Unter den Schuljungen, die sämmtlich aufgeboten waren, war es bereits zu Streitigkeiten gekommen, und sie rannten hinter die Totenkammer, um ungestört auf einander losschlagen zu können.
Die kleinen Mädels aber umstanden zwei ihrer Genossinnen, die Töchter eines Steigers, die in weißen Kleidern erschienen waren, mit Blumenkränzen aus Organtin und Draht in den blonden Haaren, die in tausend Löckchen gebrannt, ihnen weit vom Kopfe abstanden.
Die weißen Mädchen sahen ungemein stolz aus, sie rührten sich nicht von der Stelle und nahmen die bewundernden Blicke der andern gleich einem Tribut entgegen, nur ihren besten Freundinnen ein wenig zulächelnd, was diese ermutigte, sie bei der Hand zu nehmen, um dann ebenfalls mit gehobnerem Bewußtsein um sich zu blicken.
Die Matronen schauten in gutmütiger Behaglichkeit auf die Kinder, und die eine oder die andere trat dann wohl an ihr Enkelkind oder Großnichtchen heran, um dieser das rote wollene Kopftuch fester zu binden, oder jener eine Schürze, die sich seit wärts geschoben, wieder an die rechte Stelle zu rücken.
Die unsere hat neulich ein neues Fürtuch friegt", erzählte das eine Mütterchen mit einem kleinen Lächeln der Eitelkeit, „ und sie hats heut umbinden dürfen, ist das a Freud' g'wesen! Und schaut's nur auf den Steiger seine Kinder, unser Herrgott muß selbst sein' Freud ' dran haben."
„ Na, und das schöne Wetter dazu," erwiderte eine Zweite, fromm die Hände faltend, die Heiligen haben halt doch ein gnädiges Einsehen."
" Ich halt so viel auf die Bittgäng", mischte sich eine Dritte ein;„ man bringt sich doch immer ein wengerl ein Trost mit und ein wengerl a Hoffnung, und man kann sich halt wieder ein zeitlang auf unsern Herrgott verlassen."
" Ja ja, so ein Tag ist nicht wie ein anderer; wenn man aufsteht, ist man schon ein ganz anderer Mensch und man denkt nicht an seine täglichen Sorgen, und das tut so gar wohl."
" Und' s gibt doch auch was zu sehen", versezte ein junges Weib, das ihr erstes Kind noch zu erwarten hatte, und unser einer fommt so gleich nirgends mehr hin. Jesus , heut wirds ja besonders schön, da kommt schon der Vorbeter, und schauts nur! jede Gmeind' hat ihren eigenen Herrgott, und ihre eigene Fahn'!"
Unter den Männern war die Unterhaltung nicht minder lebhaft gewesen.
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Hütten ganz unter Wasser g'sezt, und das bisserl Holz, das ich hab aufg'speichert g'habt, ist wegg'schwemmt."
" Ja ja, der Regen", seufzten alle.
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" Ich weiß nöt, seit die lezten zehn Jahr ist das so ein Teixels- Wetter!" rief der Gschwandtner, in Gewichtigkeit die Füße noch mehr auseinander spreizend, und ich sag euch's, paẞt's auf, es wird auch in dem Sommer noch nicht besser werden, und was uns nicht verfault, schlagt uns der Hagel z'samm; darum er öffnete seinen großen Mund zu einem pfiffigen Grinsen, wenn wir von der Kapellen zurück kommen, geh ich gleich nach Solenbad übri und laß mir meine Felder wieder assekuriren."
Der Vergrämte mit den eingefallenen Wangen schüttelte den Kopf. Ich weiß nicht, es lauft jezt alles zu den Juden und laßt sich verassekuriren, aber glaubt's ös denn wirklich, daß euch unser lieber Herrgott dann nimmer beikommen könnt?" Der Gschwandtner ließ den Mund hängen und verlegen fraute er sich hinter den Ohren.
„ Des mein ich nöt, Gott behüt', aber man hat halt doch a Sicherheit."
" Da gibts keine Sicherheit, Gschwandtner," entgegnete der Alte mit einem fast unheimlichen Gekrächze, und wenn unser Herrgott dich strafen will, so hat er Mittel genug, und wenn du dir deine Felder zehnmal gegen den Hagel versichern laßt, so kann er den Berg rutschet werden lassen und der deckt dir dann alles zu, und dich selber mit."
Alle bekreuzigten sich.
ich geh
„ Red' nicht so was," verwies der Gschwandtner, ja drum auch zum Bittgang, aber ich denk mir halt, doppelt bunden reißt nicht."
