht offenbar dem Ergebnis der Enquête mit gepreßtem Herzen gegenüber; wenn sie in ihrer Schlußbetrachtung über die Ergebnisse der Erhebung sagt, daß die Verschuldung des Grundbesizes in dem größten Teil des Landes ,, nicht den vielfach besorgten Umfang erreicht" habe; wenn ferner dem hinzugefügt wird, daß es auch Gemeinden„ mit beträchtlichen Kapitalansammlungen" gibt, so kann man fragen, ob denn in diesem Fall das Beispiel der 37 Gemeinden zur Beurteilung des ganzen Landes hinreicht. Aber bevor die Ergebnisse der amtlichen Erhebung veröffentlicht wurden, erschien in einer Fachzeitschrift*) ein sehr interessant und objektiv geschriebener Aufsaz, eine Art Vorbericht, betitelt:„ Die Lage der bäuerlichen Bevölkerung im Großherzogtum Baden ", verfaßt vom Ministerialrath Adolf Buchenberger in Karlsruhe , dem in seiner amtlichen Stellung die Resultate der Erhebung früher zugänglich waren, als dem größeren Publikum. Auch er ist in seinem Schlußworte bestrebt, die bäuerlichen Verhältnisse Badens als im ganzen und großen gesund darzustellen. Indessen vermögen die Schlußbetrachtungen Buchenbergers die drastischen Wirkungen der Ergebnisse der Erhebung ebensowenig abzuschwächen, als die schon erwähnten Schlußbemerkungen der Regierung. Die Regierung hat offenbar vergessen, daß Seite 67 ihres Berichts zu lesen ſteht:
" Bei alledem zeigen die Berechnungen, daß, wenn auch die Produktivität des Bodens gegen früher gesunken sein mag, weil die Steigerung der Roherträgnisse mit dem Steigen der Betriebskosten nicht gleichen Schritt hielt, diese Produktivität doch nicht bis zu dem Grade gemindert ist, daß eine Wiedererzeugung des Werts des Grund und Bodens durch Wirtschaftsüberschüsse zur Unmöglichkeit gemacht oder mit andern Worten, daß dem Grund und Boden
Eine umfassende Statistik, die uns einen tieferen Einblick in die Gesammtlage der deutschen Landwirtschaft geben könnte, ist nicht vorhanden. Es wäre keine leichte Arbeit, eine solche festzustellen, allein sie wäre auch keine Unmöglichkeit. Die Statistit scheint sich lieber mit dem Handel und dem städtischen Gewerbewesen zu befassen; in der Landwirtschaft haben es die einzelnen Staaten noch nicht einmal zu einer genauen Feststellung der auf dem Grund und Boden haftenden Schuldenlast gebracht. Man hat sich begnügt, die jährlich stattfindenden ZwangsverSteigerungen an Gütern und Liegenschaften zu notiren; aber haben wir genaue Feststellungen über den Durchschnittsertrag des Bodens? In den einzelnen Staaten weiß man nicht, in welchem Verhältnisse Ackerbau und Viehzucht zu einander stehen müssen, um den Bedürfnissen des Landes zu entsprechen. Man beachtet auch biel zu wenig, daß sich in vielen Industriebezirken die Bevöl ferung schon in eine halb bäuerliche und halb industrielle umgewandelt hat, vorläufig zum Schaden beider Teile. Und ist es wahr, was der berühmte Chemiker Justus von Liebig sagt, daß nämlich die Landwirtschaft eine Kuh sei, die man mit dem Fleische füttere, das man ihr von ihren eigenen Rippen schneide? Nun, es ist unter diesen Umständen immerhin eine an sich berdienstliche Sache, wenn eine Regierung sich entschließt, be= züglich der Lage der Landwirtschaft zuverlässige Belege zu schaffen. Die badische Regierung hat diesen Entschluß gefaßt und auch ausgeführt. Diese Regierung, die als liberal gilt, war wie es scheint, betroffen über die vielen Klagen und Beschwerden, die aus den bäuerlichen Kreisen erhoben wurden, umſomehr, als als die wichtigste und bedeutsamste in der ganzen Denkschrift man gemeinhin die ländliche Bevölkerung Badens als eine wohl der Regierung erschienen ist, verrät man den Kern dessen, was habende zu bezeichnen pflegte. Wer ein wenig näher mit diesen die Enquête festgestellt hat: das Parzellenwesen, das in Baden Zuständen bekannt war, der mußte sich schon vor längerer Zeit vorherrschend ist,**) hat die Produktivität des Grund und sagen, daß das Wort Wohlhabenheit, allgemein auf den süd- Bodens vermindert, ein Schaden, an deſſen Wiederherdeutschen resp. badischen Bauernstand angewendet, nur eine leere stellung unter den gegenwärtigen Verhältnissen gar nicht zu Phrase war. Wenn auch das Jahr 1848 die auf dem Bauern stand ruhenden Feudallasten beseitigt hatte, so mußte doch der „ freie" Barzellenbauer bald in die oben geschilderten Widersprüche mit unserer modernen wirtschaftlichen Zeitrichtung ge raten und so konnten die mannichfachsten Klagen nicht ausbleiben. Das Ministerium des Großherzogtums Baden tat ganz gut daran, der Sache offen ins Auge zu sehen. wahrscheinlich gehofft, die Untersuchung würde ergeben, daß ein großer Teil der Beschwerden, die ja nicht immer von den Bauern
die wichtige Eigenschaft, reproduktiv zu sein, völlig ge
nommen wäre."
