Jezt fürchtete man, daß der aufs Aeußerste gereizte Na­poleon keine Schonung gegen Lucian mehr kennen werde. Lucian flüchtete aus Italien  , wobei ihm König Murat von Neapel behilflich gewesen sein soll. Man sagt, Murat habe dafür an Napoleon   eine Strafe von zehn millionen Francs zahlen müssen.

Lucian wollte sich mit seiner Familie in Nordamerika   nieder­lassen, er fiel aber englischen Kreuzern in die Hände, die ihn nach Malta   brachten, worauf man ihn in England internirte. Seine englischen Pässe wurden nicht beachtet; er mußte unter Aufsicht eines englischen Offiziers in der Nähe von London  leben. Dort machte er wieder Verse, die keine Anerkennung fanden.

Dem ersten Sturze Napoleons   sah Lucian ruhig zu. Aber 1814, als Napoleon   sich auf Elba   befand, wurde eine Aus­söhnung angebahnt durch Pauline Borghese  , welche die Lieb­lingsschwester Napoleons   war. Diesmal mußte Napoleon   die Madame Jouberteau mit in den Kauf nehmen; sie hatte ihren Willen durchgesezt. Lucian kehrte nach Rom   zurück und ward 1815, als Napoleon   von Elba   entflohen war, nach Paris   be­rufen. Er schlug nun die Würden nicht mehr aus, die Na­ poleon   ihm anbot. Nur konnte ihm Napoleon   keine Königreiche mehr anbieten. Während der hundert Tage( bis zum zweiten Sturze Napoleons  ) war Lucian Pair von Frankreich  , kaiserlicher Prinz, sowie Mitglied der Regierungskommission, welche Na­ poleon   einsezte, bevor er ins Feld rückte. Napoleon   ward bei Waterloo   geschlagen und als er nach Paris   zurückkam, fand er wenig Freunde, fast lauter Feinde. Der gewohnte Erfolg fehlte. Lucian suchte ihn zu einem Staatsstreiche zu bewegen; er schlug ihm vor, die widerspenstige Kammer zu sprengen und eine Diftatur zu übernehmen. Aber Napoleons   Energie war ge­brochen. Was wollen Sie?" sagte Lucian zu einem General, der über Napoleons   Unentschlossenheit bestürzt war, der Pulver­dampf von Mont Saint- Jean( Waterloo  ) hat ihm den Kopf verdreht. Er ist ein verlorener Mensch." So urteilte Lucian So urteilte Lucian zulezt über Napoleon  .

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Darauf verlas Lucian in der Kammer die von ihm ent­worfene Abdankungsakte des Kaisers. Er wollte die Prokla­mation des unmündigen Napoleon II.   zum Kaiser bewirken und

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hoffte dadurch für sich die Regentschaft zu erhalten. Aber man rief ihm zu, er als Korse habe kein Recht, Frankreich   einen Souverain aufzudrängen. Man sezte eine provisorische Regierung ein und der Sturz Napoleons   war zum zweitenmale besiegelt.

Lucian ging wieder nach Rom  . Er ward vom österreichischen  General Bubna gefangen genommen und auf die Zitadelle von Turin   gebracht. Er berief sich darauf, daß er sich fortwährend den Plänen seines Bruders widersezt habe, auf welch unedle Art sich kein anderes Mitglied der Familie Bonaparte   aus der Schlinge gezogen hat. Der Pabst erwirkte Lucians Freilassung, worauf er als Fürst von Canino   unangefochten im Kirchenstaat  lebte, den er jedoch erst nach 1830 wieder verlassen durfte. Er starb 29. Juni 1840 in Viterbo   bei Rom  .

Bei genauer Erwägung der angeführten Tatsachen kommt man zu der Ansicht, daß sich Lucian seinem Bruder Napoleon  nicht auf Grund einer politischen Ueberzeugung, sondern aus Neid und Mißgunst einerseits, unter dem Einflusse seiner Frau andererseits widersezt hat. Sein Betragen gegen Napoleon   war noch weniger edel, als das Napoleons   gegen ihn.

Frau Jouberteau lebte als Wittwe in den vierziger Jahren in Paris  , wo viele literarische Berühmtheiten in ihren Salons verkehrten; sie spielte die geistreiche Dame. Später zog sie wieder nach Rom   und starb in Surigaglia 12. Juli 1855.

