Langandauernder Schlaf ist häufig, und nicht erst in neuerer Zeit, als zur Genesung führend beobachtet worden. Aus den Philosophical Transactions berichtet Schubert von einem Kranken, der 16 Wochen lang schlief, und als er endlich erweckt wurde, waren Krankheit und Schlafsucht zugleich vergangen. Die Acta eruditorum vom Jahre 1707 wissen von einem Schlafe, der anfänglich 14 Tage, dann aber 6 Monate dauerte; Fichet berichtet von einem Langschläfer, der einen vierjährigen, nur von kurzen Zwischenräumen des Wachens unterbrochenen Schlaf hatte*). Micrulius berichtet von einem Priester in

*) Schubert, Geschichte der Seele. I. S. 245.

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Stettin , der, schon bejahrt, in der Christnacht drei Messen zu lesen hatte, nach der ersten aber das Bedürfnis fühlte, ein wenig auszuruhen, und in seiner Zelle in einen dreizehntägigen Schlaf verfiel). Der Arzt Mayo weiß sogar von einem zwölfjährigen Mädchen, das in Schlaf verfiel und darin 13 Jahre verharrte, so daß sie innerhalb derselben aus einem Kinde zum reifen Weibe wurde**). Aehnliche Fälle, die häufig den Ver­dacht der Simulation erregen, sind auch in unseren Tagen dann und wann berichtet worden. ( Forts. folgt.)

Micrulius, Altes Pommerland. II. S. 369. **) Mayo , Wahrheiten im Volksaberglauben. S. 107.

Der Frühling.

Geht du im frühen Tenze durch den Wald, Des Lebens froh im erst so fillen Reiche, So haften finnend deine Blicke bald Am frischen Wuchs der nächsten jungen Eiche; Denn neben zarten Laubes grünem Braun, Das aus den Knospen bricht in krauser Hülle, I fahles Taub an jedem Bweig zu schaun Vom lezten Jahr die abgestorbne Hülle.

Don Rudolf Lavant .

Es haftet fest und zäh an seinem Drt, Es präubt verdrossen sich und will nicht weichen; Bur ab und zu führt lose Blätter fort Der laue Frühlingswind als siegeszeichen, Und eh' am Boden und auf Weihers Grund Das lezte Blatt vermodert und verrottek, Hat raschelnd es das Blühen in der Rund, Hat es den Frühling hunderkmal verspoffet.

Und soll das fahle, winterliche Taub Nicht bis zum Sommer seinen Play bewahren, So muß mit fieghaft- fröhlichem Geschnaub Der Frühlingssturm durch alle Wipfel fahren. Da tut es nicht das kosend- linde Wehn, Vor dem die Knospen aller Blumen springen; Bor fanffem Hauch wird welkes Taub beffehn Der Sturm allein kann grüne Eichen bringen!

Und niederrauschen muß in warmer Nacht Der Regen auch in dichten schweren Güssen; Dann wird das Taub, das jagend sich und facht Herausgewagt, gewaltig wachsen müssen. Dann hat für Welkes keinen Play der Baum, Er kann's nicht länger neben Grünem fragen Bu blokem Spuk, zu bloßem bangen Traum Wird jenes für den Wald nach wenig Tagen.

Und ist es anders wohl in der Natur, Als in der Völker, in der Menschheit Leben? Des Meuen spottet oft des Alten Spur, Das frozig sucht am alten Drt zu kleben, Und in den Frühling einer neuen Beit Siehst du, gefpenfisch fast, das Alfe ragen Und höhnend macht ein Heberreft sich breit Rus längsl vergangnen überwundnen Tagen.

Da gilt es auch, mit froher Sturmesmacht Hinwegzufegen, was da hemmt das Spriehen, Mit milder Flut in lauer Frühlingsnacht, Das junge Taub, das zage, zu begieken; Hnd kam nach langer, winterlicher Mot Herauf des Jahres heißersehnte Wende, So sei auch aufgeräumt mit dem, was fok, Und nicht verzögert sei des Alfen Ende!

Die Beit verlangt ein männlich- kühnes Work­Thr frommen nicht die Halben und die Tauen, Die rechts und links bedenklich immerfort, Die vor- und rückwärts ängstlich- zaudernd schauen. In unsre Belte laden die wir ein,

Die's mit dem neuen freu und ehrlich halten; Wir werden Sturm und warmer Regen sein Dem Beuen Freund, doch Feind dem Token, Alfen!

Unsere Illustrationen.

Schloß Chillon am Genfersee. ( Siehe Jllustration Seite 467.) Am östlichen Ufer des Genferfees, wo die Rhone in den See tritt, auf einer Felseninsel, die mit dem Lande durch eine Brücke verbunden ist, erhebt sich das berühmte Schloß Chillon , das heute noch sehr viel be­sucht wird. Weithin leuchten die weißen Mauern dieser gewaltigen und festen Zwingburg, deren tiefe und finstere Kerker im Mittelalter überall gefürchtet waren. Hier wurde um 1530 Franz Bonivard vom Herzog Philipp von Savoyen gefangen gesezt. Bonivard, aus einer alten und begüterten genfer Adelsfamilie, hatte sich dem geistlichen Stande ge­widmet und war Prior von dem Kloster St. Viktor bei Genf geworden. Er machte sich um seine Vaterstadt verdient und tat sich in der Pflege der Wissenschaften hervor; indessen darf nicht unerwähnt bleiben, daß er die blutige Gewaltherrschaft des Reformators Calvin eifrigst unter­stuzte. In den Kämpfen zwischen dem Herzog von Savoyen und der Stadt Genf stand Bonivard auf Seite der lezteren; dadurch machte er

sich dem Herzog von Savoyen verhaßt. Im Jahre 1530 ward er von Räubern im Jura gefangen und an den Herzog von Savoyen aus­geliefert, der ihn ohne Urteil und Recht in dem Schlosse Chillon ein­ferfern ließ. Hier, im tiefsten Verließ, schmachtete Bonivard bis 1536. Am 29. März dieses Jahres eroberten die Berner die Zwingburg und befreiten den Gefangenen. Bonivard ( geb. 1496) verheiratete sich nach seiner Befreiung und lebte zu Genf bis 1570, in welchem Jahre er starb. Vielleicht noch mehr als die Gefangenschaft Bonivards hat Byrons

glänzendes Gedicht: Der Gefangene von Chillon "( geschrieben

im Sommer 1816) dazu beigetragen, die alte Veste berühmt zu machen. In diesen glühenden Versen läßt Byron Bonivard die Qualen der Kerkerhaft dulden, doch hat er sich an die historischen Tatsachen nicht gehalten, da das Gedicht, wie er mitteilt, aus dem Eindrucke der Dert­lichkeit entstand, ehe sich Byron über die Geschichte Bonivards unter­richtet hatte. Kaum ist jemals von einem Dichter die Marter eines unterirdischen Kerkers mit solch gewaltiger Glut geschildert worden.

Byron läßt Bonivard mit seinen zwei( nicht historischen) Brüdern