Der Holzhauer Franzel, sein Beil über die Schulter ge worfen, kam mit raschen Schritten daher. Als er die Leute ge wahr wurde und die Fahnen und Kreuze, blieb er stehen. Gr zog seinen Hut und machte ein Kreuz, dann winkte er den Männern zu und wollte an ihnen vorüber. Aber diese riefen ihn an und luden ihn ein mit ihnen zu kommen.
„ Unser Herrgott bringt dir's schon wieder ein, wenn du ihm zu lieb etwas versäumst," meinte der alte Michel.
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Glaub's schon, aber ich hab keine Zeit," entgegnete der Franzel.„ Ich komm vom Plattenberg, ich sag euch, es schaut grauslich da oben aus."
, Geh, was ist's denn, erzähl doch," alle drängten sich näher an ihn, mit ängstlich fragenden Mienen.
" Ha, im Sattel, grad oberm Bruch, gibts ein Stück Wald, das schon im vorigen Herbst anzeichnet worden ist, das sollt schlauen Augen und einem großen, lachenden Mund, einen langen g'haut werden. Ich steig hinauf, aber eh ich noch an die Stell
Tuchrock tragend, an dem noch silberne Knöpfe glänzten, war einer der wenigen, die noch etwas besaßen. Er rühmte sich,
vor kurzem wieder ein„ satrisch gutes G'schäftl" g'macht zu haben, da er das Stück Wald, das ihm noch übrig geblieben war, um ein höllisch g'salzenen Preis" weg'bracht hätt'.
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" Freilich,' s waren schöne Eichbäum d'runter," schmunzelte er, iezt san's schon z'sammg'haun, alles is schon g'fällt."
„ Aber' s heißt ja, es soll nichts mehr g'fällt werden bei
uns, weil so schon alles abg'holzt is", entgegnete der alte Michel, der, seit wir ihn zum leztenmal gesehen, zu den Jubilanten
gehörte, weil ihm der Salzberg so mächtig aufg'wachsen war,
daß er ihn nimmer zwingen konnte,„ und' s iſt ja a Straf' von fünfzig Kreuzern ausg'schrieben worden für jeden g'fällten
Baum."
tomm, fallt mir's auf, daß der Boden so viel Riß zeigt."
„ Weißt, Franzel," unterbrach ihn der alte Michel, den, nach einer Seite geneigten Kopf in gemütlicher Weise schüttelnd, „ drüber brauchst dich gewiß nicht zu ängsten, da oben hat der Berg die Riß schon seit zehn Jahren,' s ist auch schon unter sucht worden, aber da laßt sich halt nichts machen."
" Weiß' schon," entgegnete der Franzel ungeduldig, und fezte Hasenfuß bin, und wenn ich einmal eine G'fahr seh, da dann kräftiger hinzu:„ Na, ich bin dafür bekannt, daß ich kein wird's damit schon seine Richtigkeit haben. Ich und die wildhüter, wir haben's gar oft schon verspürt, wenn's unten mit
Boden schüttert, aber so wie heut hab ich's noch nie verspürt; und wie ich näher zuschau, seh ich, daß manche Tannen ganz Der Gschwandtner lachte, und mit seinen Augen zwinkernd: kreuz und quer stehen, wie von unten in der Wurzel g'hoben. Und wieder kommit ein Sprengschuß, und da war mir g'rad, was aus, wenn man dafür fünfzig Gulden herein friegen als wenn ich den Boden unter meinen Füßen verloren hätt
" No, so zahlt man halt die fünfzig Kreuzer, das macht weiter
fann."
"
Wenn nur das ewige Regenwetter ein End' nehmet," flagte ein Männchen mit einem zusammengeschrumpften, ver
und ich sch wie die Bäum' zittern und mir wird's schwarz vor den Augen. Wie wieder alles ruhig worden is, spring ich auf, nimm meine Hacken und da bin ich. Da oben aber wird nig grämten Gesichte, mein Grund liegt am Wasser, und alle Jahr mehr g'haut, das ist g'wiß, und unten sollt nir mehr g'sprengt
nimmt's mir was mit, das lezte Hochwasser hat mich ruinirt, wenn mir unser Herrgott nicht hilft, bin ich ein g'schlagener Mann."
" Ja ja, der Regen," bestätigte der Michel,„ mir hat's meine
werden."
In dem Augenblick trat der Pfarrer im Ornat aus dem Hause, und der Vorbeter suchte nun, gleich einem General, den
Zug zu organisiren.