von der Sucht nach der Nacktheit dermaßen angesteckt worden, daß sie sich auf die Straße begaben, ohne mit etwas anderem als mit einem ganz dünnen Schleier, der von den Schultern bis zu den Knieen ging, bekleidet zu sein. Sie wurden von der Volksmasse unter Spott und Hohn nach Hause gejagt.

Der Kleidung entsprach das Leben, das diese Gesellschaft führte, und Barras wurde bald für die männliche Welt das selbe, was die Tallien für die weibliche war. Die Wohnung des Direktors wurde der Schauplaz wüster Orgien. Da man Barras als die Seele des Direktoriums betrachtete, so trug seine Beteiligung an allen Ausschreitungen der vornehmen Welt nicht wenig dazu bei, Haß gegen das Direktorium zu erwecken und zu nähren. Der dritte im Bunde mit Barras und Tallien war Fréron  , dessen Zeitung das Lieblingsorgan dieser zügellosen Gesellschaft war.

Damals hatte schon jenes Erpressungssystem begonnen, mit dem das Direktorium den bis zur Leistungsunfähigkeit geschwäch­ten Finanzen Frankreichs   wieder aufhalf. Wo seine Heere ein­brachen, wurden Millionen und aber Millionen als Kriegskon­tributionen erpreßt und nach Paris   gesandt. Man begnügte sich nicht mit Geld, sondern nahm auch berühmte Gemälde und Statuen, überhaupt alle kostbaren Kunstsachen mit, die den fran zösischen Generalen gefielen. Die Direktoren sandten den Ge­neralen lange Anweisungen bezüglich der Erpressungen. Die Bonaparte, Masséna  , Augereau, Soult  , Moreau, Vandamme, Jourdan, Hoche, Kellermann, Souham, Saint Cyr, Kleber u. s. w. haben Millionen über Millionen erpreßt und nach Paris   gesandt. So hatte das Ausland die Orgien dieser repu­blikanischen Aristokratie zu bezahlen.

Unsere Illustration( S. 352/53) stellt einen Vormittag bei Barras vor. Der lüderliche Direktor nimmt die Huldigungen der nur zu zwei Dritteln bekleideten Damen entgegen, die seinen Hofstaat bilden. Die Staatsmänner und Generale treten zurück vor der Pracht und dem Glanz der weiblichen Toiletten, und auf Barras niederträchtigem Gesicht liegt ein Lächeln der Be­friedigung. Aber in der Ecke rechts steht der junge Mann mit langgelocktem Haar, dessen Bayonete bald diese verfaulte Ge­sellschaft) über den Haufen werfen werden, um an ihre Stelle einen eisernen Militärdespotismus zu sezen Napoleon Bonaparte  . Hinter Napoleon   steht in glänzender Husaren­uniform Murat, der in den Zeiten revolutionärer Hochflut sich

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* Napoleon   nannte den Barras und seine Partei die Verfaulten" ( les pourris).

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" Marat  " nannte und später König von Neapel werden sollte. Der Blick, den der kleine Korse" auf Barras wirft, verkündet den ganzen Ehrgeiz, der in seiner Brust stürmt und tobt.

Die Direktorialregierung, die in der Tat verfault" war, mußte bald ihrem Schicksal verfallen, wenn auch Barras und Tallien   mit allen Parteien konspirirten*). Umsonst stieß man beim Staatsstreich von 1797 den edlen Carnot aus; umsonst verlezte Barras die Verfassung und ließ eine Anzahl Mitglieder der Opposition in den gesezgebenden Körpern verhaften und zur Deportation verurteilen; die Position des Direktoriums wurde immer unhaltbarer. Die Personen wechselten; Merlin von Douay, Treilhard   u. a. kamen ins Direktorium, und zulezt der hinterlistige Sieyes, der sich sogleich nach Bonapartes   Rückkehr aus Egypten mit dem berühmten jungen General   zum Sturz der Regierung verband. Aber Bonaparte   überließ ihm nicht die Regierung, wie er gehofft hatte, sondern nahm alles für sich in Beschlag, und Sieyes sagte sich: Wir haben einen Herrn". Man hatte diesen Herrn auch verdient.

