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gehört.

Madame Lucian nährte selbstverständlich mit großem Eifer und mit noch größerer Kunst den Zwist zwischen Napoleon und ihrem Gatten, welch lezteren sie vollständig beherrscht zu haben scheint.

bestürzt und ratlos da, bis er endlich zu einem Entschlusse kam.| gekommenen Frau, doch auf eine Art und Weise, die nicht hierher Er ließ seine alten Zech- und Schmausbrüder zusammenrufen und seine Wagen bespannen. Dann fuhren alle, Madame Jouberteau natürlich dabei, nach Lucians Gute Duplessis­Chamand. Es war 11 Uhr Nachts, als man daselbst ankam. Lucian ließ dem Maire und dem Pfarrer des Ortes sagen, sie möchten sofort zu einer Trauung auf sein Schloß kommen. Der Maire war abwesend und das war gut für ihn. Der Pfarrer, der öfters den Maire vertrat, kam und erklärte sich arglos zur Vornahme der Trauung bereit. Man errichtete einen Altar und schaffte für den Pfarrer Ornat und Silbergerät herbei, worauf er sowohl den bürgerlichen als auch den kirchlichen Trauungsaft vollzog. Lucians Zechbrüder fungirten als Zeugen.

Schon am anderen Morgen erfuhr Napoleon , was geschehen war und seine Wut kannte keine Grenzen. Gegen Lucian selbst einzuschreiten bot sich ihm keine Handhabe; den ahnungslosen Pfarrer aber ließ er sofort durch ein Detachement Gensdarmerie verhaften und nach den Tuilerien bringen. Der arme Pfarrer hatte kaum den Audienzsaal betreten, als Napoleon erschien und ihn mit furchtbarer Stimme andonnerte: Elender, Sie haben meinen Bruder getraut!" Der Pfarrer fiel vor Schreck in Ohnmacht. Nachdem er wieder zu sich gekommen, stammelte er einige Entschuldigungen und sagte, daß er sich keiner strafbaren Handlung bewußt sei. Napoleon aber donnerte ihn von neuem an und drohte ihn bei seinem Bischof zu verklagen. Entfernt euch, Elender," rief der erste Konsul, und erwartet in eurer Wohnung die Folgen meines gerechten Zornes." Das Pfäfflein gab eiligst Fersengeld, doch geschah ihm weiter nichts.

Lucian kam gleich darauf mit Madame Lucian", wie man allgemein nunmehr Frau Jouberteau nannte, nach Paris zurück. Von Frau Jouberteau hat ein Zeitgenosse eine Federzeich­nung hinterlassen, die wir hier wiedergeben wollen:

" Mehr angenehm als hübsch zeichnet sich Madame Jouberteau durch ein lebhaftes Auge, weißen Teint, ziemlich schöne Formen und durch eines von den ausdrucksvollen Gesichtern aus, die mehr unterjochen als interessiren. Sie imponirt vielleicht mehr durch ihren Wuchs und ihre Manieren, als durch regelmäßige Züge, sie hat den Karakter von asiatischer Schönheit, der sich von der Freundlichkeit der französischen Gesichter, wie von dem Ernst der griechischen und römischen Physiognomien entfernt. Obgleich sie sich nicht übertrieben puzt, so weiß sie doch bei außerordentlichen Gelegenheiten mit Bracht zu erscheinen. Ihr von Natur heftiges und auffahrendes Wesen konnte sie nur durch Anstrengung und unaufhörliche Aufmerksamkeit auf sich selbst im Zaume halten, aber es nie ganz ablegen, denn häufige Aufwallungen, unfreundliches Anfahren und herrisches Benehmen verraten es noch. Seit ihrer Verheiratung mit Lucian zeigt sie sich als treue Gattin und vortreffliche Mutter, aber auch als eifersüchtige und neidische Stiefmutter. Sie schreibt mit Leichtigkeit und macht selbst einen leidlichen Vers."

Das war die Frau, welche Lucian so sehr an sich fesselte, daß er ihretwegen Kronen ausschlug, und welche der gewaltige

Schlachtenkaiser nicht besiegen konnte.