Also ein ganz ferner und schwacher Hoffnungsschimmer ist
noch da. Welch trübe Resignation! Mit dieser Stelle, die uns
denken ist.
Unter den 37 Gemeinden befinden sich 13, welche noch Allmendland befizen, und es wird einstimmig konstatirt, daß die Allmenden für die unbemittelten Gemeindeglieder von größter Bedeutung sind. In einem Drt( Hemsbach ) bildet das Allmend land ein Drittel der Gemarkungsfläche; dennoch wirkt die
außerordentlich weitgehende Barzellirung des
Grund und Bodens erschwerend für den Betrieb."***) Aus dem reichen Material, das der Bericht der Regierung
selbst, sondern auch von Kammerrednern, Journalisten und poli- über die Ergebnisse der Erhebung enthält, begnügen wir uns tischen Agitatoren erhoben worden sind, unbegründet sei. In einiges hervorzuheben. Die Nachteile des bäuerlichen Kleindieser Hoffnung hat man sich offenbar getäuscht.
betriebs, resp. der Parzellenwirtschaft, treten in den von den
die Kammern, Erhebungskommissären konstatirten Tatsachen scharf hervor.
Im südlichen und nördlichen Hügelland Badens kommt noch die alte, die sog. reine Dreifelderwirtschaft vor, die
von der badischen Regierung im Jahre 1883 eine Enquête, eine statistische Erhebung über die Lage der Landwirtschaft im Großherzogtum Baden augeordnet. Man hätte Arbeit und Kosten primitivste Art der Bodenbewirtschaftung, während an einigen nicht scheuen und die Erhebung über das ganze Ländchen er
Orten die verbesserte Dreifelderwirtschaft besteht, welch
*) Bäuerliche Zustände in Deutschland ." Bericht, veröffentlicht vom Verein für Sozialpolitik. 3. Band. Leipzig 1883. Dunder und Humblot.
streden sollen. So aber wählte man 37 von den etwa 1600 lezteres System schon von Karl dem Großen eingerichtet worden Gemeinden Badens als„ Erhebungsgemeinden" und zwar in den verschiedenen Kreisen des langgestreckten Großherzogtums. Aus der Lage der Landwirtschaft in diesen Erhebungsgemeinden glaubte man einen Schluß auf deren Lage im ganzen Großherzogtum ziehen zu können, eine Annahme, die ja im allgemeinen als zulässig gelten mag, wenn man auch besser gethan
Siehe Laveleye, Das Ureigentum. Deutsch von Bücher.
**) ,, Offenbar greift in Baden eine sehr weitgehende Teilung des Grundbesizes plaz; fast ein Drittel des landwirtschaftlichen Geländes fällt in die unterste Besizgruppe.... Der Großgrundbesiz ist nur sehr schwach vertreten.... Die eigentlichen bäuerlichen Betriebe bildeten 59% oder erheblich mehr als die Hälfte des landwirtschaftlichen Areals." Buchenberger, Bäuerliche Zustände, S. 245. ***) Buchenberger, a. a. D. S. 281.