2) Der Glaube ist ein Aft des Willens, das instrumentum, quo Christum apprehendimus, gleichsam die Hand des Bettlers, die sich der dargebotenen Gabe öffnet und dieselbe ergreift( sic!).
3) So wird der Mensch gerecht sola fide und zwar per fidem, nicht propter fidem, d. h. nicht als Belohnung für die sittliche Tat des Glaubens(!). Die Rechtfertigung selbst besteht negativ in der Vergebung der Sünden, positiv c..... Der Akt der Rechtfertigung ist also keine Gerechtmachung, sondern ein ,, actus forensis"(?). Indem der Mensch durch den Glauben Christi und sein Verdienst gleichsam als Schild und Schirm gegen Gottes Gerechtigkeit vor sich hält, sieht Gott denselben als durch die Gerechtigkeit Christi gedeckt an"-
-
(!) 2C.
-
Mit solcher scholastischen Kazenmusik mordet man in deutschen Gymnasien die kostbare Zeit! Mit scholastischer Weisheit, die in ein Priesterseminar gehört, aber nicht in cine Erziehungsschule für unsere künftigen Politiker und Lehrer! nicht vor sechzehn bis siebzehnjährige Jungen, die besser in der Naturgeschichte oder in einem Physikbuch ſtudirten. Aber die Naturwissenschaft ist ja der„ böse Feind", vor dem man das Kreuz schlägt und deren Verachtung man dem jugendlichen Scholastiker schon frühe einprägt. Keine Gelegenheit wird versäumt( und jüngere Leser werden das aus der eigenen Gymnasialzeit bezeugen), um so früh als möglich den Widerwillen gegen jede fortschrittliche Errungenschaft zu säen- um an die Männer der neuen Zeit, besonders natürlich an Darwinden tendenziösesten Spott zu vergeuden! Tatsächlich muß in den Augen des jungen aufwachsenden Weltbürgers die Freiheit oder der Fortschritt als identisch mit Zügellosigkeit und Verbrechen erscheinen.
358
Ein anderer Grund fällt für die Zustände von heute nicht weniger ins Gewicht-die tendenziöse Entstellung der Geschichte und ganz besonders die allgemeine Vernachlässigung der historischen Kenntnis der Neuzeit. Da ist wohl von Griechen und Römern, und zumal von den römischen Im peratoren bis ins kleinste Detailchen die Rede; die Neuzeit dagegen und die Kulturgeschichte( die doch vor allem bleibenden Wert hat) bleibt dem Schüler verschlossen. Der Zusammenhang aller neugeschichtlichen Ereignisse bleibt ihm ewig verschleiert. Für die Verneinung der Rechtsbegriffe und für die Abstumpfung der guten natürlichen Vernunft sorgt nicht blos der Religionslehrer, sondern selbst die Herren klassischen Philologen sorgen dafür und der konservativste derselben, der römische Cicero mit seiner Heze auf die ,, homines novarum rerum cupidi"-die Freunde des Neuen, der fortschreitenden Ent widlung. Ergo ist alles, was nach freiheitlicher Entwicklung riecht, der Mephisto, der Teufel unseres Volfes.
Es scheint wirklich mitunter, als seien unsere Gymnasien fein Institut für Verbreitung von Wissenschaft und Humanität, sondern eine Zuchtanstalt für Minnigerodes und Redakteure der Kreuzzeitung "!
"
So betritt also der Gymnasiast mit einem Tornister voll Dogmen und lateinischer Sentenzen die Universität; hier er
wartet ihn zunächst nicht ein ernſtes Studium, das ihn allein noch retten tönnte aus der geistigen Versumpfung sondern die Genüsse, die lange ersehnten idealen Biertöpfe Akade
-
miens". Es gehört zum bon ton, daß der moderne Studiosus
die paar ersten Semester verbummelt"- das„ wie" haben wir geschildert. Ob aber ein solches Leben gerade belebend oder anregend auf die schon erschlafften Nerven, auf das ein
-
11
-
liche Auftreten, wie es zur Zeit der Befreiungskriege bis zu den dreißiger und vierziger Jahren herrschte, heutzutage mit Vorliebe in ein feckes, provozirendes Wesen umschlägt. Und ob die schwer definirbare studentische Ehre" nicht sehr oft das Duell aus einer Waffe des Rechts und des Gekränkten, zum Spielzeug oder zur Waffe des Unrechtes und frivolen Uebermuts macht, das ist sichec eine eigene schwerwiegende Frage. Wir verweisen hierbei nur auf die Vorschläge Dr. Kösters über eine studentische Reform; speziell in den Burschenschaften. Aber revenons à nos moutons unser Studententum frankt entschieden an einem sehr ernsten und sehr traurigen, vielleicht unheilbaren Leiden- an demselben, wie ein Teil unserer Armee. Die frische frohe Lust von ehemals ist geschwundendie Luft von heute ist mit schädlichen Gasen geschwängert. Unser Studententum schält sich immer mehr vom Volksleben los, tritt über und außer das Volk, bildet einen Staat, eine Sphäre für sich, die in diametralem Gegensaze mit den Interessen der Gesammtheit steht. Zu keiner Zeit war der Abstand von Studententum und Volksleben der in den Jahren des sog.„ Befreiungskriegs" bekanntlich gar nicht eristirte und z. B. auch in Frankreich noch heute nicht existirt in unserer Zeit.
