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Die religions- philosophischen Schriften des Privatgelehrten Julius Lippert.
Der Tod ist das lehrreichste Kapitel vom menschlichen Leben.| Herzen die Stätte, wo das geliebte Wesen seine Seele ausWer diesen Saz noch nicht in seiner tiefsten Tiefe erfaßt, der braucht nur die im Verlage von Theodor Hofmann in Berlin erschienenen Schriften von Jul. Lippert zu lesen, womit dieser geistreiche Etnologe in dem kurzen Zeitraum von zwei Jahren die Wissenschaft bereichert hat. Dieselben sind:
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1) Der Seelenkult in seinen Beziehungen zur althebräischen Religion. 2) Die Religionen der europäischen Kulturvölker in ihrem geschichtlichen Ursprung. 3) Christentum, Volfsglaube und Volksbrauch. 4) Die allgemeine Geschichte des Priestertums, welche in mindestens zwölf Lieferungen erscheint und wovon gegenwärtig bereits die neunte zur Ausgabe gelangte. Ein Beweis, wie sehr Herr Lippert in so furzer Zeit die Aufmerksamkeit der Gelehrten wie der Gebildeten überhaupt auf sich gezogen, dafür spricht schon, daß wenige Wochen nach dem Erscheinen der ersten Lieferung die Verlagshandlung zur Heraus gabe einer neuen Auflage sich genötigt sah. In der Tat, Lipperts Werke sind epochemachend; denn noch kein Kulturhistoriker hat vor unseren Augen ein so tief in das Dunkel der Urzeit des Menschengeschlechts hineinleuchtendes Licht angezündet, das so vieles, was bisher kulturhistorisch dunkel erschien, nun mit einemmale zur völligen Klarheit erhellte. Und alle die reich haltigen Tatsachen, die er aus dem großen Schaze der vergleichenden Etnologie, der ihm in seltenem Maße zu Gebote steht, hervorhebt, sind nicht etwa wie zur Begründung seiner großartigen Anschauung gemacht, sie erscheinen vielmehr als das Gesammtresultat des von ihm aufgefundenen allgemeinen Grundprinzipes. Dieses besteht darin, daß der Tod, dem der Urmensch schon in den ersten Zeiten seines reflektirenden Denkens als einer Erscheinung gegenüberstand, die ihn mehr als irgend ein anderer Vorgang in der Natur zum Nachdenken über sich selbst angeregt, zum Seelen- und damit zum Gottesbegriff geführt habe, selbst mehr als das ebenfalls nicht so alltägliche wunderhafte Ereignis der Geburt. Denn Blüte und Frucht, Sonnenwärme und Winterkälte, Schneesturm und Regenguß,
dieses alles hat der Erwachsene von Jugend auf in steter Wiederkehr als das Gemeine kennen gelernt. Aber daß der Lenker des Hauses nun nicht mehr da ist, oder vielmehr da ist und doch nicht mehr derselbe, daß derselbe Mund nun nicht mehr rede, dasselbe Auge sich nicht mehr bewegen kann, das durchbricht den Kreis des Gemeinen und regt den rohesten Sinn zur
gehaucht, und diese meine Beobachtung ist z. B. auch bei Tauben in anderer Weise zu gewahren in der fieberhaften Hast, womit sie sich des gestorbenen Jungen entledigen, indem sie solches sofort aus dem Neste hinauswerfen. Ohne auf weitere Beispiele dieser Art hier eingehen zu können zum Vergleiche mit der Art und Weise, wie wilde Völker in ähnlichen Fällen ähnlich verfahren, so steht schon im allgemeinen fest, wie groß diese Scheuempfindung beim Anblicke des Todes, insbesonderere bei den nächsten und liebsten Angehörigen von Uranfang gewesen sein müsse, wenigstens stimmen alle Tatsachen, welche Jul. Lippert hierüber gesammelt, damit überein. Lebt doch heute noch ein Rudiment dieses Grauens in uns fort zum Beweise, daß nicht leicht etwas in der Welt einen derartigen tiefen und nachhal tigen Eindruck auf den Urmenschen gemacht und ihn schließlich zum Nachdenken über den Grund dieser lebensvernichtenden Erscheinung geführt haben könnte, als der Tod. Diese ist somit als der erste Keim anzusehen, aus dem der Seelenglaube, der Glaube an eine den Menschen bewohnende Seele sich gebildet hat, die seinen Leib überdauert und das war der Anfang des Geisterglaubens, der gerade unter den Naturmenschen in furchtbarsten Maße wuchert und in seiner fortschreitenden Ausbildung alle Elemente in sich aufgenommen, welche wir schließ lich mit dem Worte„ Religion" bezeichnen.