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Barras, der bis zulezt im Direktorium geblieben war, wurde von Napoleon   genötigt, sich auf sein Gut Grosbois zurück­zuziehen, wohin ihn Napoleon   zum Schuze" durch eine Schwa dron Husaren begleiten ließ. Er lebte noch eine Weile in Frankreich  ; da Napoleon   aber von seinen Konspirationen Kennt nis. bekam, mußte Barras Frankreich   verlassen.

Ludwig XVI.   gestimmt hatten, aus Frankreich   ausgewiesen, jos 1816 wurden alle Konventsmitglieder, die für den Tod weit sie noch am Leben waren; nur Barras und Tallien blieben davon ausgenommen. Man hielt sie deshalb für geheime Ans hänger der Bourbonen  . Als Barras 1829 starb, ließ die Re gierung seine sämmtlichen Papiere sofort mit Beschlag belegen. Tallien starb verachtet und vergessen 1820 zu Paris  .

Jahre III sei für Frankreich   die vernünftigste gewesen, so kann Wenn der Kulturhistoriker Kolb sagt, die Verfassung vom man darüber streiten; das aber steht fest, daß selten eine Ver fassung auf einer forrupteren Basis stand, als jene Verfassung, die sich auf die Schultern der aristokratischen Bourgeoisie der Direktorialzeit gestützt hat.

*) Barras konspirirte mit Royalisten, Demokraten und sogar, wie es scheint, mit dem Kommunisten Babeus; Tallien   wurde als heim­licher Royalist verdächtig; um seinen Ruf wieder aufzufrischen, hatte er 1795 nach der Schlacht von Quiberon   etwa 600 gefangene Emigranten, die Frankreich   mit den Waffen in der Hand und mit englischer Hilfe

angegriffen hatten, erschießen lassen.

Aus der Franzosenzeit.

Erzählung von Franz Lehmann.

( Schluß.)

Der eine Schurke hatte Luisen, die einer Ohnmacht nahe ordnet? Auf der Stelle gebt euren Raub wieder und entfernt

war, schon zur Tür hinausgeschoben, und der andere machte sich das teuflische Vergnügen, meinem Vater das Bajonet so fest gegen die Brust zu drücken, daß es den Rock durchdrang

Kapitän melde. Ihr wißt, was euch dann erwartet!" euch, wenn Ihr nicht wollt, daß ich eure Handlungsweise dem und die Haut rizte. Da klang ein neuer Schritt auf der Treppe; beutel wieder aus und schlichen wie ein paar begoffene Hunde Ohne ein Wort zu entgegnen leerten die Kerle ihre Brot

ich konnte nicht sehen, wer kam, aber ich hörte einen furzen, heftigen Wortwechsel in französischer Sprache, und gleich darauf trat der Korporal Morin, die leblose Luise in den Armen

die Treppe hinunter.

" Gott   sei Dank," sagte Morin, uns allen die Hand reichend, daß mich mein Dienst nochmals in die Stadt zurückführte. Ich haltend, von dem Voltigeur gefolgt, dessen Augen Blize ohn ahnte ähnliches und eilte, nachdem ich mich meines Dienstes

mächtiger Wut zu sprühen schienen, in die Kammer.

Er legte das Mädchen sanft auf mein Bett, dann schlug er das Bajonet zur Seite, das noch immer meinen Vater bedrohte.

entledigt, nochmals hierher. Gottlob tam ich noch zu rechter

Zeit."

Keines von uns war eines Wortes mächtig, nur durch Blide konnten wir dem wackern Manne danken. Doch dieser schien Er brauchte nicht viel zu fragen. Die Situation, in der wir nichts davon zu bemerken, seine Augen ruhten allein auf Luisen,

uns befanden, die schweren Leinwandsäcke der Soldaten, das Loch in der Mauer sagten ihm alles.

die sich eben von ihrer Betäubung zu erholen begann.

Da schallte Trommelwirbel von der Straße herauf, Morin an, ist das eure Tapferkeit, wehrlose Bürger auszuplündern der Hand über die Stirn, als ob er einen Gedanken, deffen Schurken, Hunde, die Ihr seid," schrie er die Voltigeurs fuhr wie aus tiefem Traume erwachend auf und strich sich mit

"

und zu verlezen; habt Ihr den gestrigen Armeebefeht vergessen, der bei strenger Strafe die Schonung des Privateigentums an

Ausführung unmöglich war, verscheuchen wolle.

Es wird Allarm geschlagen, ich muß fort, lebt alle wohl!"