-
-
-
so martirt, als Je mehr die Regierung sich in gewissen Gegensaz stellt zu den Interessen der Bevölkerung und in geistiger Beziehung die Zensur und die Intoleranz wieder einführt in demselben Verhältnisse folgt ihr unsere akademische Jugend, die auf die Staatskarriere angewiesen ist à tout prix! Die„ Staats farriere" bildet heute eine ganz andere Lockung als früher. Vor allem ist der leitende Staatsmann, der„ eiserne Kanzler," der die Telegramme unserer Studirenden entgegennimmt und beantwortet, natürlich das Ideal jedes jungen Juristen, jedes Strebenden oder auch- Strebers. Ihm gleichzukommen, oder nur wenigstens unter ihm eine Rolle zu spielen ist der einzige Wunsch aller fünf Fakultäten. Also Karriere machen um jeden Preis! Karriere und Orden und Titel!
klärung
-
-
Das ist zu beklagen, denn der Egoismus muß jedes Jdeal, jedes höhere Streben ersticken. Der Karriere opfert der jugendliche„ Streber" alles vielleicht die leise, halb unbewußte Regung des Rechts, die troz seiner Erziehung hin und wieder sich in ihm geltend macht. Auch der Zusammenhang mit dem Militär hat seine sonderbare Wirkung. Denn das Ideal unserer Studenten ist nicht mehr das, sich zu bilden, zu er ziehen für das Volk, für die Menschheit- hinauszugehen in die Nacht des Geistes mit der Fackel der Erleuchtung, der Aufmit dem Schlechten zu kämpfen, komme es von oben oder von unten und auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Gott bewahre! unser Durchschnittsstudent findet seinen siebenten Himmel allein in dem rotblauen Rock mit den Lieutenants Epauletten. Reservelieutenant meine Wonne, mein Stolz und mein Glück! Es ist keine tendenziöse Lüge und feine Phantasie, daß selbst kollegienergraute und narbenvolle Häupter mit fast kindlichem Schauer Abends und Morgens um die Epauletten beten. Und welch Hochgefühl erst, darf sich der junge Reservelieutenant an einem Feste in Uniform
-
zeigen!-
-
Welch paradisische Wonne!-
auf Ehre!
Dies ist der Boden, auf dem die antisemitische Pro
-
stärker war, als die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt auch einen Widerhall auf unseren Universitäten, der um fo geschläferte Gehirn wirken fann, ist eine Frage, die die Herren fleinen, auserwählten Kreis der Hörer der naturwissenschaftlichen Inisse und die Schlußziehung aus denselben auf einen relativ
Aerzte beantworten mögen.
Das Verbindungsleben unserer deutschen Jugend hat un
Fakultät beschränkt ist. Die rüstige Agitation des„ Vereines streitig seine idealen Seiten( vielleicht hatte es diese nur). Reichshauptstadt Sensation- denn sie nannten sich„ Studenten" deutscher Studenten", der Nobelgarde Stöckers, erregte in der
Die Erziehung des jüngeren Mitglieds durch die Korporation zum„ forschen Burschen" oder zum„ Mann"( wie man sich ausdrückt) trägt aber oft einseitige Früchte. Man gewöhnt sich allerdings ein sicheres Auftreten an, lernt Gehorsam und den
d. h. der Wissenschaft Beslissene!-
-Wer lacht nicht mit?
Der Altgermanismus schoß endlich so dick in die Halme, daß bald, vielleicht heute noch, weder Korps, Burschenschaften, andere Couleurverbindungen, noch selbst Turnvereine Stat, alles sehr löbliche Aufgaben unseres Jahrhunderts. Der Israeliten oder freisinnige Studenten aufnahmen! Es fam sogar vor, daß Mitglieder dimittirt wurden, nur weil sie Ber
-