hieraus sehen wir denn ganz vorzüglich, wie sehr sich die Werke der Natur von denen der Menschenhände unterscheiden. Denn während die geringste Pflanze und das niedrigste Tier jene wunderbare Kraft in sehr hohen Grade besizen, ist auf der andern Seite die künstlichste und vollkommenste Maschine, sobald nur ein kleines Rädchen oder Federchen in derselben seinen Dienst versagt, außer Stande, sich von selbst wieder herzustellen; diese Eigenschaft ihren Bildungen mitzuteilen, vermögen mensch liche Werkmeister nicht.

Bei näherer Vergleichung jedoch ergibt es sich, daß wiewohl kein einziger organischer Körper der Reproduktionskraft gänzlich ermangelt, diese Kraft dennoch bei den auf einer niedrigen Naturstufe stehenden Geschöpfen sich stärker äußert als bei den vollkommneren Gattungen. So finden wir, daß der Mensch, das vollkommenste Wesen der Natur, sowie die ihm zunächst stehenden Tiere die eingeschränkteste Reproduktionskraft befizen, während wir dieselbe ganz vorzüglich an einigen Amphibien, In­sekten, Würmern und Weichtieren, z. B. an mehreren Eidechsen­gattungen, an den Krebsen, den Schnecken, den Regenwürmern, Seesternen, Armpolypen wahrnehmen; und auch in dieser An­ordnung zeigt sich die Natur sehr weise. Denn allerdings stehen demjenigen Geschöpf, das mit den höheren Seelen- und Geistes­fräften begabt ist, ganz andere Mittel zu Gebote, um sein Dasein zu schüzen und sich vor Verlezung und Verstümmelung zu bewahren.

Betrachten wir nun einige dieser Geschöpfe aus dem Reiche der Tiere, bei denen sich die wiedererzeugende Kraft am stärksten äußert, etwas näher. Einen schlagenden Beweis für bezeichnete Kraft liefert uns z. B. der Punktsalamander. Der Körper dieses Tiers, das an Größe die gemeine Eidechse nicht sehr übertrifft, ist oberhalb von hellbrauner, unterhalb aber von röt­licher Farbe und überall mit kleinen runden schwärzlichen Flecken besezt; der Rücken des Männchens zeigt im Frühjahre einen fortlaufenden zierlich gezackten Kamm. Nehmen wir eines dieser Tiere, welches ein Bein glatt vom Leibe weg verloren hat, und sezen es in ein Wasserbecken, wo wir gewiß sind, daß es nach acht Tagen wiederzufinden, so werden wir nach Verlauf dieser Zeit an der Stelle des abgeschnittenen Gliedes einen Stumpf finden, der sich bereits zu der Form eines Ellbogens verlängert; nach einigen Tagen hat dieser Stumpf bereits eine ausgeprägte Form angenommen, und wir entdecken nun leicht den Arm und Vorderarm, dessen Ende sich schon in die Gestalt einer Pfote ausbreitet, an der wir in kurzer Zeit sich auch die Zehen werden bilden sehen. Endlich nach Verlauf eines Monats, je nachdem das Wetter warm ist, hat unser Salamander sein vollständiges Bein wieder erlangt, daß den übrigen, wie ein Ei dem andern, gleicht; Muskeln, Nerven, Adern, Knochen und Ligamente, alles

ist vollständig. Wollten wir grausam sein, so könnten wir nun dem

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Tiere das Bein zum zweitenmale abnehmen, um es in kurzer Zeit ebenso wieder ersezt zu sehen. Ja zwei, drei und alle vier Beine könnten wir dem Tier abnehmen und es würde darum doch nicht sterben, sondern alle diese Glieder wieder er­zeugen. Man sollte glauben, daß hiermit die ersezende Kraft dieses Tieres aufhörte. Dies ist jedoch keineswegs der Fall.

Ein anderes ungemein reproduktives Tier, wenngleich nicht ganz in so hohem Grade, als der Salamander, ist die Schild­fröte. Auch diese ersezt, obwohl nicht in so furzer Zeit, ein verlorenes Glied. Besonders ist es die griechische Landschild­kröte, welche unter ihresgleichen die größte Reproduktionskraft äußert. Diesem gewöhnlich nur 15 bis 20 Centimeter langen Tiere, dessen hochgewölbtes Rückenschild jedoch, gleich einer Mosaikarbeit, auf das kunstvollste gezeichnet, und welches in Griechenland , Dalmatien , im südlichen Frankreich , Sardinien und Frankreich heimisch ist, wurde unlängst von einem französischen Naturforscher die Hirnschale geöffnet und ihres Inhalts entleert. Nach dieser Verstümmlung, die freilich sehr grausam ist, lebte das Tier noch sechs Monate lang in dem Garten des Besizers, wo es erst durch den Winterfrost getötet wurde.