Sie war ehrgeizig und die Liebe war ihr offenbar nur Nebensache. Sie führte in ihrem Haushalt die Kasse selbst und war bei Bedienten und Kaufleuten sehr unbeliebt wegen

ihrer Knauserigkeit. Es war kein Fehler, daß sie die Wäsche selbst nachsah, allein sie ließ sich von den Lieferanten über mehr,

als sie bezahlte, quittiren. Für ihre erste Tochter legte sie so­

gleich einen reichen Brautschaz an, dagegen nahm sie den Töch­tern Lucians von seiner ersten Frau die Edelsteine weg, die ihnen Napoleon geschenkt hatte, und trug sie selbst. Auch eine

kleine aus massivem Gold gearbeitete Orgel, die Napoleon den Kindern geschenkt hatte und die als Kunstwerk berühmt war,

Beiden Brüdern war die republikanische Staatsform nur noch Nebensache; sie arbeiteten beide an der Herstellung einer neuen Dynastie. Napoleon hatte in Italien ein Königreich Etrurien geschaffen, das von 1801 bis 1807 bestand und das Gebiet von Toskana umfaßte. Dies von dem Oberhaupt einer Republik geschaffene Königreich stand erst unter der Herrschaft des Prinzen Ludwig von Parma , der im Mai 1803 starb, dann unter der Regentschaft seiner Gemahlin Maria Luise , einer Infantin von Spanien . einer Infantin von Spanien . Napoleon wünschte nun, sein Bruder Lucian solle die Königin von Etrurien heiraten, wozu nötig war, daß er Madame Jouberteau verstieß. Aber Lucian lehnte das Angebot rund ab und machte sich lustig über das neugebackene Königreich, dem er keinen Bestand zutraute, und über die Königin Maria Luise, die er als beschränkt und bigott bezeichnete.

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Wie," sagte Napoleon , ich biete Ihnen eine Heirat mit einer spanischen Prinzessin und ein Königreich an, das ich ver größern will, und Sie schlagen beides aus? Und für wen? Für eine Elende von zweifelhaftem Rufe, die Sie geheiratet haben?"

Das mag alles richtig sein," entgegnete Lucian, allein ich bin damit Ihrem Beispiel gefolgt, nur daß die von mir Erwählte jung und hübsch war."

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Das war eine boshafte Anspielung auf Napoleons Frau Josephine , die allerdings auch einen zweifelhaften Ruf und wohl mit Recht hatte. Ihr erster Mann hatte schon gegen sie auf Scheidung geklagt; später war sie Barras Geliebte ge wesen. Sie war eine der Modedamen der korrumpirten Direk torialzeit und beiläufig sechs Jahre älter als Napoleon .

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Dieser wurde durch die Anspielung Lucians tief getroffen. " Meine Frau," sagte er wütend, hat meine Beförderung und damit Ihr Glück gemacht; durch meine Taten habe ich meine Familie, die mir alles verdankt, in die Höhe gebracht. Ich will meine Brüder auf Trone sezen und Sie, der mich dabei unterſtüzen sollte, Sie, den ich liebe, Sie finden nur Ver­gnügen daran, Torheiten zu begehen. Sie wollen sich mut williger Weise entehren, allein Sie kennen mich zu gut, um auf meine Zustimmung zu hoffen."

Die Brüder trennten sich voll Mißmutes. Indessen war der Streit zwischen Josephinen und Lucian schon älteren Datums. Josephine , die ihrem ersten Mann, dem General Beauharnais , zwei Kinder geboren hatte*), blieb in ihrer zweiten Ehe kinder­los. Deshalb hatte Lucian schon im Jahr 1801 seinem Bruder Napoleon vorgeschlagen, sich von Josephine zu trennen und eine spanische Infantin, die sechszehnjährige Isabella, zu heiraten, um einen Erben zu erzielen. Allein Josephine wußte Napoleon davon abzuhalten, namentlich durch ihre Tochter Hortense , die troz ihres üblen Rufes immer ein Liebling Napoleons war. Damals erschien auch eine von Lucian verfaßte Schrift, betitelt: ,, Cromwell, Monk und Bonaparte ," die sich für die Erblichkeit des Konsulats, also für die Monarchie aussprach. Im Sommer 1801 fam Josephine sehr aufgeregt in das Kabinet Bonapartes , sezte sich auf seinen Schoß und strich ihm schmeichelnd über das Haar. Nicht wahr, Bonaparte," sprach sie, du machst dich nicht zum König? Ich weiß, der häßliche Lucian drängt dich dazu. Bitte, höre doch nicht auf ihn!" Aber Napoleon Josephine.

antwortete: Du bist närrisch, meine arme

Deine

nahm sie an sich. Der Haushofmeister Lucians nahm seine dies Märchen. Du langweilst mich damit; laß mich zufrieden." alten Weiber aus dem Faubourg Saint Germain erzählen dir Man ersieht daraus und wird noch weiter ersehen, daß der

Entlassung, weil er sich mit Madame Lucian nicht vertragen konnte. Von den Kaufleuten soll sie Geschenke und Nadelgeld verlangt haben. Die Männer mit breiten Schultern sollen ihr am besten gefallen haben. Die Standalchronik von Paris be­schäftigte sich viel mit der auf so merkwürdige Weise empor­

*) Eugen, der spätere Vizekönig von Italien und Herzog von Leuchtenberg, und Hortense, Königin von Holland und Mutter Na

poleons III.