Sie hat Lucian fünf Söhne und vier Töchter geboren. Enkel von ihr leben noch eine ganze Anzahl. Ihren ältesten Sohn haben wir schon erwähnt. Ein Sohn von Lucian und der Jou­berteau war auch jener berüchtigte Peter Bonaparte, genannt Mordpeter", der Viktor Noir erschoß und dadurch ganz Frank­ reich   in Entrüstung versezte. Enkelinnen von ihr sind u. a. die bekannte Madame Rattazi und Adele Wyse- Bonaparte, die Frau des Garibaldischen Generals Türr. Die jüngste Tochter Lucians, Konstanze, 1823 geboren, ist Abtissin des Klosters zum Heil. Herzen in Rom  .

So ist die einstige Puzmacherin, von der einst das Zustande­kommen von Königreichen abhing, die Stammmutter einer An­zahl von sonst nicht sympatischen, aber begüterten und politisch oft einflußreichen Familien geworden. Und das alles, weil sie der Wechselagent Jouberteau eines Abends vom Ball nach Hause begleitet hatte.

Der Alchemist.

Die Tatsache, daß so hochbedeutende Männer, wie die im borigen Abschnitt aufgeführten, Alchemisten waren, und daß der Glaube an den Stein der Weisen troz des für uns selbstver­ständlichen, tausendfältigen Mißerfolges auch bei den emsigsten und geistvollsten Bemühungen sich durch viele Jahrhunderte in ungelehrten und gelehrten Kreisen erhielt, ist jedoch keineswegs allein der Aristotelischen Teorie von der Wesensgleichheit aller Materie und den aus ihr erwachsenen wissenschaftlichen An­schauungen zuzuschreiben. Vielerlei kam hinzu, welches nicht, wie Unkundige und oberflächliche Beurteiler wohl eher annehmen möchten, das hartnäckige Festhalten an dem Glauben, daß aus unedlen Metallen Gold gemacht werden könnte, verwunderlich, sondern umgekehrt die Emanzipation von diesem Glauben, das Aufgeben der alchemistischen Arbeiten als sehr schwer angängig erscheinen läßt.

Sollte man nicht an die Möglichkeit, Gold zu machen, glauben, wenn es gelang, Metalllegirungen darzustellen, welche in verschiedenen Eigenschaften, hauptsächlich in der Farbe, dem echten Gold und Silber glichen? Zumal in einer Zeit, in Zumal in einer Zeit, in welcher man die Metalle auf ihre wesentlichen Eigenschaften noch nicht ausreichend zu prüfen verstand!?

Hierauf sind die angeblich positiven Erfolge der Goldmacher, die Erfolge, an welche zumteil sie selbst glaubten, jedenfalls hauptsächlich zurückzuführen. Das Gold, welches- wie wir im vorigen Abschnitt sahen- Lullus   in der folossalen Duan­tität von 50 000 Pfd. für den König von England hergestellt

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( Schluß.)

haben und woraus die ersten Rosenobels geprägt worden sein sollen, ist wenn das ganze Faktum nicht eine leere Erfin­dung ist zweifelsohne von solcher Beschaffenheit gewesen. Wie man derartiges Gold fertig brächte, war natürlich nicht allzuschwer herauszubringen: man nahm Kupfer, schmolz es mit Arsenik zusammen und Silber war fertig, oder mit Zink, und Gold glänzte aus dem Tiegel hervor, denn Zink   gibt dem Kupfer eine goldgelbe, Arsenik eine silberweiße Farbe.

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Der heilige Thomas von Aquino  ( 1224-74) wußte auch ein ganz fürtreffliches Rezept, Kupfer in Silber zu verwandeln, er ließ es mit Arsenik weiß färben und die Hälfte seines Ge wichts an echtem Silber dazu tun, wer fonnte nun noch bestreiten, daß er in der Legirung wahrhaftiges Silber vor sich habe?

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Als nun die chemischen Kenntnisse soweit zugenommen hatten, daß man gold und silberfarbige Legirungen von lauterem Gold und Silber unterscheiden konnte, wie das bereits zur Zeit Albert des Großen einzutreten begann, so fanden die Alchemisten Beweise für die das Gold ermöglichenden Metallverwandtschaften in anderen Tatsachen, die vollkommen richtig waren, aber auch wieder von ihnen falsch ausgelegt wurden. Die Scheidekunst stand in den ersten Zeiten der Alchemie und noch bis zu 1600 auf einer sehr niedrigen Stufe; kleine Mengen eines Wietalls in Erzen nachzuweisen, war der Mehrzahl der Chemiker un­möglich; daß ein Metall in einer salzartigen Verbindung, in einer Form, die auf keinen Metallgehalt schließen läßt, schon