erheblich bildete, kehrte er 1840 in die Heimat zurück und ver­öffentlichte seine beiden Erstlinge, ein Heft Uebersezungen aus griechischen Dichtern unter dem Titel Klassische Studien" und einen Band Gedichte". Der Kritik gegenüber hatte der junge Poet einen schweren Stand. War doch damals alles Tendenz in der Literatur. Erst die zweite Auflage( 1848) wurde hin und wieder besprochen. Ein Beurteiler rühmte die große Bart­heit lyrischer Empfindungen, die meisterhafte Beherrschung ver­schiedener Formen und die in seltener Art wohltuende Reinheit der Sprache, des Verses und des Reims  . Besonders kam den Liedern das musikalische Element sehr zustatten, weshalb auch die Komponisten bald wetteiferten, die Geibelschen Lieder mit Melodien zu beseelen. Außer Goethe und Heine ist wohl kein Dichter so oft in Musik gesezt worden als Geibel und diese Kompositionen erklangen vom vornehmen Salon bis zur Drehorgel auf den Jahrmärkten. Im allgemeinen verhielt sich die Kritik kühl bis ans Herz hinan; sie rügte namentlich, daß Geibels Sangesweisen der Eigenart entbehren und vielfach die Lyrik Goethes und Heines, Uhlands und Platens in ihnen nachtönt, so daß ihr Wert wesentlich ein reproduktiver sei. Indessen be wahrte Geibel   troz seiner Anlehnung an diese Meister immer noch Selbständigkeit genug, um nicht als Nachahmer zu gelten. Für das ablehnende Verhalten der Kriftit entschädigten den jungen Dichter die Erfolge, die er beim Publikum errang. Mit einem Schlage gewann ihm die Sammlung die Herzen der Jugend, besonders der weiblichen( weshalb man ihn auch später noch den Dichter der Backfische par excellence nannte), die nichts von Politik und politischer Poesie wissen wollte. Wie sollte diese nicht von Strophen begeistert sein wie:

-

-

Und legt ihr zwischen mich und sie Auch Strom und Tal und Hügel, Gestrenge Herrn, ihr trennt uns nie, Das Lied, das Lied hat Flügel. Ich bin ein Spielmann wohlbekannt, Und mach mich auf die Reise Und sing hinfort durchs weite Land Nur noch die eine Weise:

Ich hab dich lieb, du Süße,

Du meine Lust und Qual, Ich hab dich lieb und grüße Dich tausend, tausendmal.

Nicht übergangen darf werden, daß der König Friedrich Wil­ helm IV.   dem Dichter 1842 einen lebenslänglichen Jahrgehalt von 300 Talern bedingungslos aussezte, damit er unbehindert seinen poetischen Studien leben könne, wie es auch Freiligrath geschehen war.

"

"

472

Ein so glückliches Debut konnte Geibel   nur zu frischem Weiterstreben auf der beschrittenen Bahn ermutigen und es ist interessant zu sehen, wie seinem Pegasus von Flug zu Flug die Schwingen wachsen. Bald erschienen Volkslieder und Romanzen der Spanier"( Uebersezung), die Zeitstimmen" und einige Jahre später Zwölf Sonette. Für Schleswig- Holstein  ." Die Zeitstimmen zeigen, daß der konservativ angelegte, wenn auch der Sache der Freiheit aufrichtig zugetane und von der lautersten Gesinnung erfüllte Pastorssohn über die allgemeinen Ziele und Bestrebungen noch eben so unklar war, wie beinahe das ganze Volt und mit seinen Vertröstungen, nur geduldig auszuharren, dann werde sich noch alles zum Besten wenden, eher der Klärung der politischen Ansichten hinderlich als förderlich war. Die Zeit­stimmen enthalten auch jenen poetischen Fchdehandschuh An Georg Herwegh  ", dessen mächtig dröhnenden Gedichte eines Lebendigen" mit ihrem hinreißenden Feuer und bezauberndem Wohllaut kurz zuvor bekannt geworden waren und deren radikale Tendenz dem zart wenn auch nicht unmännlich empfindenden, und allem politisch- extremen Wesen abholden Geibel höchst anti­patisch waren. Die Muse Herweghs und Geibels waren Gegen­

"

jäze wie der gewaltige Orkan und der linde Zephyr. Die

Apostrophe an Herwegh   enthält einen Vers, der besonders heut zutage in den entgegengesezten Lagern beherzigt werden dürfte: Nein! Glaub, der Tag ist bald erwacht, Der Morgen naht, wo wirs erringen, Nicht ohne Kampf, doch ohne Schlacht, Der Geist ist stärker als die Klingen.