Allein wir brauchen die Beispiele für diese außerordentliche Eigenschaft nicht erst in weitentlegenen Landen zu suchen. Jeder von uns kennt die kleine Waldschnecke, welche in ganz Deutsch­ land auf Bäumen, in Gebüschen und Hecken, an Wänden und andern Orten sich aufhält und durch Aufzehrung des Laubes häufig sehr schädlich wird. So klein und schwach dieses Tierchen erscheint, eine so bewunderungswürdige Reproduktionskraft besizt es. Fassen wir es in dem Augenblick, wo es, ohne einen Feind zu vermuten, langsam, mit ausgestreckten Fühlhörnern vorwärts schreitet und schneiden ihm mit einem scharfen Messer den Kopf ab; augenblicklich wird sich das Tier vor Schmerz und Angst in sein Haus zurückziehen und es wird eine geiferartige flebrige Feuchtigkeit in ziemlicher Masse hervorfließen. Diese Feuchtig feit vertrocknet sehr bald an der Luft und verklebt auf diese Weise den untern Rand der Schneckenschale dergestalt, daß diese fest auf der Stelle haftet, wo man sie hingestellt hat. Bringt man nun das Tierchen in diesem Zustande an einen Ort, der vor den widrigen Einflüssen der Luft und der Witterung, sowie vor den vertrocknenden Sonnenstrahlen geschützt ist, so wird es hier in einem völlig unbeweglichen Zustande etwa 14 oder 20 Tage hindurch verharren, so daß man glauben sollte, es sei tot; allein was während dieser Zeit unter der so verklebten Schnecken­schale vorgeht, könnte man in Wahrheit ein Mysterium der Natur nennen. Was unglaublich erscheint, das finden wir hier durch die Wirklichkeit bestätigt, denn sowie die oben genannte Zeit verstrichen ist, fängt sich nach und nach und anfänglich ganz unmerklich das Schneckenhaus an zu heben und zu bes wegen. Eine Feuchtigkeit dringt allmälich darunter hervor und befreit nach und nach das Gehäuse von jener flebrigen und ver härteten Masse. Jezt löst das darunter verborgene Tier sein Haus völlig von dem Boden ab, und man sieht es alsbald, mit neuen vier Fühlhörnern und mit einem ganz neuen durch­aus vollständigen Kopfe versehen hervordringen, an welchem der naturkundige Beobachter auch nicht das kleinste wesentliche Merk­

mal vermissen wird.

Versezen wir uns nun an die sandreichen Gestade des Meeres, um ein neues Tier kennen zu lernen, dem die Natur auf ähnliche Weise die Wiedererzeugungsfähigkeit seiner ver lorenen Gliedmaßen verliehen hat. Hier sehen wir eine Auſter auf dem Sande liegen; sie öffnet die beiden Flügel ihrer Schale, um die angenehme Sonnenwärme auf sich wirken zu lassen. Weise wieder entstehen, und zwar in seiner ganzen ehemaligen Dies bemerkt einer ihrer vorzüglichsten Feinde, der Strandkrebs

Sogar ein Auge, wenn es ihm ausgerissen, würde auf dieselbe

Vollkommenheit. Dieser Umstand scheint an das Fabelhafte zu

oder die Strandkrabbe. In dem Augenblick, wo er sich der

grenzen, und doch ist es nicht das Aeußerste, wozu dieses Tier Auster bemächtigen will, klappt diese ihre Schale zu und der ist. Nehmen wir B. das Gehirn. Bei allen Tieren Krebs muß froh sein, daß er nicht eine seiner Scheeren dazwischen der höheren Gattung, bei dem Menschen selbst, ist das Gehirn gelassen hat. Nach einiger Zeit öffnet die Auster ihre Schale bei weitem der edelste unter allen inneren Teilen, die Wurzel wieder und der Krebs nähert sich ihr aufs neue. Allein während aller Nerven, und überhaupt der ursprüngliche Siz aller tierischen dieser Zeit kommt ein zweiter Krebs hervor, der die Auster den vollkommenern Tieren die traurigsten Folgen. Sie werden wirft, und es kämpfen nun beide um die gemeinschaftliche Beute. stumpf und dumpf, verfallen in Letargie, Lähmung und endlich Bei diesem Kampfe büßt einer der beiden Krebse die Hälfte Man öffne ihm mit einem feinen Instrumente die Hirnschale, in das Wasser zurück, und das konvulsivische Zucken seines

nehme ihm das Gehirn heraus, und das Tier wird dessenunge­

ganzen Körpers beweist, wie sehr ihn die Wunde schmerzt. Es achtet in seinem ursprünglichen Element, dem Wasser, selbst in ist gewiß, daß der Krebs, dessen empfindlichster Teil die Scheeren mit sind, an dieser Wunde sterben müßte, wenn er sich nicht

diesem verstümmelten Zustande noch fortleben.