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Aus
Macht auf den Naturmenschen überhaupt alles unbegreif liche einen unheimlichen Eindruck, wie viel mehr das geheimnisvolle, unerwartete Ereignis des Todes, das er vor allem menschlicher Bosheit und Tücke zuschreibt, die mit Zauberei in Verbindung steht, daher die Myten, welche in die Vorgeschichte der Menschheit ein unsterbliches Geschlecht versezen, das erst durch böse Einflüsse sterblich wurde, diesen aus der Kindheit der Menschen stammenden Gedanken noch zum druck bringen, ein Beweis, wie wenig dieselben auf dieser Stufe noch daran denken, die Erklärung des Todes in dem natür lichen Verlaufe der Dinge zu suchen. Was wir daher Seele oder Geist nennen, erscheint ihnen daher als ein Gespenst und sie fürchten mehr den Toten als den Tod, eine Furcht, wie sie selbst noch heute die Abergläubischen in unserem Boltstum vor dem„ Umgehenden" beschleicht, den sie nur noch unter Selbst, mördern und Hingerichteten zu erblicken vermögen, da ihnen der nicht gewaltsame Tod bereits als ein natürliches Ereignis Daher sehen sich die rohen Naturvölker überall allenthalben bekannt ist und daher keinem solchen Sput mehr Raum gibt. von spukenden Geistern umgeben, welche nicht, wie gemeinlich angenommen wird, personifizirte Naturkräfte sind, sondern die umgehenden Geister der Verstorbenen, zu deren Versöhnung und wie wir sie in den Kultgebräuchen aller Völker und Zeiten aus den Werken Lipperts in Hülle und Fülle fennen lernen, auf seine Hausfaze überkam, als sie ihr Junges, das sie mit so welche wir unsere Leser verweisen müssen; denn gerade hierin viel Zärtlichkeit aufgezogen, plözlich tot antraf. Wenn auch im ist das eigentliche große Verdienst dieses Schriftstellers ent ersten Augenblick diesen merkwürdig sonderbaren Zustand nicht halten, daß er die Tatsachen des Kultus zur Grundlage der sezen und Ekel erfaßt, und wenn sie auch im weiteren Ver- lichsten konservirte und somit am weitesten in die Urvorstellungen
ungewohnten Gedankenarbeit an. Er sah, daß der Körper, der
mit dem Kinde zum Manne wird und mit diesem zur Schwäche
des Greises herabsinkt, mit dem Eintritt des Todes nicht zur Kinderform zurückkehrt, aus der er sich entwickelte, er liegt noch da in ganzer Länge und scheinbar in aller Vollkommenheit
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und doch ist etwas Unnennbares von ihm gewichen, und das Befriedigung alle nur möglichen Veranstaltungen getroffen sind,
eben war es, womit er sah und hörte und gebot, womit er lebte. Fand Schreiber dieses doch einmal, welch' ein Grauen
laufe selbstverständlich keinen menschlichen Einblick in diese ungewohnte, man möchte fast sagen: unnatürliche Erscheinung er
Weise die vollste Ueberzeugung auf, daß alles, was bisher an
der Menschen zurückreichende Element ausmachen.
Nun waren schon Traumerscheinungen hinreichend ge langte, so drängte sich ihr doch bald in ihrer tierlich- instinktiven wesen, Gedanken an Unsterblichkeit( selbstverständlich noch nicht sei, und was ihr dabei an reflektirendem Verstand, der den schienen sind und auf dieser kindlichen Stufe der Mensch noch ihrem Pflegling sie erfreute und erwärmte, dahingeschwunden Träumenden oft längst verstorbene Ahnen leibhaftig wieder er in unserem ausgedehnten Sinne) wachzurufen, weil hier den Gründen einer solchen Tatsache in menschlicher Weise nachforscht, nicht imstande war, seinen Traum von der Wirklichkeit zu trennen und zu unterscheiden. Hier hätten wir schon die Manen der alten Griechen, die geisterhaften Schattengestalten des Harts, malische und damit auch jede geistige, auf Empfindung beruhende die entflohenen Seelen des Leibes. Daß auch der alte Hebräer Tätigkeit erloschen sei, was wir mit einem Worte das Leben diesen Schattenriß für seinen„ Geiſt" angesehen, geht z. B. aus
abging, das ersezten ihr die ursprünglichsten der Sinne: der Gefühls- und Geruchssinn. Beide sagten ihr, daß hier alle ani
nennen. So verließ sie denn mit Wehmut und Trauer im