In der Schlußstrophe verwahrt sich der Dichter gegen den Verdacht der Liebedienerei:

Ich sing um feines Königs Gunſt,

Es herrscht kein Fürst wo ich geboren; Ein freier Priester freier Kunst

Hab ich der Wahrheit nur geschworen.

Karakteristisch für die damaligen Zustände ist folgende drollige. Zensurgeschichte. Als die Zeitstimmen von Escheberg bei Kassel  , wo sich Geibel   damals aufhielt, nach Lübeck   zum Verlag ge­sendet wurden, strich der Zensor- nicht etwa Gedichte, welche deutsche Angelegenheiten betrafen, sondern ein Polenlied und den jungen Tscherkessenfürsten". Der hamburger Telegraph" dagegen nahm das leztere unbeanstandet auf. In Hamburg  war unanstößig, was in Lübeck   gefährlich schien.

An den freundlichen Aufenthalt in Escheberg schloß sich ein buntes Wanderleben, das ihn mit vielen Zeitgrößen der Literatur und auch des Buchhandels in Berührung brachte, u. a. mit Cotta in Stuttgart  , in dem er einen neuen Verleger fand. Im Sommer 1851 verlobte er sich und nun galt es, eine feste Lebensstellung zu erwerben. Doch bevor er die nötigen Schritte dazu tat, erhielt er im Februar 1852 von dem König von Baiern   einen Ruf nach München   als Professor der Aestetik  , dem er, nachdem er seine Braut heimgeführt, im Herbst des selben Jahres Folge leistete. Doch war auch während der Wanderjahre nie eine größere Pause in dem poetischen Schaffen Geibels eingetreten. Im Herbst 1847 war ein neuer Band Gedichte unter dem Titel Juniuslieder" erschienen; außer dem hatten ungefähr um dieselbe Zeit zwei dramatische Ver suche, das Trauerspiel König Roderich" und das Lustspiel die Seelenwanderung" das Licht der Lampen erblickt. Die Gedichte weisen einen wesentlichen Fortschritt auf, schlagen hier und da einen männlicheren Ton an und sprechen wärmere Sympatien für die freiheitlichen Bestrebungen der Zeit aus. Juniuslieder nannte er sie, weil sie meistens in der hohen Sommerzeit seines Lebens entstanden waren. Der Mai ist vorüber mit seiner Blumenfülle, nur bisweilen blüht es noch, aber im Laube beginnts zu reifen; eine ruhige stetige Wärme ist an die Stelle der ewig unruhigen Frühlingslüfte getreten. Die Sammlung zeigt uns den Dichter auch als Meister der Ballade und der Spruchdichtung. Einige Proben der lezteren mögen hier ihren Plaz finden.

"

Das ist's, was mich am Freund zumeist verdrießt, Wenn er nach Spazen mit Kartätschen schießt.

Das ist Klarste Kritik von der Welt, Wenn neben das, was ihm mißfällt, Einer was Eigenes, Besseres stellt. Ich fühle mich nie so groß, so klein, Als wenn im Shakespeare   ich gelesen, Klein, weil ich denk an das, was mein, Groß, weil er auch ein Mensch gewesen.

Die Tragödie König Roderich" wurde von der Kritik und später von dem Dichter selbst als dramatisches Kunstwerk ver worsen. Das Lustspiel Seelenwanderung" aber, das später nach mehrfacher Ueberarbeitung unter dem Titel Meister

ganz allerliebster Schwank, der sich auch auf den Brettern recht gut präsentirt. Ein Lustspiel freilich, das einer gesellschaftlichen oder etischen Verkehrtheit den Spiegel vorhält, ist es nicht, und daß es unter dieser Marke in die Deffentlichkeit trat, das war

es, was die negative Kritik herausforderte.

In München   steckte sich Geibel   höhere Zicle; er suchte seinen Gedichten einen bedeutenderen Inhalt zu geben und unternahm es sogar, historische Dramen im großen Stil zu schaffen, wohl fühlend, daß die Lyrik ein zu enges Gefäß für den reichen Inhalt seines Geistes sei. Die nächsten Früchte waren die Neuen Gedichte" und die Tragödie Brunhild", der dann

später die Tragödie Sophonisbe  " folgte.

In den Neuen Gedichten" und den 1864 erschienenen Gedichten und Gedenkblättern" steht Geibel   im Zenit seiner poetischen Bahn. Die melodischen Lakonismen des ana

"